Das Magazin “kaffeepause” trotzt der Pandemie mit seiner achten Ausgabe über Bäume

eingestellt am 14.05.2021 von Philine Schlick, Headerbild: Postkartenmotiv. Foto: kaffeepause

“Haltet durch und macht’s wie die Bäume – seid stark!”, ruft das Team der “kaffeepause” in seinem aktuellen Editorial den Leser*innen zu. Die Redaktion hat bewiesen, wie das geht: Die achte Ausgabe des Magazins von besonderen Menschen ist in der Pandemie entstanden und glänzt allen widrigen Umständen zum Trotz mit Farbe, Fachwissen und Poesie.

“Die Chatgruppen”, erzählt Kathleen Roth, “waren so etwas wie der rettende Ast.” Gemeinsam mit Franziska Weiske hat die Sozialpädagogin vor nunmehr acht Jahren das Magazin “kaffeepause” ins Leben gerufen. Es wird von Menschen mit Handicap aus ganz Sachsen gestaltet. Ein Redaktionsteam kommt regelmäßig im Johannstädter Kulturtreff zusammen.

Das Cover des aktuellen Heftes zum Thema “Bäume”. Bild: kaffeepause

Im Vorfeld wird für jedes Heft ein Thema und eine künstlerische Technik festgelegt. Dann geht es los. Das ganze Jahr über fahren die beiden Frauen mit dem “kaffeepause”-Mobil von Werkstatt zu Werkstatt und sammeln Beiträge. Die Werkstätten räumen Zeit für die “kaffeepause” im Arbeitsalltag ein, weil sie die lebenslange Weiterbildung als wichtig erachten.

Das Redaktionsteam bei der Arbeit. Foto: kaffeepause

Releaseparty mit 300 Gästen

Rund 160 Erwachsene steuern regelmäßig Texte und Bilder bei. Wöchentliche Redaktionssitzungen finden immer donnerstags in Dresden im Johannstädter Kulturtreff statt. Eine monatliche Sitzung wird in Rothenburg abgehalten, wo die Träger des Projektes, die Diakonie St. Martin und die Evangelische Erwachsenenbildung, ihren Sitz haben.

Das Redaktionsteam bei der Arbeit. Foto: kaffeepause

Die “kaffeepause” ist mehr als ein künstlerisches Jahresmagazin: Es ist Austausch, Hingabe und Podium für Gefühle. In der Dreikönigskirche zu Dresden herrscht jedes Jahr ein großes Gedränge, wenn die aktuelle Ausgabe im November mit Lesungen und Live-Musik multimedial präsentiert wird. Rund 300 Menschen kommen dann zusammen. Neben Verwandten und Freund*innen der Autor*innen füllen zahlreiche externe Gäste die Bänke. Es gibt Kaffee und Kuchen und die Urheber*innen von Text und Bild, die auf den Heftseiten bereits vereint sind, können sich persönlich kennenlernen.

Albrecht Goette liest gemeinsam mit einigen Autor*innen aus der kaffeepause zum Erscheinen jeder neuen Ausgabe. Foto: kaffeepause

Dann kam Corona. Von heute auf morgen fielen die Werkstatt-Treffen aus. Um den Kontakt nicht abreißen zu lassen, gründeten Kathleen Roth und Franziska Weiske Chatgruppen und regten dort zum Austausch an. Per Messenger blieb ein kleiner, fester Kern von etwa 30 Mitwirkenden der “kaffeepause” in Kontakt: Mit Bildern, Informationen und einer täglichen Gutenachtgeschichte. Ein Brief ging an jede Werkstatt, zusammen mit Skizzenheften, um Menschen ohne Internetzugang die Teilnahme zu ermöglichen.

Ein Heft entsteht per Gruppenchat

Die Chat-Gruppe wurde zum Selbstläufer: Von Spaziergängen sendeten die Teilnehmer*innen Fragen, neue Erkenntnisse und Bilder. Ein “Baum des Tages” wurde gewählt und besprochen. “Die Gespräche haben sich nicht in Smalltalk verloren, sondern sind immer fokussierter geworden”, sagt Kathleen Roth.

Entstanden ist ein ausführliches Heft, das glatt als Lehrbuch durchgehen könnte, sich aber durch seine Farben- und Formenvielfalt genauso gut zum Schmökern und Träumen eignet. Baum-Porträts stellen bekannte Vertreter wie Mammut- und Ginkgobaum vor. Auch Walnuss, Kirsche, Eberesche, Kiefer und Co. haben ihren Platz. Illustriert und verziert ist alles mit Zeichnungen, Gedichten und Aphorismen wie diesem von Sebastian Zipser aus dem Johannstädter Redaktionsteam:

Hüten Sie sich vor Schlagbäumen!

Schlagbäume verhindern Durchgänge.
Wenn sie zu sind, fühlt sich mancher
in frühere Zeiten versetzt.

Heute sind sie eher in den einzelnen Köpfen
von uns Menschen vorhanden.
Und diese gedanklichen Schlagbäume
sind sehr schwierig zu entfernen.

Baumexpert*innen und Baumkuchen

Für die Ausgabe hat sich die “kaffeepause” Baum-Expert*innen der TU Dresden mit ins Boot geholt. Vorträge und Workshops im Forstbotanischen Garten in Tharandt öffneten den Blick für die teils uralten Wesen, die unsere Luft filtern. Den Baumkuchen, den es auf der Releaseparty geben sollte, haben Kathleen Roth und Franziska Weiske zusammen mit den frisch gedruckten Heften breit gefahren und in den Werkstätten verteilt. Jede Auflage beläuft sich mittlerweile auf 1000 Exemplare.

Naturstudien im Tharandter Wald mit dem Redaktionsteam Johannstadt. Foto: kaffeepause

Obwohl Corona das Heft verändert hat, ziehen die beiden Initiatorinnen eine positive Bilanz: Rund 2000 Bilder sind in den Chats zusammen gekommen. Es hat sich ein kleiner Fankreis gebildet, der über den Redaktionsschluss hinaus in Verbindung bleibt. “Immerhin”, trösten sich die Koordinator*innen, die um die Unersetzlichkeit des persönlichen Kontakts wissen. Jetzt liegen die Hoffnungen darauf, dass regelmäßige Treffen bald wieder möglich sind.

“Immer ein kleiner Umzug”

Im Rahmen des Moritzburger Kunstsommers soll die komplette Novemberlesung nachgeholt werden – vorausgesetzt, dass Proben im Vorfeld möglich sind. Eventuell wird eine abgespeckte Version konzipiert, verrät Franziska Weiske. Es sei wie ein Wunder gewesen, dass eine Zweijahres-Förderung das Projekt über die Krise getragen habe. Jetzt setze man auf Spenden und Annoncen, um das Magazin zukunftsfähig zu machen.

Auf die Idee zum Heft kamen Kathleen Roth und Franziska Weiske 2013. Beide arbeiteten als Ergotherapeutinnen und hatten beschlossen, beruflich neue Wege einzuschlagen. Bei Kathleen war das ein Studium der Sozialpädagogik und der Schritt in die Erwachsenenbildung mit Literatur- und Theaterprojekten. Franziska studierte und arbeitete als Kostüm- und Bühnenbildnerin, u.a. am Gerhart-Hauptmann-Theater in Zittau.

Kunst bringt zum Vorschein und verbindet – das hatten die Frauen erfahren und wollten etwas Eigenes auf die Beine stellen. Die “kaffeepause” wurde geboren. Lange fuhren die beiden Frauen mit einem alten VW-Bus von Werkstatt zu Werkstatt, voll bepackt mit “Material vom Feinsten” von Tusche bis Kreide, von Graphit bis Aquarellfarbe. “Es ist immer wie ein kleiner Umzug”, sagt Kathleen.

Preise, Reisen und Visionen

Die “kaffeepause” schrieb ihre eigene Erfolgsgeschichte: Menschen entdeckten verborgene Talente und die Lust am Podium, begeistertes Publikum die Freude an der Vielfalt der Kunst.

Auf Exkursion in der Apoldina Wien. Foto: kaffeepause

Beim regelmäßig ausgelobten “Schoko”-Preis der österreichischen Schokoladenfirma “Zotter” war 2018 ein “kaffeepause”-Autor der Preisträger. Das gab den Anlass zu einer Busreise nach Wien. Gesponsert wurde die Fahrt von den Eltern des Preisträgers. 2020 waren es dann vier Preisträger*innen.

Die “kaffeepause” bewegt, schafft Mobilität und öffnet Wege – auf den Seiten des Magazins wird diese Bewegung kunstvoll wider- und weitergegeben.

“kaffeepause” Nummer 8: Bäume

  • das Magazin ist erhältlich über die Webseite: www.redaktion-kaffeepause.de
  • Telefon: 035891 / 38145
  • kaffeepause@diakonie-st-martin.de
  • Spenden: Diakonie St. Martin, Verwendungszweck kaffeepause, IBAN DE 74 350601901555999050, BIC GENODED1DKD

QueerePlatte: Ein Projekt des Kulturtreffs nimmt Vielfalt in den Fokus

eingestellt am 30.04.2021 von Philine Schlick, Headerbild: Lisa Metziger und Frederike von Bothmer organisieren die Veranstaltungsreihe "QueerePlatte". Foto: Philine Schlick

“QueerePlatte” heißt das Jahresprojekt, das Frederike von Bothmer im Rahmen ihres FSJ mit dem Johannstädter Kulturtreff plant. Es durfte dank Fördermitteln überraschend größer werden als gedacht. Ein guter Einstieg für die queere Pionierarbeit in der Johannstadt.

Frederike von Bothmer und Lisa Metziger blinzeln in die helle Frühlingssonne. Im Garten des Johannstädter Kulturtreff platzen die Knospen – ein treffendes Sinnbild, denn der Auftakt dieses Jahres ist gleichzeitig der Beginn eines Projektes, das in der Johannstadt bunte Blüten treiben und tiefe Wurzeln schlagen soll.

“QueerePlatte” ist eine Veranstaltungsreihe aus Workshops und Filmen, die einerseits einen Raum für geschützten Austausch, als auch ein Podium für Diskussionen bieten soll. Frederike von Bothmer gestaltet das Projekt im Rahmen ihres FSJ im Johannstädter Kulturtreff und betreibt mithilfe von Lisa Metziger damit Pionierarbeit. Dank überraschend verfügbarer Fördermittel kann das Projekt über einen Ferienworkshop hinaus breiter und vielfältiger geplant werden.

“Mache ich halt selber eins!”

Frederike wollte eigentlich mit “Weltwärts” ein Jahr in Indien verbringen. Corona warf diese Pläne durcheinander – deshalb entdeckt sie jetzt die Johannstadt. “Ich bin in Leipzig geboren und habe hier in der Region Anknüpfungspunkte”, sagt sie. Für das FSJ kam sie im September aus Frankfurt/Main nach Dresden. Sie betreute bereits kleinere Projekte und baute gemeinsam mit Freund*innen eine queere Jugendgruppe auf.

Pionier*innen der queeren Johannstadt: Frederike von Bothmer und Lisa Metziger. Foto: Philine Schlick

“In Dresden konzentrieren sich die meisten queeren Projekte auf die Neustadt”, musste sie feststellen. In der Johannstadt war in dieser Richtung wenig zu verzeichnen. “Also mache ich halt selber eins!”

Queer ist ein Wort mit einer bewegten Geschichte. Ursprünglich in den USA als Schimpfwort für homosexuelle Menschen verwendet, wandelte es sich in den 90ern zur positiven Selbstzeichnung mit politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung.

Vielfalt kennenlernen

Der Anglizismus “queer” bezeichnet das breite Spektrum geschlechtlicher und sexueller Spielarten jenseits des als “normal” empfundenen Mann-und-Frau-Schemas. Das klassische Bild ist: Ein Baby kommt auf die Welt, wird aufgrund seiner äußeren Geschlechtsmerkmale als männlich oder weiblich kategorisiert und wächst mit dieser Entsprechung auf.

Für die Vielfalt des Lebens greift dieses Konstrukt zu kurz: Es gibt Menschen, die mehr als ein Geschlechtsmerkmal aufweisen, die trotz offenbar eindeutiger biologischer Merkmale ein anderes Geschlecht fühlen, Menschen desselben Geschlechts lieben … Es gibt ein körperliches, ein soziales Geschlecht und ein empfundenes Geschlecht und viele, viele verschwimmende Grenzen.

Verwirrt? Neugierig? Einen Einstieg in das weite Feld der LSBTIAQ* bietet der kostenlose Online-Workshop “Diversity für Anfänger:innen und Fortgeschrittene*” am 10. Mai um 18 Uhr. Anne Liebeck vom Gerede e.V. gibt Einblicke in die Thematik und hilft dabei, Fragen mit der nötigen Sensibilität anzubringen. Der Gerede e.V. mit Sitz in der Neustadt ist der wichtigste Kooperationspartner des Projekts.

Workshop: Drag-Queen Make-up

Ein Ferienworkshop im Sommer richtet sich an queere Jugendliche. In Gesprächen entwickelte Ideen und eigene Erfahrungen sollen fotografisch umgesetzt werden. Hilfestellung und Anleitung geben Foto-Profis. Die entstandenen Bilder werden in einer Vernissage präsentiert und sollen auf Wanderausstellung gehen. Zusätzlich entsteht ein Ausstellungskatalog.

Darüber hinaus winken ein Drag-Queen-Make-up-Workshop, ein queerer Stadtrundgang und ein Reisevortrag.

Die angedachte Filmreihe soll nach Möglichkeit coronakonform im Garten stattfinden. “Ich habe lange recherchiert, um neue, unbekannte Filme zum Thema zeigen zu können”, sagt Frederike. Beim Salzgeber-Verleih wurde sie fündig. Die Filme sollen zum anschließenden Austausch einladen.

“Wir möchten unser Haus für neue Zielgruppen öffnen”, sagt Lisa. “Die Angebote von QueerePlatte richten sich auch an unsere Mitarbeiter*innen und sollen in das Programm des Kulturtreffs integriert werden.” Das Ziel ist es, regelmäßige Treffen von queeren Menschen zu etablieren und den Themenbereich auch zukünftig in die Angebote einfließen zu lassen.

QueerePlatte

  • eine Veranstaltungsreihe des Johannstädter Kulturtreffs, organisiert von Frederike von Bothmer. Weitere Infos auf der Webseite
  • Instagram: @queereplatte_dd und @jokt_e.v
  • kostenloser Online-Workshop am 10. Mai um 18 Uhr: Diversity für Anfänger*innen und Fortgeschrittene*, Anmeldung: anmeldung@johannstaedterkulturtreff.de
  • Filmtermine:
    28. Mai, 18.30 Uhr   UFERFRAUEN

    9. Juni, 19.30 Uhr   Futur Drei

    20.Juni, 17 Uhr   Viva

    24. Juli, 17 Uhr   Port Authority

    4. September, 17 Uhr Rafiki

Internationale Wochen gegen Rassismus in der Johannstadt

eingestellt am 14.03.2021 von Philine Schlick, Headerbild: Auf der Gedenkfeier zu Ehren Marwa El-Sherbnis am 1.Juli im elften Jahr nach dem Mord. Foto: Anja Hilgert

Am Montag starten die Internationalen Wochen gegen Rassismus. Dresden beteiligt sich an der Veranstaltungsreihe, die seit 25 Jahren existiert. Auch in der Johannstadt finden Veranstaltungen statt. Hier, an der Holbeinstraße, war die letzte Wohnstatt des ermordeten Vertragsarbeiters Jorge Gomondai. Und hier starb im Landgericht Marwa El-Sherbini durch 18 Messerstiche.

Die Internationalen Wochen gegen Rassimus finden seit nunmehr 25 Jahren statt und machen auf Missstände und Verletzungen aufmerksam, die durch Diskriminierung und Herabwürdigung von Menschen aufgrund sozialer, körperlicher oder kultureller Eigenschaften entstehen.

Rassistische Vorurteile und Anfeindungen, strukturelle Benachteiligung und Unterdrückung gehören nach wie vor zum Alltag zahlreicher Betroffener. Auch in der Johannstadt laden Veranstaltungen dazu ein, sich zum Thema zu informieren, auszutauschen und Position zu beziehen.

Im Gedenken an Marwa und Jorge

In Dresden wird vor allem dem ermorderten Vertragsarbeiter Jorge Gomondai gedacht, zu dessen Gedenken der Platz zwischen Hauptstraße und Albertplatz in der Neustadt benannt ist. Es ist die Stelle, wo Jorge Gomondai am Ostersonntag 1991 von einer Gruppe Jugendlicher aus der Straßenbahn gestoßen und durch Tritte und Schläge so schwer am Kopf verletzt wurde, dass er nach einer Woche im Krankenhaus verstarb. Er gilt als das erste Todesopfer eines rassistischen Übergriffs nach der Wiedervereinigung. Zuletzt wohnte er in einer Wohnung in der Holbeinstraße 42.

“Das Gedenken an Jorge Gomondai, dessen rassistisch motivierte Ermordung sich 2021 zum 30. Mal jährt, erinnert uns an die Folgen von Menschenfeindlichkeit und Hass und mahnt, das Zusammenleben tolerant und gewaltfrei zu gestalten”, erklärt OB Hilbert in seinem Grußwort zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus.

Marwa El-Sherbini war als Zeugin in einem Gerichtsprozess am Dresdner Landgericht geladen. Sie hatte einen Mann wegen rassistischer Beleidigung angezeigt. Dieser Angeklagte tötete die Frau im Gerichtssaal mit 18 Messerstichen aus rassistischen und islamfeindlichem Motiven heraus. Marwa El-Sherbini war zu diesem Zeitpunkt schwanger. Um ihren gewaltsamen Tod zu mahnen, trägt der Park vor dem Dresdner Landgericht in der Johannstadt seit 2020 ihren Namen.

Kundgebung am Marwa El-Sherbini-Park

Am Internationalen Tag gegen Rassismus am 21. März organisiert die SPD-Fraktion Dresden eine Kundgebung mit verschiedenen Redebeiträgen und anschließendem Open Space am Marwa El-Sherbini-Park. Das Motto lautet: “Für Jorge, Marwa und Dich: Kein Platz für Rassismus in Dresden!” Die Veranstaltung beginnt um 11 Uhr.

Zweisprachige Schnitzeljagd

Der Johannstädter Kulturtreff organisiert am 24. und 29. März einen interkulturellen Spaziergang mit interaktiver Schnitzeljagd  durch’s Viertel. Eine Smartphone-Rallye vermittelt Perspektiven auf die Johannstadt aus der Sicht einer Person mit Fluchterfahrung. Zum Einsatz kommt die App Actionbound.  Treffpunkt ist jeweils der Johannstädter Kulturtreff an der Elisenstraße 35. Um eine Anmeldung wird gebeten.

Info-Veranstaltung zu privater Seenotrettung

Am 24. März findet zudem eine Infoveranstaltung statt. Von 18.30 bis 20 Uhr können sich Interessierte zu den Menschenrechtsverletzungen im Mittelmeerraum und zur privaten Seenotrettung informieren. Ein interaktiv gestalteter Vortrag und eine Diskussionsrunde erklären, warum die private Seenotrettung nicht kriminalisiert werden darf. Veranstaltet wird sie von der Dresdner Hochschulgruppe von Amnesty International. Auch hier wird um eine Anmeldung gebeten.

Internationale Wochen gegen Rassismus 2021

    • vom 15. März bis 6. April
    • 21. März, 11 Uhr: Kundgebung am Marwa El-Sherbini-Park
    • 24. März, 11 bis 12.30 Uhr: Interkultureller Spaziergang durch die Dresdner Johannstadt –  Interaktive und zweisprachige Schnitzeljagd. Anmeldung: kontakt@johannstaedterkulturtreff.de
    • 24. März, 18.30 bis 20 Uhr: Infoveranstaltung zur privaten Seenotrettung.
    • 29. März, 16 bis 17.30 Uhr: Interkultureller Spaziergang durch die Dresdner Johannstadt –  Interaktive und zweisprachige Schnitzeljagd. Anmeldung: kontakt@johannstaedterkulturtreff.de
    • hier geht es zum gesamten Programm der Internationalen Wochen gegen Rassismus

Das Magazin ZEILE sucht Beiträge für die zweite Ausgabe zum Thema “Wohnen”

eingestellt am 12.03.2021 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Die neue Ausgabe des Stadtteilmagazins fragt ins Stadtviertel nach Aspekten des Wohnens (Foto: Anja Hilgert)

Die zweite Ausgabe des Stadtteilmagazins ZEILE ist in Arbeit. Zum Themenschwerpunkt WOHNEN werden ab sofort Beiträge in Bild und Wort gesammelt. Erscheinen soll sie am 28. Mai zum Tag der Nachbarn.

Das neue Stadtteilmagazin ZEILE erkundet die Johannstadt und bringt
das Ergebnis aller Beteiligungen als gedruckte Zeitschrift kostenlos in die Briefkästen. Die erste Ausgabe erschien im Dezember 2020 zum Thema Nachbarschaft erfreute sich zahlreicher positiver Rückmeldungen. Bis Ende März können Beiträge via Mail oder postalisch eingereicht werden.

Das Stadtteilmagazin zum Mitgestalten

Um die zweite Ausgabe zum Thema Wohnen zu gestalten, sind Bürger*innen zur Beteiligung eingeladen. Jede*r kann mitmachen! Gemeinsamer Bezugspunkt ist das Thema der Ausgabe. Derzeit sind Postkarten in der Johannstadt im Umlauf. Die Fragen auf der Vorderseite können auf der Rückseite beantwortet und eingesendet werden.

Aber auch außerhalb der Postkartenaktion sind Beiträge in Form von Bildern, Geschichten, Anekdoten und Erinnerungen erwünscht:

Die ZEILE sammelt Beiträge aus dem Stadtteil, in Form von Geschichten, Schnappschüssen, Fotoreportagen, Wortmeldungen, Alltagspoesie, historischen Einblicken, Erinnerungen. Die ZEILE wird koordiniert von der Stadtteilredaktion johannstadt.de , sie unterstützt das gemeinschaftliche Gestalten jeder thematischen Ausgabe.

Wir alle wohnen: Jede*r auf unterschiedliche Weise, wir fragen nach dem Blick hinter die Haustür (Fotos: Anja Hilgert)

 

 

Die Zeile-Macher*innen rufen auf


Die Zeile erscheint im Format einer Zeitschrift, angenehm zu greifen und gut in Händen zu halten, zum Schmökern, Blättern, Lesen und Kennenlernen von Menschen, Ereignissen, Situationen, die in der Nachbarschaft vor der eigenen Haustür, im Wendekreis des Stadtteils passieren.

Mitzubekommen, was los ist, zu erzählen, was bewegt, ein Teil dessen sein, wofür sich Menschen engagieren, was veranstaltet wird und wo die Aufmerksamkeit fehlt, was an Veränderungen angeschoben wird von städtischer Seite,
wo was zu feiern ist und wer die Leute sind, beginnend im Kleinen, sichtbar im Großen – darum gibt es die ZEILE.

Die ZEILE  erscheint zweimal jährlich als Mitmachmagazin des Stadtteils:
Kostenfrei für alle Haushalte der Johannstadt und alle, die es interessiert,
produziert im Rahmen des Projektes Plattenwechsel.Wir in Aktion am Johannstädter Kulturtreff e.V. .

Wenn Du in der Johannstadt wohnst, fühl’ Dich eingeladen und ermuntert!

Sei Du die Zutat…

Dein Beitrag ist gewünscht: Die ZEILE besteht aus dem,
was die Menschen, die hier zusammen wohnen, daraus machen.

Die Johannstadt ist ein bunt belebtes Viertel: Sei die Zutat… in der ZEILE! Sie ist das Destillat des Johannstädter Ganzen.

Stadtteilmagazin ZEILE, Ausgabe 2 “Wohnen”

  • Einsendeschluss für Beiträge: 31. März 2021
  • Erscheinungsdatum: 28. Mai 2021 (Tag der Nachbarn)
  • Einsendungen sind via mail an
    redaktion@johannstadt.de oder per Post möglich:

ZEILE
Stadtteilladen Stadtteilverein Johannstadt e.V.
Pfotenhauerstraße 66
01307 Dresden

oder

ZEILE
Johannstädter Kulturtreff
Elisenstraße 35
01307 Dresden

Von Frust und Freiheit: Online-Kino-Reihe geht weiter

eingestellt am 10.02.2021 von Philine Schlick, Headerbild: Filmstill aus "Die Architekten" von Peter Kahane. Quelle: Johannstädter Kulturtreff

Die Online-Filmreihe “Von Frust und Freiheit” des Johannstädter Kulturtreffs geht weiter. Am Sonntag wird in Kooperation mit den Dresdner Neusten Nachrichten Hans Christian Posts Film ” Wohin mit der Geschichte?” gezeigt. Auch am nächsten Sonntag winkt ein spannender Film zum Thema DDR und Wende.

In der Filmreihe “Von Frust und Freiheit” ermöglicht der Johannstädter Kulturtreff gemeinsames Filmegucken und Debattieren via Stream. Auch die kommenden Sonntage werden spannende Filme präsentiert.

Rekonstruktion und Rechtsextremismus?

Die Dresdner Innenstadt ist Barock – könnten Besucher*innen meinen. Doch das Areal ist nach dem Krieg rekonstruiert worden. Vor der barocken Fassade demonstrieren seit 2015 regelmäßig rechtsextreme Gruppierungen.

Gibt es einen Zusammenhang? Kann die Rekonstruktion der kriegszerstörten Bauwerke zu einem Aufschwung rechtsextremer Bewegungen beigetragen haben? Hans Christian Posts Film “Wohin mit der Geschichte?” erschien 2020 und wirft kritische Fragen auf. Er wird am Sonntag um 17 Uhr präsentiert.

Der Regisseur der Dokumentation ist im Anschluss an die Filmvorführung zu einem Publikumsgespräch geladen.

Filmstill aus: Wohin mit der Geschichte? von Hans Christian Post aus dem Jahr 2020. Quelle: Johannstädter Kulturtreff

Ideal und Wirklichkeit

Am Sonntag danach, ebenfalls um 17 Uhr, erwartet das Publikum Peter Kahanes Film “Die Architekten” aus dem Jahr 1990: Der Architekt Daniel ist Ende Dreißig und projektiert Wartehäuschen für Busstationen und ähnliches. Ansonsten beteiligt er sich an Wettbewerben. Plötzlich bekommt er den Auftrag, für eine Trabantenstadt Berlins ein kulturelles Zentrum zu projektieren.

Als Mitarbeiter gelingt es ihm, noch fünf seiner Kommilitonen für das Projekt zu gewinnen, dazu zwei junge Absolventen. Die sieben verwirklichen in diesem Projekt ihre Ideale von einem schönen Zentrum, in dem das Leben pulsieren kann. Doch nach und nach droht das Kollektiv an Eingriffen durch übergeordnete Stellen zu zerbrechen, während täglich Tausende die DDR gen Westen verlassen, unter anderem Daniels Frau und Kind …

Auch hiernach wird der Regisseur anschließend zum Filmgespräch anwesend sein.

Filmreihe “Von Frust und Freiheit”

  • Sonntag, 14. Februar 2021, 17 Uhr: Wohin mit der Geschichte?  (Hans Christian Post)
  • Sonntag, 21. Februar 2021, 17 Uhr: Die Architekten (Peter Kahane)
  • Anmeldung zur Teilnahme bitte an: mw@johannstaedterkulturtreff.de, die Zugangsdaten für Film und Gespräch werden dann zugesendet

Ein Stück Johannstädter Kulturtreff im Briefkasten

eingestellt am 11.01.2021 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Die Winteredition des Alternativprogramms des Johannstädter Kulturtreffs e.V. wartet noch auf reichhaltige Be(i)träge Foto: Johannstädter Kulturtreff e.V.

Der Johannstädter Kulturtreff e.V. ist als Soziokulturelles Zentrum der Dresdner Johannstadt eine wichtige Anlaufstelle für interkulturelle Begegnung und Austausch in unserem Stadtteil. Da sämtliche kulturellen Kurse, kreativen und sportlichen Angebote und Veranstaltungen aktuell ausfallen, sind die Anwohnenden abgetrennt von regelmäßigen Treffpunkten, Kreisen, Zirkeln und Runden mit Angeboten. Das soll eine alternative Lösung noch für die Winterzeit ändern.

Besonders betroffen ist der hohe Anteil von Senior*innen, denen nicht nur ein fester Bezugspunkt, sondern ein Hort an sozialen Kontakten wegbricht. Dem wirkte das Team des Johannstädter Kulturtreff e.V. schon zu Beginn des Lockdowns unmittelbar entgegen mit dem Signal, dass sich gerade jetzt niemand allein fühlen sollte.

Das alternative Angebot des „Virenschutzprogramms“ brachte liebgewonnene Formate von Strick- und Backanleitungen über Fitnessübungen, Sprachspiele und Rätsel zu den Menschen nach Hause: Per mehrseitigem Heft durch den Briefkasten in die umliegenden Haushalte. 

Von Juni bis Dezember 2020 sind vier Ausgaben erschienen, gefördert durch den Fonds Soziokultur, um Kontakt und Verbindung ins Viertel zu halten und Ideen zum Selbermachen zu teilen.

Vier Ausgaben haben bis ins neue Jahr die Situation gerettet, für 2021 wird Starthilfe gebraucht                                 Foto: Johannstädter Kulturtreff e.V.

 

Für die volle Alternative fehlt die Förderung

Nun ist die Förderung ausgelaufen und gleichzeitig hat sich die Phase des Lockdowns auf unabsehbare Zeit verlängert. Der Kulturtreff bleibt weiterhin geschlossen. Trotz Lockdowns soll aber gerade jetzt in der Winterzeit ein weiteres Stück Johannstädter Kulturtreff im Briefkasten erscheinen: Um eine Winteredition des Virenschutzprogramm herausgeben zu können, hatte der Verein über den Jahreswechsel ein Crowdfunding geschaltet: 

https://www.startnext.com/virenschutzprogramm

Ziel 1 von 2 erreicht

Im Finanzierungszeitraum vom 11.12.20 bis 08.01.21 wurden durch 31 Unterstützer*innen erfolgreiche 954 € an Spenden gesammelt.

Damit wurde allerdings nur das erste der Funding-Ziele erreicht: Eine Ausgabe, die Winteredition, des Johannstädter Virenschutzprogramms kann erscheinen. Die Druckkosten sind gedeckt, aber die festangestellten Mitarbeiterinnen des Kulturtreffs müssen für die Angebotsseiten des Heftes selbst kreativ und erfinderisch tätig werden.

Wäre das zweite Fundingziel 1.500 € auch erreicht, könnten den vereinsbekannten Dozent*innen angemessene Entschädigungen für Artikel und Ideenbeiträge gezahlt werden. So würden sie die Möglichkeit erhalten, sich durch inhaltliche Beiträge am Programm zu beteiligen. Da Honorarkräfte vorrangig freiberuflich tätig sind, befinden sie sich aktuell in einer prekären Lage.

Aufruf zur zweiten Runde

Der Kulturtreff hofft deshalb darauf, die Summe des zweiten Fundingziels noch durch weitere Spenden zu erreichen.

Sobald alle Artikel beisammen sind, wird alles wieder liebevoll von Lisa Metziger im Virenschutzformat arrangiert. Das Heft entsteht im A5-Format und wird in der Auflage von mindestens 3.000 Stück produziert. Und landet schließlich in den Johannstädter Briefkästen.

Sollte auch das zweite Fundingziel übertroffen werden, würde ab März ein weiteres Virenschutzprogramm für die Johannstadt herausgebracht.

Wer den Verein mit seinen Dozent*innen oder das Projekt des Virenschutzprogramms mit einer Spende unterstützen möchte, kann gerne folgende Bankverbindung nutzen – auch gegen Spendenbescheinigung:

Spendenkonto Johannstädter Kulturtreff e.V.:

Ostsächsische Sparkasse Dresden
IBAN: DE36850503003120001740
BIC: OSDDDE81XXX

Jeder noch so kleine Betrag hilft, ein Kulturprogramm in Ihren Briefkasten zu veröffentlichen.

Für weitere Informationen

Johannstädter Kulturtreff e.V.
Telefon: 0351 4472823

Filmreihe “Von Frust und Freiheit” erinnert an die Nachwendezeit

eingestellt am 21.11.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Die Filmreihe "Von Frust und Freiheit" findet online statt. Bild: Plattenwechsel - Wir in Aktion

Auch wenn das gemeinschaftliche Schauen, Wispern und Fühlen in einem Kino-Saal unvergleichlich sind, gehören Filme doch zu der Art von Veranstaltungen, die während der Corona-Krise vergleichsweise leicht gemeinsam online stattfinden können. Die Filmreihe “Von Frust und Freiheit” des Projekts Plattenwechsel widmet sich Erinnerungen an die Nachwendezeit und lädt anschließend zum Gespräch.

Das Projekt Plattenwechsel – Wir in Aktion zeigt ab einmal sonntags im Monat um 17 Uhr eine Filmreihe zur Nachwendezeit. Im 30. Jahr der Deutschen Einheit nimmt die Auswirkungen der Wende auf die gesellschaftlichen Entwicklungen bis heute in den Blick – in (Ost-)Deutschland und auch bei unseren Nachbarn in Tschechien.

Im Mittelpunkt stehen die Geschichten von Menschen, von ihren Hoffnungen und Enttäuschungen, von neuer Selbst- und Fremdbestimmung, von gesellschaftlicher Aufbruchsstimmung und Resignation – von Frust und Freiheit. Zwischen 1991 und 2020 produziert, zeigen vier Spiel- und Dokumentarfilme ganz unterschiedliche Perspektiven auf die Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte.

Nach dem Film findet per Videokonferenz ein Erfahrungsaustausch statt.

Das Programm

  • 22. November 2020 17 Uhr
    NÁRODNÍ TŘÍDA | NATIONALSTRAẞE (Spielfilm, Štěpán Altrichter, Deutschland/Tschechien 2019)
    Zu Gast: Štěpán Altrichter und Jaroslav Rudiš

  • 13. Dezember 2020 17 Uhr
    GRENZLAND (Dokumentarfilm, Andreas Voigt, Deutschland 2020)
    Zu Gast: Andreas Voigt

  • 24. Januar 2021 17 Uhr
    LETZTES JAHR TITANIC (Andreas Voigt, Deutschland 1991)
    Zu Gast: Andreas Voigt

  • 21. Februar 2021 17 Uhr
    STILLES LAND (Andreas Dresen, Deutschland 1992)
    Zu Gast: Andreas Dresen (angefragt)

Filmreihe “Von Frust und Freiheit”

  • Hier geht es zur Veranstaltungsseite
  • Weitere Informationen zu den Filmen
  • Anmeldung unter kontakt@johannstaedterkulturtreff.de. Wenn Sie an dem anschließenden Filmgespräch zum Erfahrungsaustausch teilnehmen möchten, vermerken Sie das bitte in Ihrer Mail. Achtung: Die Teilnehmerzahl ist begrenzt

„Fest des Friedens 2020“ abgesagt – wieder Fördermittel für Projektideen frei

eingestellt am 10.11.2020 von Matthias Kunert (QM Johannstadt), Headerbild: Fest des Friedens im Kulturtreff. Foto: Ralf Menzel

Wie der Johannstädter Kulturtreff heute informierte, wird das für den 4. Dezember 2020 geplante „Fest des Friedens“ coronabedingt abgesagt. Dadurch sind wieder Mittel zur Förderung anderer Projektideen verfügbar. Der Kulturtreff plant derzeit eine alternative, kleine Aktion mit den Bewohner*innen im Umfeld.

Am 15.10.2020 hatte der Stadtteilbeirat Johannstadt gerade erst die Förderung des Festes mit 1075 Euro aus dem Verfügungsfonds Nördliche Johannstadt beschlossen. Nach der Absage des Festes wird dieses Geld jetzt wieder frei für andere Projektideen. Auch das bereits am 18. Juni 2020 zur Förderung beschlossene Weihnachtsschauturnen des TSV Rotation wurde für dieses Jahr coronabedingt abgesagt.

Gemeinsam mit Mittelrückgaben aus dem ausgefallenen Bundschuhstraßenfest sind derzeit wieder Restmittel in Höhe von rund 2000 Euro im Verfügungsfonds Nördliche Johannstadt verfügbar. Wer in diesem Jahr noch Projektideen im Fördergebiet „Soziale Stadt“ umsetzen möchte, kann einen entsprechenden Projektantrag noch bis 18. November beim Quartiersmanagement einreichen. Die Beschlussfassung durch den Stadtteilbeirat erfolgt dann im E-Mail-Umlaufverfahren.

Weitere Informationen

  • Telefon Quartiersmanagement: 0351 21961804
  • Mail: info@qm-johannstadt.de

Sprache auf 64 Feldern: Der Schachverein “Ran an’s Brett!” in der Johannstadt

eingestellt am 02.11.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Dirk Jordan hat zum Gedenken an den kürzlich verstorbenen Freund und Meister Wolfgang Uhlmann eine dessen französischen Eröffnungen angeordnet. Foto: Philine Schlick

Der Verein “Ran an’s Brett” bringt Schach, das “Spiel der Könige”,  in die Johannstadt. Besonders an Kinder und Jugendliche richtet sich das Angebot, bei dem sich Laien, Fortgeschrittene und Meister beim offenen Spiel auf den legendären 64 schwarz-weißen Feldern messen können. Im Vordergrund steht bei aller Taktik und Siegeswillen die Freude am Spiel.

Schach? Das ist doch nur was für mathematische Genies, für alte Herren und Großmeister! Dirk Jordan, Schach-Experte aus Dresden schüttelt den Kopf. Er weiß es besser. Er spielt Schach seit seinem sechsten Lebensjahr, war Turnierdirektor der Schacholympiade 2008 in Dresden und entwickelt Methodiken, um jungen Menschen Schach beizubringen. Schach ist aktueller denn je – und ein Kinderspiel! Für Jungen und Mädchen.

Dirk Jordan, Initiator des Schachtreffs in der Johannstadt.Foto: Philine Schlick
Dirk Jordan, Initiator des Schachtreffs in der Johannstadt.Foto: Philine Schlick

Die Kunst der unblutigen Attacke

Die Umgebung ist an diesem Mittwoch für die Spieler von “Ran ans Brett” eine ungewohnte: Man spielt heute ausnahmsweise nicht im Seminarraum des Johannstädter Kulturtreffs, sondern in der großen Werkstatt in Gesellschaft von Keramikfiguren und bunten Farbtöpfen. Im Fokus stehen für die nächsten Stunden jedoch die “Nicht-Farben” Schwarz und Weiß. Drei Herren sind bereits da und warten auf zwei Jungen, die sich etwas verspäten.

Unterschiedliche Generationen spielen gegen- und lernen voneinander. Foto: Philine Schlick
Unterschiedliche Generationen spielen gegen- und lernen voneinander. Foto: Philine Schlick

Auch Dirk Jordan ist knapp dran. Er kommt aus einer ganz anderen Welt. Einer virtuellen. Er ist nicht nur Schach-Experte, sondern Geschäftsführer von “7th Space” im Elbepark, wo Besucher*innen mit Virtual-Reality-Brillen Museen besuchen, tauchen, bergsteigen und in Trickfilmen spazieren gehen können. “Es ist unglaublich, was da alles geht.” Seine Augen leuchten. Manche ziehen es auch vor, erzählt er, in die Schrecken einer Zombie-Apokalypse abzutauchen. In den Räumen des Johannstädter Kulturtreffs dagegen wird die Kunst der unblutigen Attacke gepflegt. Die beiden jüngsten Teilnehmer des heutigen Turniers sind gerade eingetroffen und es kann losgehen.

Eine Schach-Aufgabe zum Tüfteln. Foto: Philine Schlick
Eine Schach-Aufgabe zum Tüfteln. Foto: Philine Schlick

Der Schach-Verein bringt unter sachkundiger Anleitung spielend unterschiedliche Generationen an einen Tisch. Dirk Jordan ist Ideengeber und Leiter des zweiten geförderten Sportprojekts der Johannstadt – nach dem Dresdner Nachtsport. Seit Juni finden die Turniere donnerstags auch im Bundschuhtreff statt. Die Vorbereitungen für das Projekt dauerten lange. Als es im März 2020 endlich in den Startlöchern stand, folgte unmittelbar der Lockdown. Nichtsdestotrotz hat sich über den Sommer ein kleiner “harter Kern” gefunden. “Im Kulturtreff sind es vier, im Bundschuhtreff fünf Jugendliche”, berichtet Andreas Schneider, der bei den Treffen anleitet.

Das Ziel sei nicht Masse, sondern Teamgeist. Eine “dufte Truppe” soll aus den regelmäßigen Schachtreffen entstehen. “Wir spielen eine Sprache” – der Slogan der Schacholympiade  trifft auch auf die Treffen des “Ran an’s Brett”-Vereins zu.

Schach als Kinderspiel

Für Kinder hat Dr. Dirk Jordan eigene Methodiken zum Erlernen des komplexen Schach-Spiels entwickelt. Er stellt den König auf das Spielfeld: “Es war einmal ein König, der suchte nach einer neuen Beschäftigung …” So beginnt die Entstehungslegende des Schach-Spiels in seiner Heimat Nordindien. Ein Ratgeber empfiehlt dem König Schach, wovon dieser begeistert ist. Aber er möchte, dass seine Königin an seiner Seite steht. Im weiteren Verlauf des Märchens füllt sich das Spielbrett mit Figuren.

“Zu Beginn spielen wir einfach kleine Spiele mit den Kindern, die gar nicht viel mit Schach zu tun haben”, sagt der Schachpädagoge. Zum Beispiel sollen die Könige um die Wette über das Feld laufen. Gewinner ist, wer als erstes an der gegnerischen Grundlinie ankommt. So lernen junge Spieler*innen das Brett und die Figuren kennen. “Mit allen Figuren gleichzeitig kommen die Kinder erst nach etwa drei Monaten in Berührung”, so Jordan.

Diskussionen rund um's Brett. Foto: Philine Schlick
Diskussionen rund um’s Brett. Foto: Philine Schlick

Ruhe und Disziplin – Schach als Lehrmeister für’s Leben

Schach stärke nicht nur kognitive Kompetenzen, sondern auch soziale, erklärt er. Er zitiert russische und schwedische Studien: Beim Schach lernen Kinder Entscheidungen zu treffen, sich zu konzentrieren, selbstbewusst zu handeln. Schachspielende Schulklassen sind im Vergleich zu anderen ruhiger, wurde festgestellt. “Natürlich ist Schach kein Allheilmittel”, räumt Jordan ein. Aber die positiven Effekte seien, ganz zu schweigen vom Spielspaß, nicht zu übersehen. Eine der wichtigsten Erfahrungen, die Schach vermittelt, ist das Verlieren-Können. Das ist gerade auch Tom passiert. Er erträgt die Niederlage gegen Andreas Schneider wacker und setzt sich dem nächsten Gegner gegenüber.

Eine wichtige Kompetenz: Verlieren-Können und Nicht-Aufgeben. Foto: Philine Schlick
Eine wichtige Kompetenz: Verlieren-Können und Nicht-Aufgeben. Foto: Philine Schlick

Schach zählt zu den beliebtesten Brettspielen Europas. Seine Faszination ist ungebrochen. “Menschen, die in den 90er und 2000ern die ‘Siedler von Catan’ für sich entdeckt und die Baller-Spiel-Phase übersprungen haben, machen heute regelmäßig Spieleabende”, teilt Dirk Jordan seine Beobachtungen mit. Geselligkeit, Herausforderung und Strategie lautet das Erfolgsrezept wohl auch beim Schach.

Das Ziel des Vereins “Ran an’s Brett” ist es nicht, Spieler*innen für Mannschaften anzuwerben. Alles ist frei und offen. Wer sein Spiel vertiefen möchte, kann dies in den ebenfalls angebotenen geschlossenen Gruppen tun. Die Schachtreffen des Vereins werden vom neuerlichen Teil-Lockdown im November Schach gesetzt, aber ein Matt bedeutet das längst nicht. Der Verein freut sich im Dezember auf eine zweite “Johannstädter Eröffnung.”

Schachtreff “Ran an’s Brett”

  • Ansprechpartner: Andreas Schneider
  • mittwochs 10 bis 12 Uhr (für Jugendliche und Erwachsene), 14 bis 15.30 Uhr (für Kinder bis 14 Jahre), 15 bis 17.30 Uhr (für jedermann) im Kulturtreff, Elisenstraße 35, Seminarraum I
  • donnerstags 16 bis 17.30 Uhr (für Kinder bis 14 Jahre) im BundschuhTreff, Bundschuhstraße 13
  • Angebot auf der Webseite des Kulturtreffs
  • Webseite des Vereins “Ran ans Brett”

Interkulturelle Tage 2020: Alle Veranstaltungen in und um Johannstadt

eingestellt am 24.09.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Plakat der 29. Interkulturellen Tage. Foto: PR

Vom 20. September bis 11. Oktober finden in Dresden unter dem Motto “Mein Name ist Mensch” die Interkulturellen Tage statt. Veranstaltungen von Workshop bis Film, von Gesprächsrunde bis Ballspiel machen darauf aufmerksam, wie Gesellschaften und Biografien interkulturell geprägt und vernetzt sind. Es folgt eine Liste der Veranstaltungen in und um Johannstadt:

Freitag, 25. September

14 bis 16.30 Uhr: Interkultureller Stadtrundgang

Die Dresdner Johannstadt aus den Perspektiven der Einwohnerinnen und Einwohner mit und ohne Migrationshintergrund. Veranstalter: Johannstädter Kulturtreff e. V., Wir sind Paten

Johannstädter Kulturtreff, Elisenstraße 35

Sonntag, 27. September

13 bis 18 Uhr: Vietnamesisches Vollmondfest 2020

Traditionelles, vietnamesisches Fest für Kinder und Familien mit Bühnenprogramm und Kinder-spielen zum Mitmachen. Veranstalter: Verein der Vietnamesen in Dresden e. V.

JohannStadthalle, Holbeinstraße 68

Mittwoch, 30. September

15.30 bis 17 Uhr: Workshop “Let’s Play Together – Auf der ganzen Welt wird gespielt”

Ob alleine oder zusammen, ob analog oder digital. In der Ausstellung „Schöne neue Cyberwelt?“ wollen wir uns mit Themen rund ums (Computer-)Spielen beschäftigen und in digitale Welten eintauchen.Veranstalter: Museen der Stadt Dresden

Technische Sammlungen, Junghansstraße 1 bis 3

Donnerstag, 1. Oktober

19 – 20.30 Uhr: Diskussionsrunde “Gemeinsam zu Tisch: Ein interreligiöses Gastmahl”

Mit den Gästen wird nach den Hintergründen religiöser Speisegebote und gleichzeitig deren Perspektive für eine nachhaltige Zukunft geforscht. Veranstalter: Deutsches Hygiene-Museum

Deutsches Hygiene-Museum, Lingnerplatz 1

Sonntag, 4. Oktober

11 bis 16 Uhr: Johannstädter Drachenfest

Das 15. Drachenfest auf den Elbwiesen heißt alle willkommen, in geselliger Atmosphäre ihre selbstgebauten Drachen steigen zu lassen und beim gemütlichen Beisammensein ins Gespräch zu kommen.Veranstalter: JohannStadthalle e.V.

Fährgarten Johannstadt, Käthe-Kollwitz-Ufer 23

Dienstag, 6. Oktober

18 bis 20 Uhr: Film “Fluch(t) oder Segen”

Ein Dokumentarfilm über Sachsens Zugezogene von Filmemacherin Elena Pagel. Er soll Migrant*innen sowie Geflüchteten in Dresden eine Stimme geben.Veranstalter: Johannstädter Kulturtreff e.V.

Johannstädter Kulturtreff, Elisenstraße 35

Mittwoch, 7. Oktober

15 bis 17 Uhr: Workshop Ornamentwerkstatt

Ornamente sind nicht nur Zierde, sondern haben religiöse und kulturelle Bedeutung. Verschiedene Ornamente werden untersucht und mit verschie-densten Materialien gestaltet.Anmeldungen an service@museen-dresden.de oder Telefon (03 51) 4 88 72 72 bis 6. Oktober. Veranstalter: Museen der Stadt Dresden

Technische Sammlungen, Junghansstraße 1 bis 3

Sonnabend, 10. Oktober

14.30 bis 17 Uhr: Baklava und Eierschecke – Interkulturelles Seniorencafé

Bei süßem Gebäck aus Dresden und aller Welt öffnet sich ein Raum zum Zuhören und Fragen-stellen: Geflüchtete und deren Paten erzählen vom Ankommen und vom Bleiben.Ausschließlich für Erwachsene. Veranstalter: Willkommen in Johannstadt e. V.

Johanneskirchgemeinde, Gemeindezentrum, Haydnstraße 23

Interkulturelle Tage Dresden 2020

Die Verhältnisse ändert nur, wer aktiv wird – Ein Neuanfang für den Wohnhof wie aus dem Bilderbuch

eingestellt am 21.07.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Mitsprache und Verständigungsbedarfkommen zu Wort auf der Projektwerkstatt zum Wohnhof Foto: Torsten Görg

Am sonnigen Sonnabend, den 11. Juli, konnte die lang geplante Projektwerkstatt zum Zusammenleben im Wohnhof  Pfotenhauer-/Hopfgarten/Elisenstraße stattfinden, die seit Frühjahr unter das Versammlungsverbot gefallen war. Für die Bewohner*innen des Wohnhofs wurde damit ein moderierter Beteiligungsprozess eingeläutet, der aus den angestauten Problemen einen Weg in Richtung realer Lösungsansätze bahnen soll. In der Corona-Zwischenzeit hatten sich die Konflikte eher verschärft, als dass sie weniger geworden wären. Nun wurde ein wichtiger Schritt nach vorne gesetzt.

Der Samstagnachmittag war sonnig, die Elbwiesen voller Menschen, die sich mit Spiel und Grill im Sommer verlustierten. Umso mehr erfreute die Veranstalter*innen der Projektwerkstatt, dass 40 Interessierte unterschiedlicher Herkunft im sommerlich gestalteten Garten des Johannstädter Kulturtreff e.V. zusammengekommen waren, um konkret an dem Thema zu arbeiten, das auf der Einladung stand: „Wie gestalten wir ein gutes Zusammenleben im Wohnhof Pfotenhauer-/Hopfgarten-/Elisenstraße?“

Musikalische Eröffnung der bunten Projektpräsentation durch Pablo Goméz   Foto: Torsten Görg

Wohnhofwohnen mit Konflikten

Die Plattenbauten im Karree Pfotenhauer-/Hopfgarten-/Elisenstraße beherbergen 28 Hauseingänge mit jeweils 40 Wohnungen. Das Zusammenleben der ca. 2.200 Mieter*innen im Wohnhof ist stark konfliktbelastet. Das alltägliche Leben vollzieht sich hier vor allem dicht an dicht, ist aber nicht zu einem Miteinander gewachsen.

Das sich selbst überlassene Nebeneinander unterschiedlichster Lebensrealitäten bereitet Reibungspunkte, die sich ziellos in die Umgebung entladen. Vor allem Lärm, Unsicherheit, Aggressivität und Müll breiten sich störend aus. Die Stimmung ist gekippt, und das schon seit einigen Jahren. Die Vielzahl unterschiedlicher Sprachen, die hier gesprochen werden, findet bislang den Weg noch nicht in eine Verständigung.

Aufgrund laufender Modernisierungsarbeiten herrschen derzeit erschwerte Zugangsbedingungen im Wohnhof.    Foto: Anja Hilgert

Die Bewohner*innen des Wohnhofs kommen u.a. aus Syrien, Indien, Kurdistan, Afghanistan, Pakistan, Bangladesch, Serbien, Ukraine, Kosovo, Tschechien, Russland, Tschetschenien, häufig aus Kriegsgebieten. Unterschiedliche Lebensgeschichten, Rhythmen, Bewältigungsmuster und Gebräuche treffen ununterbrochen aufeinander. Altmieter*innen fühlen sich mit ihren Gewohnheiten und Bedürfnissen bezüglich Ordnung, Sauberkeit, Ruhezeiten und Sicherheit nicht mehr wohl.

Frustration, Überforderung, Gleichgültigkeit und Anonymität stiften ein Klima von Verwahrlosung und Aggression. Fälle von Sachbeschädigungen, Vandalismus, Drogen und Gewaltbereitschaft ziehen Aufmerksamkeit auf sich.

Einrüstung im Wohnhof Pfotenhauer-/Hopfgraten-/Elisenstraße Foto: Anja Hilgert

Hilfe direkt aus Deinem Stadtteil

Der Johannstädter Verein Willkommen in Johannstadt e.V.  ist sensibilisiert für soziale und kulturelle Brennpunkte im Stadtteil. Mit Patenschaften, Hilfen und Angeboten fördern die Mitglieder – Bürger*innen der Johannstadt – mit hohem ehrenamtlichem Engagement das nachbarschaftliche Miteinander insbesondere mit Blick auf die kulturelle Verständigung, gegenseitigen Respekt, Toleranz und Neugier. Um die Wohnhofsiedlung aus ihrer Schieflage zu holen, hat der Verein mit Unterstützung des Quartiersmanagements Nördliche Johannstadt das Projekt „Kulturmittler“ für den Wohnhof entwickelt.

Beginnend mit der Projektwerkstatt am 11. Juli sollen Bewohner*innen in einem begleiteten Prozess sechs Monate lang dabei unterstützt werden, in Arbeitsgruppen eigene Projekte zur Verbesserung des Zusammenlebens im Wohnhof auf die Beine zu stellen. Für das Projekt hat die Vonovia knapp 5.000 Euro bereitgestellt.

Darüber hinaus bewilligte der Stadtteilbeirat für das Projekt weitere 3.600 Euro aus dem Verfügungsfonds Nördliche Johannstadt, mit dem Bund, Freistaat Sachsen und Landeshauptstadt Dresden Projekte zur Verbesserung der Lebensqualität im Fördergebiet „Soziale Stadt“ unterstützen.

Wer fragt, erhält auch Antworten

Ein engagiertes Kernteam, bestehend aus Anne Richter, Gabriele Feyler und Muawia Dafir, gestaltete Ende 2019 mit Förderung des Stadtbezirksbeirats Altstadt den Einstieg ins Wohnhof-Projekt (johannstadt.de berichtete): Insgesamt 56 Bewohner*innen verschiedener kultureller Herkunft wurden systematisch nach der Zufriedenheit mit ihrer Wohnsituation, ihren Vorschlägen und ihrer Mitwirkungsbereitschaft befragt.

Als nun am vergangenen Samstagnachmittag die Umfrageergebnisse öffentlich präsentiert wurden, kochte unter den Teilnehmenden die Gemengelage noch einmal richtig hoch.

Die Kunst des Zuhörens in wechselnden Positionen   Foto: Torsten Görg

Krach, Schmutz, Müll und Dreck

Klagen und Beschwerden hagelte es gegen die massive Belästigung durch Müll, Dreck und Schmutz in den Außenanlagen, auf Gehwegen, Hofgelände, Spielplatz bis hinein in Treppenhäuser, Fahrstühle, Flure.

Als Verantwortliche für den Wohnraum wurde die Vonovia von den versammelten Mieter*innen angeprangert: Die Belästigung durch Lärm und Schmutz im Zuge der sich über Jahre hinziehenden Sanierung wurde als untragbar moniert.

Ebenso die Ablagerung von Müll und Sperrmüll direkt vor der Haustür, deren Abfuhrkosten gleichmäßig auf alle Mieter*innen und deren Nebenkostenabrechnung umgelegt werden, anstatt neuzugezogene Mieter*innen, die die Regeln städtischer Müllentsorgung nicht verstanden haben, aufzuklären.

Viele Probleme, fehlende persönliche Ansprechpartner*innen, zurückgeworfen auf die eigenen vier Wände – der Unmut mancher Teilnehmenden war groß und brandete vehement und lautstark an die Vertreterin der Vonovia, die als Rednerin vorne stand.

Was die Vonovia vorhat

Lidia Sieniuta hatte die Aufgabe, vorzustellen, was die Vonovia tut, um die Probleme anzugehen. Keine einfache Rolle, doch sie stand sie durch. Sie zeigte Verständnis für die extreme Belastungslage im örtlichen Großbaustelleneck des Stadtteils: Von früh bis spät hatte das Wohngebiet erst die Baustelle des Güntzareals unmittelbar vor den Haustüren, nun dröhnt mit permanentem Hämmern und Bohren der Aldi Tiefbau durchs Viertel und der ganze Bönischplatz ist aufgerissen. Und dann auch noch die Modernisierungsmaßnahmen im Wohnhof selbst, zu denen die Vonovia aus Brandschutzgründen verpflichtet ist. Die Bewohner*innen des Wohnhofs haben es zurzeit nicht leicht.

Doch es gibt Licht am Ende des Tunnels, was die Bauarbeiten anbelangt: Die Sanierung und Modernisierung der Gebäude an der Pfotenhauerstraße 30 bis 36 ist bereits abgeschlossen. Hier wurden Balkone angebaut, Wärmedämmung angebracht, Wasser- und Abwasserleitungen und die Fassade erneuert. In den nächsten zwei Wochen folgt das Bauende auch an der Pfotenhauerstraße 12 bis 16, wo zusätzlich auch die Fenster ausgetauscht wurden. Fast abgeschlossen ist auch der Balkonanbau an der Hopfgartenstraße 4 bis 18, hier wird nach der Vogelbrutzeit im Herbst nur noch die Fassade im Innenhof gestrichen.

Noch bis 31. März 2021 müssen die Mieter*innen auf der Pfotenhauerstraße 18 bis 28 durchhalten, denn hier beginnen die Baumaßnahmen gerade erst. Ganz zum Schluss folgen dann ab 20. Juli 2021 noch die Elisenstraße 30 bis 36 und die Hopfgartenstraße 1 bis 5, wo die Zweiraumwohnungen ebenfalls Balkone erhalten und die Fassade neu gestaltet wird.

Auch dem Müllproblem will sich die Vonovia annehmen, denn „wenn die Tonnen wie zuletzt in Flammen aufgehen, ist niemand zufrieden“. Noch in diesem Jahr sollen deshalb der Müllstandplatz an der Pfotenhauerstraße 22 umzäunt und vergrößert sowie jener an der Pfotenhauerstraße 30 verlegt und umgestaltet werden. An der Stelle des bisherigen Containerplatzes auf der Pfotenhauerstraße 30 wird eine neue Fahrradabstellmöglichkeit geschaffen, und im Bereich der derzeit noch vorhandenen Baustelleneinrichtung an der Gerokstraße entsteht eine 500 m² großen Blühwiese mit Insektenhabitat und Sitzbänken.

Dampf und offene Fragen

Fragen und Vorschläge gab es so viele, dass damit problemlos eine eigene Veranstaltung gefüllt werden hätte können. Im Kessel kochte und schäumte es. Manche Frage konnte sofort geklärt werden, wie etwa jene, warum auch die Fassaden der bereits sanierten Gebäude neu gestrichen werden – weil ein mit der Stadt abgestimmtes Gesamtbild erreicht werden soll und es einfacher ist, die Malerarbeiten durchzuführen, wenn die Gerüste ohnehin gerade stehen. Oder die, ob auch an der Pfotenhauerstraße 36 eine weitere Blühwiese angelegt wird – das sei derzeit nicht geplant.

Viele Fragen blieben allerdings offen und wurden von Frau Sieniuta zur Beantwortung im Nachgang mitgenommen: Warum bekommen die Wohnungen an der Pfotenhauerstraße 18 bis 28 und 32 bis 36 keine Balkone? Warum gibt es in manchen Hausordnungen Ruhezeiten ab 19 Uhr und in anderen – bei den hellhörigen Häusern problematisch – erst ab 22 Uhr? Wie kann die Einhaltung der ausgehängten Arbeitszeiten der Baufirmen sichergestellt werden?

Wie erhalten Mieter*innen Mietminderung wegen der Lärmbelastung? Bergen die geplanten Automatikhaustüren Risiken für Rollstuhlfahrer? Warum wird herumliegender Müll drei Wochen lang nicht entfernt? Warum behandeln die Vonovia-Hausmeister alle Ausländer*innen respektlos, selbst wenn diese sich für Ordnung und Sauberkeit im Wohnhof engagieren? Warum bekommt nicht jede ausländische Familie einen Paten an die Hand? Warum gibt es noch immer keine mehrsprachigen Aushänge zur Mülltrennung? Können die Müllplätze Pfotenhauerstraße 32 bis 36 überdacht werden, damit der Müll nicht einfach von oben reingeworfen werden kann? Warum wurde das Waschhaus auf der Elisenstraße 36 halbiert? Was kann getan werden, wenn Menschen unter den Fenstern bis 23 Uhr Krach machen? Kann auf dem Spielplatz eine Rutsche ergänzt werden?

Immer wieder neu wurde Dampf abgelassen. Ein runder Tisch Vonovia-Mieter, der ebenfalls vorgeschlagen wurde, hätte wahrlich seine Berechtigung. Der Frust kam schwer zur Ruhe und prallte in einem fort an dieselbe Wand. Den einen hob es vom Stuhl, die andere schnaubte. Unkenrufe und Untergrundgeraune waren zu hören: „Das wird sowieso nicht. Immer dasselbe. Am Ende rührt sich doch nichts. Hat eh keinen Zweck.“

Aus dem Knick kommen

Es hatte sich festgefahren. An dieser Stelle stand zum Glück ein unerschrockener Moderator: In einem rasanten Perspektivwechsel gelang es Norbert Rost, die Stimmung aus der muffligen Meckerecke heraus und in Richtung besserer Aussicht zu lotsen. Es war klar, dass das Blaue nicht vom Himmel und auf die Dasitzenden nieder fallen würde. Wie also den Fokus auf das lenken, was möglich ist?! Erst einmal eine Kaffeepause. An einem liebevoll vorbereiteten Buffet ließ es sich im grünen Garten des Kulturtreffs gut schmausen. Das befriedete die Gemüter etwas.

Anschließend versuchte Matthias Kunert als betreuender Quartiersmanager, die Perspektive zu wechseln. Das Quartiersmanagement übernimmt seit 2015 im Auftrag der Stadt u.a. die Aufgabe, Bürgeranliegen zu sammeln und Projekte anzuschieben. In regelmäßigen Gesprächen leitet es die gesammelten Anliegen an die verantwortlichen Akteure weiter, darunter auch an die Vonovia und die Stadtverwaltung. Viele hätten sich bei ihm über die Zustände im Wohnhof beschwert, und viele Gespräche seien hierzu bereits geführt worden, sagt Matthias Kunert. Dabei habe er eines verstanden: Vonovia, Stadt und Akteure im Umfeld können Beiträge zur Problemlösung leisten, aber alleine lösen können sie die Probleme nicht. Das kann nur gelingen, wenn die Betroffenen selbst aktiv werden.

Das Quartiersmanagement als Mittler

Deshalb habe das Quartiersmanagement das Kulturmittlerprojekt gemeinsam mit Willkommen in Johannstadt angeschoben. Ziel sei es, konkret umsetzbare Kleinprojekte zu entwickeln, für die die Bewohner*innen selbst Verantwortung übernehmen und bei denen klar ist, wer macht was bis wann und was kostet das. Um evtl. Kosten für die Umsetzung der Kleinprojekte zu decken, hat nicht nur die Vonovia weitere Unterstützung in Aussicht gestellt.

Auch beim Quartiersmanagement können Bewohnergruppen Förderung aus dem Verfügungsfonds beantragen. Als Beispiel nennt Matthias Kunert die Idee einer Mieterinitiative aus dem Jahr 2018, die Bewirtschaftung von Grünflächen im Bereich Elisenstraße bis Pfotenhauerstraße 20 zu übernehmen. Hierfür wurden unter der Trägerschaft des Stadtteilvereins Johannstadt mit der Vonovia eine Vereinbarung getroffen, Sträucher, Samen und Werkzeug gekauft und fast 3.000 Euro Förderung aus dem Verfügungsfonds bewilligt. Die Vonovia habe Räume und weitere Unterstützung bereitgestellt. Wo ein Wille ist, ist also auch ein Weg.

Moderation in Richtung Zukunft: Norbert Rost auf der Bühne Foto: Torsten Görg

Was kann die Bewohnerschaft tun?

Norbert Rost zögerte im Anschluss keinen Moment: „Was können und wollen Sie tun?“, fragte der Moderator und ergriff Menschen direkt beim Wort, wenn sie sich meldeten oder auch nur mit den Schultern zuckten. Prompt waren alle in Arbeitsgruppen eingebunden, die sich in direkten Austausch begaben, „um miteinander daran rumzudenken“.

Über emotionale Befangenheiten half ein großformatiges Arbeitsblatt hinweg, an dessen Fragen sich das Grübeln entlang hangeln konnte. Ohne dass es ausdrücklich bemerkt wurde, waren die Bewohner*innen kulturübergreifend miteinander in regem Kontakt, und allseits an den Arbeitstischen war Gespräch, wurden Ideen entwickelt. Am Ende fanden sich die Bewohner*innen selbst in die Lage versetzt, eigene konkret umsetzbare Mini-Projekte nach ihren Vorstellungen zu planen, die zur Verbesserung des Zusammenlebens im Wohnhofs beitragen würden.

Sieben auf einen Streich

Das hatten am Anfang wohl nur die wenigsten geglaubt: Dank persönlichen Engagements der versammelten Bewohner*innen starteten aus diesem Werkstattnachmittag sieben Initiativ-Projekte für den Wohnhof. Und die Bewohner*innen zeigten, was eben doch möglich ist!
Nach den Gesprächskreisen war die Stimmung eine völlig andere. Der Knoten war geplatzt, es wurde gescherzt, gelacht und nach dem Mikrofon gegriffen.

– Eins –
„Ich, Ulla“, meldete sich eine Bewohnerin und stellte das Projekt ihrer Gruppe vor: Einen Begegnungsraum schaffen für die Hausgemeinschaft, wie es ihn früher schon gegeben hatte, zum Ausrichten von Feiern und Festen, auch mit mehr Gästen, für Hausversammlungen und zum Zusammenkommen untereinander, mietfrei zur Verfügung stehend für alle Mieter*innen. Die Vonovia will ihre Unterstützung prüfen.

– Zwei –
Um dem hauptsächlichen Störfeld im Wohnhof Herr zu werden, titelte die nächste Gruppe ihr Projekt: „Ich mag’s sauber“. Hier geht es um Mülltrennung und die mehrsprachige Unterweisung richtiger Müllentsorgung. Angeschafft werden sollen Lastenroller, mit denen Sperrmüll kostenfrei zum nahen Wertstoffhof am Tatzberg gefahren werden kann. Auch eine Erklärung in Sachen Mülltrennung von Frauen für Frauen, von Haustür zu Haustür ist angedacht sowie die Anerkennung und Auszeichnung von Menschen, die sich bereits seit langem ehrenamtlich um die Spielplatzreinigung kümmern.

– Drei –
Die als ungenügend befundene Spielplatzlösung und mangelnder Anschluss im Wohnhof war Auslöser für die Idee eines Eltern-Kind-Treffs. In den Hof prallt heiß die Sonne, es gibt keinen schattigen Sitzbereich, auch kein Spielgerät, an dem Kinder wirklich Freude haben. Jetzt ergriff die mutige Mays das Mikrofon und stand ein für ihren Wunsch nach Anschluss zu deutschsprechenden Nachbar*innen. Ein Treffpunkt für Mütter und Väter mit ihren Kindern zum Spielen und Deutsch sprechen soll entstehen, möglichst in Kooperation mit der im Wohnhof befindlichen Integrativen Kindertagesstätte Tabaluga.

Im Tandem für Eltern-Kind-Treffs     Foto: Torsten Görg

– Vier –
Mit ihrem Einstieg „Ich bin das Projekt Blumenfee“, ließ die Sprecherin unmissverständlich erkennen, dass es um Begrünung für den Wohnhof geht, darum, „Grün zu erhalten und zu pflegen“, „etwas mehr Farbe ins Wohngebiet zu bringen“ und „Nachbarn anzustecken, etwas mitzutun.“ „Kräftige Hände, nicht nur meckernde Männer“ wünschte sich die Projektfürsprecherin für ihr Projekt und sprach Bedarf an für einen Werkzeug- und Geräte-Raum, den die Hausgemeinschaft in Teamarbeit nutzen könne. Der Kontakt mit dem bereits bestehenden Projekt zur Grünflächenbewirtschaftung soll hergestellt werden.

Blumenfee im Einsatz fürs Wohnhof-Grün Foto: Torsten Görg

– Fünf –
Unter dem Motto „Du bist nicht allein“ kündigte eine Dame in ihren Achtzigern das Projekt an, einen Seniorentreff für den Wohnhof zu organisieren und hatte Vorschläge, sich sowohl mit dem Bundschuhtreff zu vernetzen, als auch die Caféteria im Haus Palmental anzufragen, einmal pro Woche dort Gemeinschaft zu leben.

Vernetzungsvorschläge für Senior*innen im Wohnhof Foto: Torsten Görg

– Sechs –
Raum zu schaffen für Jugendliche, „besonders für Jungs“ im Alter von 10-17, war das von einer einzelnen Fürsprecherin vorgebrachte Anliegen, die beobachtet, wie sehr gerade Jungen im Wohnhof in der Luft hängen und dann für ihre überschüssige Energie Wege der Beschäftigung suchen, die eher Besorgnis erregen. Sie will Träger der Jugendarbeit wie den Deutschen Kinderschutzbund gewinnen, um mobile Angebote, z.B. eine Fahrradwerkstatt oder einen kreativen Bau-Workshop für motorisierte Fahrzeuge zu organisieren.

– Sieben –
Von allen begrüßt wurde die Ankündigung einer letzten Projektgruppe, unter dem Motto „Wir feiern unsere Nachbarschaft“ im Wohnhof ein Hoffest auszurichten. Nur für den angedachten Termin am 26.9. ist zu bedenken, dass just an diesem Tag im September in unmittelbarer Straßen-Nachbarschaft dieses Jahr das Bönischplatzfest alias Bundschuhstraßenfest geplant ist. Hier bedarf es vielleicht noch eines verständigenden Nachgangs im Viertel für eine Terminabsprache.

Das nächste Treffen kommt

Damit die Ideen tatsächlich in die Umsetzung gelangen, kommt es auf gute Zusammenarbeit an. Unterstützung ist gewährleistet durch die beiden Projektleiter*innen Anne Richter und Gabriele Feyler, die den Beteiligten bis Dezember vermittelnd bei der Planung und Verwirklichung ihres Mini-Projektes zur Seite stehen. Erste Termine für die nächsten Treffen werden diskutiert.

„Am Ende sehr gelungen“, zeigte sich Matthias Kunert mit der Projektwerkstatt zufrieden. „Möge es gelingen, die zu spürende Motivation der Teilnehmenden hochzuhalten und weitere Engagierte anzubinden, um alle sieben und hoffentlich noch weitere Themen substanziell angehen zu können… Ich bin gespannt.“
Gespannt dürfen alle am Prozess Beteiligten nun sein, bis im September dann zum Fest im Wohnhof geladen wird. Ein konkreter Termin steht noch aus.

Weitere Informationen:

  • Willkommen in Johannstadt e.V. – Projekt Kulturmittler*innen Wohnhof
    Web: www.willkommen-in-johannstadt.de
    E-Mail: zusammenleben@willkommen-in-johannstadt.de

Chronik eines angekündigten Todes – Im Gedenken an Marwa El-Sherbini

eingestellt am 06.07.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Auf der Gedenkfeier zu Ehren Marwa El-Sherbnis am 1.Juli im elften Jahr nach dem Mord. Foto: Anja Hilgert

Anja Hilgert und Mohammad Ghith al Haj Hossin haben die Gedenkveranstaltung zum elften Todestag der aus rassistisischen Motiven ermordeten Marwa El-Sherbini besucht. Entstanden ist eine Co-Produktion: Zwei bewegende Artikel aus unterschiedlichen Perspektiven. Lesen Sie im Folgenden die Eindrücke und Gedanken von Mohammad Ghith al Haj Hossin:

Der Schriftsteller Gabriel García Márquez hat einen tollen Roman geschrieben. Er heißt ‚Chronik eines angekündigten Todes‘. Es geht um den Mord eines Arabers mit Migrationshintergrund, Santiago Nassar, in einem kleinen kolumbianischen Dorf.

Alle Leute im Dorf wussten, dass Nassar von Zwillingsbruder Vicario getötet werden würde, aber niemand hat versucht, diesen Mord zu verhindern. Obwohl sie auch wussten, dass Nassar unschuldig ist. Sie ließen ihn alleine seinem tragischen Schicksal begegnen. Ist das Hasskriminalität? Es ist eine von vielen Interpretationen des Romans.

Halluzinationen fanatischer Menschen

Man fühlt sich am falschen Ort, wenn man nach seiner Herkunft, Religion oder Hautfarbe behandeln wird. Man kann diese Diskriminierung und diesen Rassismus nicht nur im fremden Land erfahren, sondern auch in seiner Heimat. Könnte es sein, dass eine Gesellschaft nur aus Weißen oder Schwarzen besteht? Kam es je vor in der Geschichte, dass es eine solche Gesellschaft gegeben hat? Gehören solche rassistischen Gedanken zur Realität oder nur zu den Halluzinationen fanatischer Menschen?

Diese Fragen bleiben immer offen, obwohl die Antworten sehr einfach sind: Nein, in der Tat gab es niemald es eine solche Gesellschaft. Es sind Halluzinationen fanatischer Menschen, die nur extreme Gruppen bilden können.

Gruppierung bei der Gedenkfeier am 1.Juli
Foto: Mohammad Ghith Al Haj Hossin

Es ist ein verletzendes Gefühl, das viele Narben in der Seele nach sich zieht, besonders für Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind. Wenn sie glauben, dass ihre Menschlichkeit keine Rolle spielt im Vergleich zu ihrer Herkunft oder Religion. Rassismus zeigt uns sein hässliches Gesicht im Alltagsleben, deswegen haben viele Geflüchtete, die unter Rassismus und Diskriminierung in Deutschland leiden, besondere Geschichten mit ihren alltäglichen Erfahrungen.

Aber man darf in Anbetracht dieser negativen Gefühle nicht aufgeben. Man muss die Opferrolle vermeiden. Man hat in Deutschland unabhängig von Herkunftsort oder Hauptfarbe das Recht, dagegen zu klagen.

Rassismus beginnt in der Kindheit

Manche Menschen, die fremd sind, begegnen alltagsrassistischem Handeln mit Schweigen. Vielleicht haben sie Angst, ihre Stimme zu lauten oder, weil sie nicht wissen, dass sie durch Gesetze das Recht haben, dagegen zu klagen. Und natürlich: wenn sie die Sprache nicht beherrschen, können sie nicht gegen diese schlimme Handlung protestieren.

Ich bin davon überzeugt, dass es Rassismus nicht nur in Deutschland oder Europa gibt, sondern in allen menschlichen Gesellschaften. Rassismus fängt an in der Kindheit, zu Hause mit den Eltern oder in der Schule. Um es gut wahrzunehmen, braucht man sich nur ernst zu fragen, warum ist jemand mit seiner Familie von seiner Heimat geflohen? Der Fakt lautet: Wegen Hasskriminalität, Rassismus und Abwesenheit des Gesetzes. So entstehen extreme Reaktionen, die einen Menschen zu einem Henker machen.

Lesen Sie hier den Artikel von Anja Hilgert

Dein Name, Marwa – Im Gedenken an Marwa El-Sherbini

eingestellt am 06.07.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Auf der Gedenkfeier zu Ehren Marwa El-Sherbnis am 1.Juli im elften Jahr nach dem Mord. Foto: Anja Hilgert

Anja Hilgert und Mohammad Ghith al Haj Hossin haben die Gedenkveranstaltung zum elften Todestag der aus rassististischen Motiven ermordeten Marwa El-Sherbini besucht. Entstanden ist eine Co-Produktion: Zwei bewegende Artikel aus unterschiedlichen Perspektiven. Lesen Sie im Folgenden die Eindrücke und Gedanken von Anja Hilgert:

Deinen Namen zu kennen

Ich habe dich nicht gekannt, doch nun weiß ich deinen Namen.
Weil du getötet worden bist. Das hat dich mir bekannt gemacht.
Dein Name musste ausgesprochen werden, wiederholt werden, viele Male, bis in meinem Gesicht der Blick frei geworden ist, mein Gesichtsfeld offen wurde für dich.

Wie haben wir gelebt nebeneinander, ohne einander zu kennen?
Dieses Nicht-Kennen. Nicht Wissen-wollen. Jetzt geht mir nicht aus dem Sinn, deinen Namen zu sagen, zu lernen, deinen Namen auszusprechen, ihn laut zu üben, bis er so klingt wie du heißt.
Wir sprechen r und w einzeln hart nacheinander aus, jeden Buchstaben für sich. Es gibt wenig Worte, in denen der Laut vorkommt in meiner Sprache. In deinem Namen klingen r und w weich ineinander, es macht einen anderen Klang, den aus meinem Mund gesprochen, die Lippen erst üben zu formen, ihn zu runden und rollend zu entlassen bis er bei dir wieder ankommt.

Geboren in einem der sieben Weltwunder

Geboren in Alexandria, die Alexander der Große gegründet hat, antike Stadt, eines der sieben Weltwunder und Stadt der großen Bibliothek, bist du in römisch-byzantinischer Kultur verwurzelt. Unser Treffpunkt ist das schöne Florenz an der Elbe.

Du klingst nach einer starken, blühenden Frau, hast kraftvoll mit dem Arm ausgeholt, Handball gespielt in der Nationalmannschaft deines Landes, hast Pharmazie studiert, hast geheiratet, hast einen Sohn, trugst ein zweites Kind in dir, hast vertraut, mit ihnen zu leben.

Ein Mann hat sich Dir in den Weg gestellt, dir die Berechtigung abgesprochen, hier zu sein, hat dir den Weg verstellt, frei zu leben.
Du hattest Vertrauen, lebensvoll zu sein, dich zu entfalten.
Er trug Gedanken, die dem Leben nicht erlauben zu sein wie es ist. Abgeschnürte Gedanken, die vor sich hin Bilder schaffen und eine Welt definieren nach dem Diktat der Gedanken.

Gedanken, die so eng sind, dass sie Gewalt anwenden müssen, um das Pulsieren des Lebens, das vital ist und schöpferisch, da hineinzupassen, in dieses gedankliche Gitter. Beharrliche Gedanken, die beschneiden, drücken, pressen und prügeln müssen und am Ende mit Messern zustechen, um das klein zu bekommen, was sie nicht zu fassen vermögen.

In Gedanken gerüstet

Ich habe solche Gedanken.

Ich höre Gedanken nach Eindeutigkeit, Sicherheit, Zuverlässigkeit, nach Lösungen und Plänen verlangen. Gedanken, die attackieren, was anders ist als es Gedanken mir vorgestellt haben. Das Starren, das Gliedern, Sortieren, Vergleichen in mir, im Verlangen, fest zu machen und in den Griff zu bekommen, was überraschend, chaotisch, unberechenbar, wandelbar und wild ist in mir. Und unterdrückt von einer Last an Gedanken, die nicht nur meine sind. Die Generationen gedacht und ein Gehege der Wirklichkeit damit erstellt haben, das uns fern hält vom Vollzug des Lebendigen.

Jetzt einen Moment nur da sein. Dazwischen. Mich einschieben zwischen die Angst und die Rüstung. Nicht weiter absichern. Nicht zwingend krampfhaft in die Aufrechte gehen mit starrem Rückgrat. Stehen bleiben, kauern und zulassen, was kommt. Runterkommen von den Barrikaden, die verhindern, dass ich und was mir begegnet, da ankommen, wo mein Herz blank liegt.

Hoch ausgerüstete Sicherheit hat nichts ausgerichtet.
Im höchsten Saal der Ordnung, im Landesgericht, vor Richtern und Anwälten und Kräften, die Sorge tragen für Recht und Aufrichtigkeit – da bist du erstochen worden.
Gedanken, die zur Rüstung zwängen, sind grausam. Sie bedingen Ohnmacht, die einsetzt, wenn das Gerüst fällt. Ohnmächtig und betäubt stehen wir vor der systematischen Abriegelung des Herzens und trauen uns nicht zu, Mensch zu sein.

 

Zur Abstimmung in den Stadtrat gereicht: Ein Name für die Straße am Landgericht     Foto: Anja Hilgert

Im elften Jahr: Die Marwa El-Sherbini-Straße

Im elften Jahr deines Todes bin ich auf die Spur deines Lebens gesetzt.
Dasitzend vor dem hohen Gebäude, vor der Wand, die aufragt, vor den schweren Türen, so schwer die Portale, dass sie mit der Hand nicht zu öffnen sind. Sitzen und harren im namenlosen Gebiet vor dem Justizpalast, im Brachland, das die Macht des Gebäudes verantwortet, das für sich alleine dort ragt.
Herkommend von der Straßenkreuzung, dem Fluss, der Brücke, den Wegen, die hier sich bündeln, halten wir an, versammeln uns im Niemandskorridor zwischen Chaos und Ordnung und treten in Kontakt mit dieser Ohnmacht, die um sich greift und Offizielle zum Stammeln, zum Suchen nach Worten bringt.

Dem Gebiet einen Namen vergeben, heißt, es zu benennen – Marwa El-Sherbini-Straße soll der kleine Abschnitt nun heißen.
Nicht nur nächstes Jahr, wenn wir zum 1.Juli wieder dort versammelt stehen, sondern mit allen, die dort sind, jeden Tag und jede Stunde und minütlich, gehen wir in deinem Namen und finden zu einer Stimme, die aus der Ohnmacht aussteigt und Starre und Schweigen durchbricht.

 

Mit Rosen bezeugte Anwesenheit        Foto: Anja Hilgert

Ich frage dich, wie du heißt

Ich brauche keine Rose, nicht weiß und nicht langstielig, edel angeboten zu bekommen, um da zu sein. Mein Strauß ist feuerrot und leuchtend gelb, in warmem Orange und tiefem Violett. Meine Blumen sind selbst gepflückt und sie feiern den Mut, die Beherztheit, das Selbstvertrauen, den Drang zur Freiheit.

Ich möchte dich kennenlernen
Ich frage dich, wie du heißt.

 

Lesen Sie hier den Artikel von Mohammad Ghith al Haj Hossin

Virenschutzprogramm zur Rettung der Soziokultur im Quartier

eingestellt am 25.06.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Not macht erfinderisch: Das aktuelle Heft des Johannstädter Virenschutzes Foto: Anja Hilgert

Die Kulturszene hat hart mit den Corona-Einschränkungen zu kämpfen. Leere Sitze, leere Bühnen, leere Kassen. Wie weit die Hoffnung auf angekündigte “Rettungsschime” trägt und wen sie dann rettet, ist wie bei der Wettervorhersage derzeit nicht gewiss. Wem Warten und Hoffen nicht reicht,  um  lange schon geplante und angekündigte enthusiastische Programme an den Start und unters Publikum zu bringen, schafft neue Bündnisse: Um die Johannstädter Soziokultur zu retten, gibt es jetzt ein Virenschutzprogramm.

Betriebswirtschaftliches Aus für Kultur-Vereine

Wer ein Vierteljahr, also tatsächlich drei volle Monate lang als Kulturbetrieb ohne Kundschaft bleibt, steht betriebswirtschaftlich vor dem Aus. Nach einem vollen Quartal ohne Einnahmen ergibt die Rechenprobe schlicht ein Verlustgeschäft, das sich für Vereine wie den Johannstädter Kulturtreff e.V. im fünfstelligen Bereich bewegt.

Der Eintritt ist dosiert, Türen weit geöffnet: Der Johannstädter Kulturtreff e.V. Foto: Anja Hilgert
Der Eintritt ist dosiert, Türen weit geöffnet: Der Johannstädter Kulturtreff e.V. Foto: Anja Hilgert

In ihrer Pressemitteilung vom 24. Juni betont die Zweite Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Dresden und Beigeordnete für Kultur und Tourismus, Annekatrin Klepsch: „Angesichts der mehrwöchigen Betriebsuntersagungen und der fortdauernden Hygieneauflagen ist die wirtschaftliche Situation der Kultureinrichtungen existenzgefährdend.“ Es sei zu bedauern, dass die kommunalen Kultureinrichtungen bisher in keinem Hilfsprogramm von Bund und Land berücksichtigt wurden.

 

Sächsischer Landtag beschließt Millionen-Hilfspaket für Kultur (und Tourismus)

Der Haushalts- und Finanzausschuss des Sächsischen Landtages hat am 24. Juni das vom Kabinett beschlossene Hilfspaket für Kultur und Tourismus in Höhe von mehr als 60 Millionen Euro bestätigt. Mit diesen Mitteln will der Freistaat besonders die von der Corona-Pandemie betroffenen Einrichtungen und Akteure in Kultur und Tourismus unterstützen. Ob der besagte ‚Rettungsschirm’ auch bei kleineren Vereinen wie z.B. dem soziokulturellen Zentrum des Johannstädter Kulturtreff e.V. ankommt, ist ungeklärt. Ein guter Teil von deren Finanzierung hängt jedoch an der institutionellen Förderung durch die Stadt. Der andere Teil, der durch Raumvermietungen selbst erwirtschaftet wird, ist abrupt ausgefallen.

Bürgermeisterin Klepsch appellierte an die Regierung des Freistaates Sachsen, die Situation kommunaler Kultureinrichtungen für die Zukunft in den Haushaltsverhandlungen des Freistaates mit zu bedenken: „Die Einnahmeausfälle infolge der Schließung und die extrem eingeschränkte Zuschauerkapazität infolge der Hygieneauflagen führen auch in den kommunalen Kultureinrichtungen und damit den Haushalten der Rechtsträger in eine finanzielle Schieflage.“

Insbesondere Vereine und Institutionen, die den Zweck kultureller Bildung verfolgen und entsprechende vielfältige Veranstaltungen anbieten, sind von der negativen Bilanz betroffen. Wo sich niemand versammeln darf, macht keine Veranstaltung Sinn. Das Programm fällt ins Wasser.

Soziokultur auf der Rettungsinsel

Damit nicht der ganze Verein baden geht, müssen Veranstalter sich etwas einfallen lassen und im wahrsten Sinne des Wortes etwas veranstalten: Der Johannstädter Kulturtreff e.V. hat nun aus eigenen Kräften nach rettenden Ringen gegriffen und sich mit einem besonderen Einfall wieder an Land gezogen: Unter dem wunderbar bissig, spielerisch lustig formulierten Titel ‘Virenschutzprogramm’ hat die Verantwortliche für Veranstaltungen, Vermietung, Pressearbeit im Johannstädter Kulturtreff e.V., Lisa Metziger ein Heft gezaubert, das Angebote und Mitmachaktionen vereint, „die liebgewonnene Kursangebote zu den Leuten nach Hause bringt.“

Um alternative Wege der Kulturvermittlung einschlagen zu können, begab sich die Mitarbeiterin auf die Suche nach Fördergeldern, die über die Erweiterung im digitalen Raum auf Facebook und Instagram hinaus den Verein wieder handlungsfähig und für seine Interessierten zugänglich machen könnten.

Jury des Fonds Soziokultur ist überzeugt

Ihre eingereichte Zusammenstellung der breit aufgestellten, vielfältigen Kulturangebote, die das Haus seinen Nutzer*innen von 6 bis 99 Jahren, von 9 Uhr bis 21 Uhr übers ganze Jahr in parallel laufenden Veranstaltungen bietet, von Schach, Sport, Tanz und Sprach- und Kochkursen über Keramik-, Strick-, Sing-, Malwerkstätten bis zu Skatrunden, Gartenlabor und Festeskreisen hat die Jury des Fonds Soziokultur überzeugt.

Unter 180 Bewerbungen wurden 65 ausgewählt, davon zwei in Dresden und davon eine in der Johannstadt: Mit der Höchstfördersumme von 5.000 Euro des ad hoc-Förderprogramms ist die neuinitiierte Programmheftreihe des Virenschutzprogramms fortlaufend alle zwei Monate bis zum Jahresende gesichert.

Kultur im Quartier zum Mitnehmen Foto: Anja Hilgert

Riesenerleichterung für die Verantwortlichen

Für die lokalen Verantwortlichen ist das eine Riesenerleichterung: Es sichert den Fortbestand der Bindung, die das Zentrum lebhaft und mit viel Engagement zu den umliegenden Bewohner*innen des Stadtteils unterhält. Nun erhalten die umliegenden Haushalte postalisch zugestellt das kostenlose Programm, dass mit viel Einfallsreichtum vor den Folgen des Virus schützt, indem es in Kontakt bringt: „Ein Programm, in dem für jede*n etwas dabei ist. Alles ist gerade nicht drin, aber wir haben geschafft, vieles zu ermöglichen“, sagt Lisa Metziger, der nur wenig Zeit blieb, das erste Heft zu produzieren. Nun ist es da und wird seit der Wiedereröffnung des Kulturtreffs Mitte Juni positiv aufgenommen.

Bei gutem Wetter im Garten

Schließlich wäre nach Maßgabe des Abstandgebotes für alle Räume nur eine sehr begrenzte Besucher*innenzahl erlaubt – in den großen Veranstaltungsraum dürfen 15 Personen Zugang erhalten, in der Werkstatt inklusive Kursleitung nur neun.

Allein die Skatgruppe zählt 20 Teilnehmende. Somit dürfte nur acht Spielenden erlaubt sein, mit Mundschutz die Karten zu schmettern. Das reißt bestehende Gruppengefüge auseinander und macht keinem der Beteiligten Spaß. So das Wetter mitspielt, gibt es zum Glück den Bonus des großen Gartens, in den sich die Duzendschar strickender Frauen gut sammeln kann oder die Paarpartie Senior-Junior beim Schach.

Vieles ist möglich und der Garten ist offen: Soziokulturelles Zentrum der Johannstadt Foto: Anja Hilgert

Vieles ist möglich geworden, wenn auch längst nicht das, was vom Potential her möglich wäre. Doch das täglich wechselnde Bild wieder stattfindender Aktivitäten und Begegnungen rund um den kulturellen Treffpunkt des Viertels stimmt auch unabhängig von Sonnenschein gelöst und freudig. Wer aus den verschiedenen Gründen nicht kommen kann, hat nun ein Programm für zuhause und kann so das Heft selbst in die Hand nehmen.

Hand in Hand mit den Honorarkräften, die mit ihren Kursen für vielfältiges Lernen und offene Begegnungsräume sorgen, füllt das Alternativprogramm volle zwanzig Seiten mit individuell von den Kursleiter*innen erstellten Anregungen, Anleitungen und Infos aus den angestammten Kursangeboten.

Damit ist eine Kontinuität hergestellt, Liebgewonnenes geht nicht verloren und die gewünschte persönlich menschliche Bindung wird nochmal anders neu belebt, zum Nachlesen, Austüfteln und Schmökern, mit Mitmachaktionen und inspirierenden Möglichkeiten der Teilnahme.
Damit hat der Verein in Zeiten fehlender Rückfinanzierung eine Möglichkeit geschaffen, seine Honorarkräfte zu bezahlen, die als freie Kulturschaffende finanziell im Freien stehen.

Weiterführende Informationen

    • Das aktuelle Heft des Virenschutzprogramms für Juni/Juli 2020 liegt im Johannstädter Kulturtreff e.V. zum Mitnehmen aus und ist auf der Homepage als Download verfügbar.
    • Fragen und Anregungen bitte an: Lisa Metziger, Tel: 0351 210 45 86, E-Mail: lm@johannstaedterkulturtreff.de

Kunst im Umschlag – Ein Kreativprojekt für Mädchen durchbricht das Abstandsband

eingestellt am 23.06.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Mit kreativem Werkzeug und Farbe in Kontakt bleiben - Das Kreativprojekt für Mädchen in der Johannstadt Foto: Anja Hilgert

Seit zwei Jahren trifft sich eine Gruppe von Mädchen zum künstlerischen Experimentieren im kreativen Austausch mit zwei Künstlerinnen, die den Raum halten für freies, absichtsloses und unvorhersehbares Schaffen, das zu einmalig schönen Ergebnissen führt. Kreativwerkstatt hört sich gleich zweimal schöpferisch an: Sich von der eigenen Lust am Gestalten beflügeln lassen und eine Werkstatt vorfinden, die alles Benötigte an Materialien und Werkzeugen bietet.

Das Kursangebot von Anja Klengel, Kunstpädagogin und Kunsttherapeutin,  und Alexandra Mieth, freie Künstlerin, Kunsttherapeutin und Musikerin, gilt im Stadtteil als Geheimtipp. Seit zwei Jahren öffnen die Werkstattleiterinnen im Johannstädter Kulturtreff e.V. immer mittwochs weite Türen für zwölf unterschiedlichste Mädchen zwischen acht und 14 Jahren.

Mit einem künstlerischen Angebot, das in Qualität und Anspruch ausdrücklich auf Hochwertigkeit setzt, möchten die beiden Frauen insbesondere für Mädchen die Möglichkeit zu kultureller Teilhabe und persönlicher Entfaltung im Johannstädter Stadtteil eröffnen.

 

Alexandra Mieth (li) und Anja Klengel (re) halten die Werkstatt offen   Foto: Johannstädter Kulturtreff e.V.

Wir haben die Jungs nicht weggeschickt

Aus einer Hochdruckwerkstatt und dem Folgeprojekt einer Druckwerkstatt hat sich über zwei Jahre das Kreativangebot ‘Fingerabdruck’ entwickelt, eine Weiterentwicklung aus einem einmaligen Sommerferienangebot hin zum wöchentlich stattfindenden Kursangebot an Mädchen der Altersgruppe 8 bis 14 Jahre.

„Wir haben die Jungs nicht weggeschickt“, beteuern die beiden Leiterinnen. Es hat sich dahin entwickelt, dass sie diesen geschützten Raum anbieten, in dem Mädchen unter sich sind. Viele Mädchen hatten nicht nur das Bedürfnis nach kreativem Tun, sondern auch nach einem Treffpunkt.

Geplant war das nicht und hat sich eher zufällig und mit der Zeit so ergeben, bestätigt sich aber für die beiden Kursleiterinnen als kraftvolle Idee: Einfach sein zu können, wie sie sind, und tun zu können, worauf sie wirklich Lust haben und was ihnen im Moment entspricht, keine Forderung oder Verpflichtung verspüren, nichts zu müssen, erweist sich für die Mädchen als kostbare Erfahrung.

Künstlerisches Ergreifen: Wer bin ich? Wer will ich sein? Was passt zu mir?

Die Werkstatt macht das Ergreifen der eigenen Lust am Gestalten möglich: Hier ist jede, die kommt, voll für sich selbst verantwortlich. Es gibt keinen Auslöser für den Druck gefallen zu wollen, sich abgrenzen, durchsetzen oder konkurrieren zu müssen. Das Gegenüber für unterschiedlichste mitgebrachte Emotionen und Gedanken, ist das zur freien Verfügung gestellte Material der Werkstatt.

Für die beiden Künstlerinnen Anja Klengel und Alexandra Mieth ist das der pädagogische und auch therapeutische Auftrag ihrer Arbeit: „Es geht um vorpubertäre Themen“, fasst Anja Klengel die Bedürfnislage zusammen: „Die vielen entscheidenden Fragen: Wer bin ich? Wer will ich sein? Was sind meine Stärken, meine Schwächen? Was passt zu mir? Wie bin ich in meinem Körper?“

Wunderliche Wandelwesen     Foto: Anja Hilgert

Mit allen Sinnen aktiv

Unterschiedlichste Methoden aus dem Bereich der Bildenden Kunst, die immer variieren, immer andere Impulse setzen, funktionieren als Anstiftung, mit allen Sinnen aktiv zu werden. So gibt es überraschende selbst entwickelte Antworten bei der Erforschung und Entdeckung von sich selbst und der Umwelt.

„Entscheidungen für die oder die Methode werden immer aus dem Prozess der Gruppe getroffen“, erklärt Alexandra Mieth, die Leidenschaft darin entfaltet, die Mädchen auf ihren kreativen Reisen zu begleiten und zum gegenwärtigen Entwicklungsstand passende künstlerische Methoden vorzustellen.

Die Vertrautheit beider Kursleiterinnen miteinander fördert einen leichten, spielerischen Zugang, die Disziplinen auch einmal miteinander zu verknüpfen: Ergänzend bieten sie Yoga und Bodypercussion an, um mit dem eigenen Körper in Verbindung zu kommen. Überhaupt aufzuspüren, was individuell an dem Tag ansteht.
Um Tatkraft und Begeisterung müssen sie sich nicht bemühen, die fließen reichlich. Da gilt es eher, rechtzeitig zu erkennen: „Die müssen sich auch mal groß ausbreiten dürfen,“ und an der Wand oder auf dem Fußboden entsprechende Formate bereit zu halten.

Fisch - Ein Begriff macht den Anfang. Foto: Anja Hilgert
Fisch – Ein Begriff macht den Anfang. Foto: Anja Hilgert

Was dann sichtbar wird wird "Kunst im Umschlag" Foto: Anja Hilgert
Was dann sichtbar wird wird “Kunst im Umschlag” Foto: Anja Hilgert

Ein Schutzraum vor Leistung

Ihren Kurs bezeichnen sie als „Ausgleich zum leistungsorientierten Schulalltag“.
Gerade vor dem Hintergrund von LernSax und Homeschooling und unter unmöglichen Bedingungen weiter zu erbringenden ‚Leistungserhebungen’, sei deutlich geworden: „Es ist ein erklärter Schutzraum vor Leistung“. Häufig ginge es besonders bei Mädchen darum, „ gut zu sein, besser zu sein, hübsch zu sein, zu brillieren – Wir denken nicht ‚Jetzt müsste sie doch’, wir versuchen das nicht zu pushen“, sagt Anja Klengel.

Über die Kinder reicht das Angebot bis nach Hause zu den Eltern, die erkennen können, „wie wichtig ist Kreativität und dass die Töchter den Raum dafür haben.“

Alles anders im Shut down

Seit März diesen Jahres aber war alles anders: Infolge der Pandemie blieb der Johannstädter Kulturtreff e.V. (JoKT) geschlossen. Es war unmöglich geworden, sich überhaupt miteinander zu treffen. Pinsel, Stifte, Farben und Papier blieben unabgeholt im Regal und fanden nicht mehr zusammen. Es entstanden keine Bilder mehr. Keine Farbmischungen und auch nicht die Linie einer Zeichnung. Die blieben bei den Kindern und Jugendlichen, die regelmäßig das Angebot aufgesucht hatten, in den Köpfen und Gliedern stecken. Und keiner zuhause, der das wie sonst immer mittwochs abholte.

Griff in die Fülle: Kunst im Umschlag. Foto: Anja Hilgert
Griff in die Fülle: Kunst im Umschlag. Foto: Anja Hilgert

Schulsozialarbeiter berichten im Nachgang der coronalastigen Zeit, wie die plötzlich verordnete Isolation und die anmoderierte Spontan-Digitalisierung für Kinder und Jugendliche noch einmal anders Spuren hinterlassen hat, als es Statistiken von Wirtschaft und Finanzmarkt führen können.

Verunsicherungen, Sorgen und Nöte verliefen oftmals im Unsichtbaren, ohne mitgeteilt bzw gehört zu sein und nicht selten griff die schleichende seelische Belastung tiefer unter die Haut, wie die Dresdner Kinder- und Jugendbeauftrage Anke Lietzmann zum Kindertag vermeldete (johannstadt.de berichtete).

Abstand einhalten, Distanz überbrücken

Um es dahin gar nicht erst kommen zu lassen, ließen sich Anja Klengel und Alexandra Mieth etwas einfallen, um ihre jungen Teilnehmerinnen trotz Kontaktverbot dennoch zuhause zu erreichen und miteinander in Verbindung und Austausch zu bringen. Natürlich auf künstlerischem Kommunikationsweg: Das Kursprojekt ‘Kunst im Umschlag’ wurde geboren.

Ein Kreativprojekt aus der Werkstatt auf digitale Medien umzustellen, „fühlte sich sperrig an“, sagt Anja Klengel, „lieber nah dran bleiben und praktisch was machen.“ Dennoch schickte sie zuerst eine Einladung zum Zoom-Meeting in die Runde – und erhielt keine Rückmeldung.
So entstand die alternative Idee, um im Abstand die Distanz aufzubrechen.

Schaffen Perspektive: Alexandra Mieth und Anja Klengel                                     Foto: Anja Hilgert

Wenn Dir eins nicht zusagt, schick’s zurück

In einen DIN-A4-Briefumschlag steckten sie zwei beliebige Bildanfänge zum Auswählen: Wenn Dir eins nicht zusagt, schick’s zurück“, stand dabei, mit passender Gebrauchsanweisung zum weiteren Vorgehen. Gearbeitet wird mit Absender-Codes, „um nicht richtig zu wissen, wer hat das jetzt gemacht.“

So liegt von Anfang an die Betonung auf dem Ganzen als einem künstlerischen Prozess, an dem gleichwertig verschiedene Künstlerinnen miteinander wirken. Was entsteht, ist offen. Das ist als Zielsetzung wichtig: Es gibt kein Ziel zu erreichen. Alles entsteht im gemeinsamen Unterwegs-Sein.

Die jeweils weiter daran arbeitende Künstlerin wird intuitiv und spontan bestimmt: „Wer könnte sich angesprochen fühlen? Wer braucht gerade etwas?“ Insgesamt arbeiten zwei bis vier Mädchen am Bildprozess. Jede Adressatin aus dem Kreis der Mädchen arbeitet dann für sich selbst am zugesandten Bild ihrer Wahl weiter, so weit sie möchte und vermag und schickt es zurück an die Leiterinnen.

Manchmal ein Tag, manchmal zwei Wochen

Ein frankierter Rücksendeumschlag liegt dabei – „Es ist ein kostenfreies Angebot und soll auch in schwierigen Zeiten ohne Kosten für die Teilnehmenden sein.“ Unterstützung gab es für das Projekt im Programm ‘Kultur macht stark. Bündnis für Bildung’.

Den Anfang finden: Hut, Amboss, Blumentopf oder Pullover oder ganz etwas Anderes?      Foto: Anja Hilgert

Manchmal lag zwischen Beginn und Fertigstellung ein Tag, manchmal zwei Wochen, erzählen die Kursleiterinnen. Die finale Entscheidung liegt dann bei der kunstpädagogischen Einschätzung der beiden Frauen, die auch Sammelstelle für alle fertiggestellten Bilder sind.

Auf der Internetplattform Artdoxa findet sich eine erste virtuell ausgestellte Sammlung aller in diesem Zeitraum entstandenen Bilder. Der tatsächliche Schatz an fertig gestellten Bildern wartet nun auf die, die ihn geschaffen haben in der Werkstatt des JoKT: Die Aussicht darauf klingt bei beiden Kursleiterinnen sehnsüchtig vorfreudig: „Wenn wir uns wiedersehen dürfen…“

Detailgestaltung aus dem Zufall  Foto: A. Hilgert

Einem Farbfleck vertrauen

Ideen kommen mit dem Tun. Sich aufs Papier einlassen, das mit nur einer Spur an Bemalung oder Zeichnung versehen ist oder nur ein Element von irgendetwas aufweist, von dem man auch nicht genau weiß, was es ist. Sich einfach einlassen auf das, was da ist. Das schafft eine besondere Ruhe, die immer irgendwo im Zeitrahmen des Kurses auftaucht und wie als Lotsin die Gruppe ins Tun bringt.

Jede für sich beginnt, an einem Punkt auf dem Papier. Hier in der Werkstatt geht es so zu, dass etwas frei entstehen darf. Es entsteht unter der Hand, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Die Mädchen sind meist selbst überrascht, was sie hervorbringen und was das Bild ihnen zeigt: Das ist durch Dich entstanden. Das hast Du geschaffen. „Welten eröffnen, die möglicherweise einen bleibenden Platz haben im Leben,“ nennt Alexandra Mieth dieses Ergebnis.

Das Bild gehört allen

Wie die Mädchen aufeinander eingehen, begeistert die Künstlerin, was sie im Umgang miteinander voneinander lernen: „Achtsam sein, feinfühlig werden, Gespür entwickeln für Grenzen, was geht noch, was nicht mehr. Dass jemand gewaltig drüber malt ist nie vorgekommen. Es gibt eine große Ehrfurcht und eher die Frage, ‚Darf ich hier was dazu machen.’“

Gruppenprozesse in gemeinsamen Bildentwürfen beweisen: Das Bild gehört allen und ist nur da aus allen. Das fällt beim Betrachten der Bilder auf: Verschiedenheit des Ausdrucks auf einem Blatt, mit Überschneidungen, Berührungen, Nebeneinander, Ergänzungen, Humor und Leichtigkeit. Es ist ein Spiel miteinander, das mit vielen Künstlerinnen am Werk reiche, farbintensive und erzählfreudige Bilder schafft.

Blickwechsel aus verschiedenen Brillen                    Foto: A. Hilgert

Zu dem Projekt kommen immer wieder einmal neue Mädchen dazu, manchmal über Umwege. Eine Schulsozialarbeiterin hatte in der Schulberatung die Brücke zum Projektangebot geschlagen. So kam ein Mädchen in die Werkstatt dazu, die aus ihrem Kulturkreis heraus nicht einfach im Stadtteil für Aktivitäten außerhalb der Schule hätte unterwegs sein dürfen. Hierher brachte sie nun die Mama und holte sie nach den Kursstunden wieder ab. Nach ein paar Mal durfte das Mädchen sogar alleine vom Kurs nach Hause gehen.

Wiedereröffnung am 15. Juni 2020

Der Impuls der Kreativwerkstatt wird mittlerweile durch die Johannstadt bis in viele Kulturkreise hinein getragen. Über das Teilen von Erfahrungen spricht sich das Angebot positiv in der breiten Klientel des JoKT herum: „Aus sich heraus bringt es kaum jemand zur verbindlichen Anmeldung. Es braucht Menschen, die über die Schwelle begleiten“, sagt Anja Klengel, „Bewerbung über Flyer bringt nicht viel, es läuft über persönlichen Kontakt. Wir könnten uns auch Vorstelltage in Schulen vorstellen.“

Die Wiedereröffnung des Johannstädter Kulturtreff e.V. am 15. Juni fällt in den Zeitraum des 30-jährigenVereinsjubiläums. Die Macherinnen haben dazu unter den notwendigen Hygiene-Auflagen das “Virenschutzprogramm” zusammengestellt, in dem kostenlose Kursangebote Brücken bauen in Freiräume freudvoller Lebensgestaltung. Ideen und Impulse der Soziokultur, um neue Anfänge zu stiften für junge bis alte Bewohner*innen des Stadtteils, sich aktiv einzubringen und untereinander kreativ Kontakt zu finden – auch die Kunst im Umschlag ruft auf, Anfänge für neue Bilder zu gestalten!

Weiterführende Informationen

  • Malwerkstatt jeden Mittwoch zwischen 15.30 und 18.30 Uhr im Johannstädter Kulturtreff, Elisenstraße 35