Verstrickte Schicksale: Frauen, Nadeln und ein verbindender Faden

eingestellt am 18.06.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Gemeinsam Schönes schaffen: Die Frauen des Strick-Kurses verständigen sich mit Nadel und Faden. Foto: Annelie Gunkel

Beitrag von Mohammed Ghith Al Haj Hossin

Selbstgemachtes erlebt derzeit eine Rennaissance. Dass Stricken nicht nur Hände und Füße, sondern auch Herz und Seele wärmen kann, hat unser Autor Mohammed Ghith Al Haj Hossin bei seiner Frau beobachtet. Sie lernte durch das Stricken eine neue Sprache und neue Freundinnen kennen. 

Stricken als Medizin

In unseren heutigen Zeiten suchen wir nach Hilfsmitteln, die uns ein gesundes Leben geben. Wir treiben Sport, meditieren und machen Yoga, um unseren Körper und unsere Seele von den negativen Auswirkungen des Alltags zu befreien. Aber können Sie sich vorstellen, dass ein Pullover oder ein Paar Socken stricken wie ein magisches Rezept gegen Alzheimer und Stress ist? Es gibt noch viel mehr Vorteile dieser besonderen Handarbeit, zum Beispiel: es fördert das Erinnerungsvermögen und man kann das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen mindern.

Es war üblich in den siebziger und achtziger Jahren in Syrien, dass Frauen, während des Besuches, in der Tasche Wollknäule und Stricknadeln hatten. Sie saßen, unterhielten sich, tranken Kaffee und strickten. Es ging um Gespräche, Konzentration und Freundschaft.

Vom Hobby zum Lebensunterhalt

In dieser Zeit waren die Nächte des Winters lang und kalt. Man musste etwas gegen die Langeweile machen, vor allem auf dem Land. Deswegen befanden Frauen das Stricken als gute Sache, die sie ihren Töchtern als Tradition beibringen sollten.

Viele Hände schaffen mit vielen kleinen Griffen warme Decken im Kursprojekt "Stricken Interkulturell". Foto: Annelie Gunkel
Viele Hände schaffen mit vielen kleinen Griffen warme Decken im Kursprojekt “Stricken Interkulturell”. Foto: Annelie Gunkel

Später in den folgenden Jahren ging das Stricken zurück wegen der Strickmaschinen, die die Kleidung schneller und günstiger produzierten. Aber sie waren weniger schön, weil ihnen die sanften Hände und Blicke von Frauen fehlten. Als wir kleine Kinder waren, waren wir stolz auf die farbigen Pullover, die unsere Mütter gestrickt hatten.

Nach dem Krieg in Syrien in 2011 begann das Stricken wieder, aber dieses Mal nicht als Unterhaltung sondern als Arbeit, die vielen syrischen Familien in Syrien, Libanon, Jordanien und in der Türkei geholfen hat die Lebenskosten zu tragen.

Stricken als Brücke

Im Jahr 2013 wurde Annelie Gunkel vom Ausländerrat Dresden gefragt, ob sie ein Projekt für geflüchtete Frauen entwickeln und durchführen möchte. Sie fragte sich, wie sie den Frauen bei der Integration helfen könnte? Übrigens wusste sie gut, dass die Frauen die deutsche Sprache nicht sprechen konnten.

Die Damen von "Stricken Interkulturell": Gespräche, Freundschaft, Konzentration. Foto: Manal Aeroota
Die Damen von “Stricken Interkulturell”: Gespräche, Freundschaft, Konzentration. Foto: Manal Aeroota

“Meine Idee war, über eine kreative Initiative den Frauen die Teilnahme zu vereinfachen und das gemeinsame Stricken und Häkeln als ‘Brückenbauer’ für alle Frauen mit und ohne Deutschkenntnisse zu sehen”, sagt Annelie Gunkel.

Es ist eine kreative Idee! Nach diesem mutigen Anfang entwickelte sich das Projekt zu Freundschaften und Hilfe bei Fragen zu Schule, Kindergarten, Ämtern, Wohnungssuche usw. Das neu geborene Projekt heißt Integrationsprojekt „Stricken Interkulturell“, der Träger ist der Johannstädter Kulturtreff e.V.

Internationale Familie

Als wir in Dresden angekommen sind, ging meine Frau zum Kulturtreff. Damals konnte sie kein Wort Deutsch. Ich erinnere mich daran, wie sie begeistert war, als sie über das Stricken sprach. Ich fragte sie: “Warum bist du so glücklich, wenn du doch die deutsche Sprache nicht reden kannst?” –  “Wir haben die Körpersprache (Mimik, Gestik) genutzt als Medium zum Verstehen und es funktioniert sehr gut”, antwortete meine Frau.

Danach hat sie sich mit vielen Frauen angefreundet, darunter Frau Gunkel. Frauen, die aus 15 Nationen stammen stricken hier, wie ein Bienenkasten voll von Bewegung und Begeisterung. “Manche Frauen stricken sehr gerne und viel, andere möchten sich unterhalten und Unterstützung in Fragen des täglichen Lebens bekommen. Wir haben uns als internationale Familie gesehen und das ist bis heute geblieben”, so Frau Gunkel.

Annelie Gunkel leitet wöchentlich den kostenfreien Kurs für Stricken und Sprache im Johannstädter Kulturtreff. Foto: Manal Aeroota
Annelie Gunkel leitet wöchentlich den kostenfreien Kurs für Stricken und Sprache im Johannstädter Kulturtreff. Foto: Manal Aeroota

Aber man kann sich vorstellen wie schwierig es ist, wenn man aus seiner Heimat geflohen ist, um sich selbst und seine Familie zu schützen. Deswegen leiden diese Frauen unter vielen Problemen. Heimweh, Sprachschwierigkeiten, Arbeitssuche und vielem mehr.

Frau Gunkel gab sich viel Mühe, um diese komplizierten Probleme zu lösen. Sie hat heraus gefunden, dass das Familienkonzept in diesem Bereich sehr hilfreich sein konnte. “Ich versuche so gut es mir möglich ist zu helfen und zu vermitteln. Und auch hier hilft das Gefühl Mitglied einer Familie zu sein. Ich wünsche mir sehr, dass ich mit meinem Projekt dazu beitrage, die Frauen ein bisschen glücklicher zu machen.”

Masche für Masche

Nach sieben Jahren geht es nicht nur um Stricken sondern auch um Beratung, Reisen, und Deutschkurse. Heute gibt es viele Frauen beim Stricken, die sehr gut Deutsch sprechen, arbeiten und studieren. In diesem Sinne hat Frau Gunkel geschafftt, dass ihr Projekt nicht nur sein Ziel erreicht hat, sondern auch ein Teil ihres Lebens wurde.

Es müssen nicht immer Pullover und Socken sein, wenn es ums Stricken geht. Foto: Annelie Gunkel
Es müssen nicht immer Pullover und Socken sein, wenn es ums Stricken geht. Foto: Annelie Gunkel

Frau Gunkel fügt hinzu: “Ich persönlich habe sehr wertvolle Freundschaften geschlossen, ich respektiere und schätze alle Frauen und freue mich, dass ich dieses Glück habe, mit all diesen Frauen gemeinsame Wege in die Zukunft gehen zu können.”

Stricken Interkulturell

  • jeden Mittwoch zwischen 14 und 17 Uhr im Begegnungsraum des Johannstädter Kulturtreffs
  • Elisenstraße 35, 01307 Johannstadt

Zwischen Splittern und Graffiti: Mein 1:1-Konzert mit dem Konzertmeister der Philharmonie

eingestellt am 12.06.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Herr Brömsel, Konzertmeister der 1. Violinen, gab am Freitag ein 1:1-Konzert in der ehemaligen Schokofabrik. Foto: Philine Schlick

Für klassische Musik braucht man eine teure Garderobe, einen Konzertsaal, Taxi und Häppchen? Von wegen! Die Dresdner Philharmoniker beweisen mit ihrer Idee der 1:1-Konzerte, dass Musik an allen Orten berühren kann. Am Freitag war es die marode Halle der ehemaligen Schokofabrik in der Johannstadt, aus der zarte Violinentöne klangen.

Brömsel: "Seit Mitte März spiele ich ohne Publikum. Das ist nicht zu ertragen." Foto: Philine Schlick
Brömsel: “Seit Mitte März spiele ich ohne Publikum. Das ist nicht zu ertragen.” Foto: Philine Schlick

Ralph-Carsten Brömsel, Konzertmeister der ersten Violinen, steht, elegant schwarz gekleidet, auf Sand. Er wiegt sich in den Klängen seiner Violine zu einer Partita von Bach. Er steht innerhalb eines aus Kordeln gelegten Rechtecks. Ein Stuhl steht ihm gegenüber. Auf dem sitze ich. Durch die Löcher des Daches des östlichen Gebäudeteils der alten Schokofabrik fallen Sonnenkleckse und wärmen mir den Scheitel.

Mehr Vanitas hätte Bach sich nicht zu träumen gewagt

Glassplitter und bunte Schriftzüge, ein Taubenkadaver und Getränkeverpackungen zieren diesen außergewöhnlichen Konzertsaal. Von mehr Vanitas hätte Meister Johann Sebastian kaum zu träumen gewagt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die sich langsam nach oben schraubenden Töne das alte Dach so angehoben haben, dass mehr Licht hineinströmt.

Hinter jeder*m Besucher*in wird das Tor für den sehr persönlichen Moment geschlossen. Foto: Philine Schlick
Hinter jeder*m Besucher*in wird das Tor für den sehr persönlichen Moment geschlossen. Foto: Philine Schlick

Ich bin traurig und fröhlich zu gleich, wie der Raum und die Musik, wie das Werden und das Vergehen. Bach, Brömsel und seine Violine werden zu einem Spiegel, in dem ich mich hören kann. Dicht an der bloßen Backsteinwand schiebt sich ein Schößling aus dem Sand. Noch mehr als diese Tatsache ergreift mich in diesem Moment der entrückte Gesichtausdruck von Konzertmeister Brömsel, aus dem die Töne strömen, als erdenke er sie beim Spielen.

Klassikkonzerte in Autowerkstätten und Wohnzimmern

Es ist die Faszination der Gegensätze, wegen der sich Matthias Greß besonders über die Bewerbung des Deutschen Kinderschutzbundes Dresden gefreut hat. Er organisiert die außergewöhnliche Konzertreihe, die für die prekäre Lage von Musiker*innen in der Coronakrise sensibilisieren soll.

“Genau nach solchen Orten haben wir gesucht, als wir das Konzept erdacht haben”, sagt er über die ehemalige Schokofabrik. “Ich habe mir auch Autowerkstätten und Wohnzimmer vorgestellt.”

Matthias Greß von den Philharmonikern und Andreas Blume vom Deutschen Kinderschutzbund. Foto: Philine Schlick
Matthias Greß von den Philharmonikern und Andreas Blume vom Deutschen Kinderschutzbund. Foto: Philine Schlick

Andreas Blume vom Kinderschutzbund ist froh, die alte Fabrik so in den Fokus zu rücken und schon vor dem geplanten Ausbau zum integrativen Familienzentrum zu beleben.

Seit etwa vier Wochen geben 20 Musiker*innen der Philharmonie die kostenlosen 1:1-Konzerte – 78 davon gab es bereits. “Ich bin froh, dass sie sich dazu bereit erklärt haben”, sagt Matthias Greß. Für Ralph-Carsten Brömsel gab es zwei Gründe für seine Teilnahme: “Erstens hat es ein Format, bei dem einzelne Personen so individuell und intim ansprechen kann, so in Dresden noch nicht gegeben”, sagt er. “Und zweitens bin ich seit Mitte März ohne Publikum. Das ist für mich nicht auszuhalten.”

Ralph-Carsten Brömsel beim Spiel in der ehemaligen Schokofabrik. Foto: Philine Schlick
Ralph-Carsten Brömsel beim Spiel in der ehemaligen Schokofabrik. Foto: Philine Schlick

Bei den 1:1-Konzerten gehe er in einen punktgenauen Austausch, den es so in einem großen Konzertsaal nicht gebe, berichtet er. “Ich kann mich innerlich und mental ganz auf die eine Person ausrichten.” Das, was in dem kleinen Rechteck aus Kordeln passiert, bezeichnet er als “persönliches Geschenk.”

Tauben sitzen auf dem Schornstein der ehemaligen Schokofabrik. Foto: Philine Schlick
Tauben sitzen auf dem Schornstein der ehemaligen Schokofabrik. Foto: Philine Schlick

Noch einmal wird eine Mini-Reihe der 1:1-Konzerte am kommenden Dienstag in der Schokofabrik zu erleben sein. Matthias Greß und die Dresdner Philharmoniker*innen können sich vorstellen, das Konzept kleiner, individueller Konzerte ab Herbst beizubehalten. “Es könnten stadtweite Aufführungen in kleinen Gruppen parallel stattfinden”, sinniert Matthias Greß. Er und die Philharmoniker*innen haben bewiesen, dass alte Musik niemals Staub ansetzt.

1:1-Konzerte von Musiker*innen der Dresdner Philharmonie in der ehemaligen Schokofabrik

Trotz Kälteeinbrüchen: Der Dresdner Frühling war der trockenste seit 1961

eingestellt am 11.06.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Der Klimawandel bringt Trockenheit und Hitze. Foto: Philine Schlick

Dresdens oberirdische Gewässer führen nach dem zu trockenen Frühling so wenig Wasser, dass das Umweltamt am Wochenende verboten hat, Wasser aus Bächen zu entnehmen. Das Frühjahr gilt eigentlich als “Trinkphase” für die Natur vor der Sommerhitze. Die vergangenen heißen Sommer haben den Pegeln stark zugesetzt. Der Niederschlag im Mai konnte den Mangel nicht ausgleichen.

Gefühlt war der Frühling nach einem hitzigen Osterhoch bislang bewölkt und feucht. Die Eisheiligen kamen pünktlich Mitte Mai und schienen sich mit nasskaltem Wetter ungewöhnlich lang zu halten. Die allgemeine Trockenheit konnten sie aber nicht ausgleichen. Der Frühling war der trockenste seit 1961, berichtet das Umweltamt. In den vergangenen drei Monaten fielen insgesamt nur 70,1 Millimeter Regen. Dies ist nicht der einzige auffällige Wert.

Unterwasserbegegnung an der Elbe. Foto: Anja Hilgert
Unterwasserbegegnung an der Elbe. Foto: Anja Hilgert

– 6,3 Grad Celsius im März

Zwischen dem 22. und dem 23. März zeigte das Thermometer unter Hoch “Jürgen” frostige 6,3 Grad Minus an. So kalt war es im ganzen Winter nicht geworden. Diesem Wert stehen 177 Sonnenstunden im März gegenüber. Verglichen mit dem Klimareferenzwert zwischen 1961 und 1990 bedeutet das 61 Prozent mehr Sonne – und mit 25 Millilitern Niederschlag an 13 Tagen 40 Prozent weniger Regen verglichen mit 41,8 Millilitern an 14 Tagen im Referenzzeitraum. Noch im Mai sanken die Temperaturen in den Minusbereich: Das war am 12., wo es mit – 0,2 Grad Celsius einen Frosttag gab.

Nur zwei Regentage im April

Der April 2020 zählt gerade einmal zwei Regentage und lieferte statt Aprilwetters Sonne satt. Insgesamt fielen in diesem Monat nur 1,9 Milliliter Niederschlag. Das macht den April zum sonnigsten seit 1961 – an Trockenheit überboten wird er laut Messungen der Wetterstation Klotzsche nur vom April 2007 mit 0,9 Millilitern. Die sonnige und trockene Wettersituation sorgte dafür, dass der April 2020 die größte Temperaturabweichung gegenüber 1961 bis 1990 erreichte. Mit 11,0 statt 8,0 Grad Celsius war es der neuntwärmste April seit Aufzeichnungsbeginn an der Station Dresden-Klotzsche.

Gießkannen auf dem Trinitatisfriedhof. Foto: Philine Schlick

Seit 2017 überwiegen die Niederschlagsdefizite in Dresden. Von November 2017 bis Ende Mai 2020 beträgt das aufsummierte Niederschlagsdefizit etwa 500 Millimeter. Der Mittelwert der Jahresniederschlagssumme 1961 bis 1990 misst 669 Millimeter. Damit fehlt also allein in den letzten zweieinhalb Jahren schon fast ein ganzer Jahresniederschlag. Ein Anzeiger für die Trockenheit ist besonders der Elbpegel.

Niedriger Elbpegel macht mangelnde Niederschläge sichtbar

Im Einzugsbereich der Elbe in Tschechien fehlt es seit Jahren an kräftigen Niederschlägen, die die Elbe speisen. Wenn dort Dürre herrscht, ist das hier in der Stadt zu sehen. Am 10. und 11. Mai 2020 wurde am Pegel Dresden der niedrigste Tagesmittelwert in einem Mai seit der Inbetriebnahme der Moldaukaskaden im Jahr 1964 registriert: Der Pegelwert erreichte nur 68 Zentimeter. Da im Winter nahezu kein Schnee fiel, blieb auch das Wasser der Schneeschmelze aus.

Zur Folge hat der Wassermangel auch einen bedenklich niedrigen Grundwasserstand: Im Durchschnitt liegen die Grundwasserstände an den städtischen Messstellen etwa 90 Zentimeter unter dem Monatsmittelwert der letzten elf Jahre. Die weitere Entwicklung wird vom Niederschlags- und Temperaturverlauf der nächsten Monate abhängen. Allerdings ist selbst bei ergiebigen Niederschlägen nicht mit einer zügigen Wiederauffüllung des Grundwasserleiters zu rechnen.

Blick auf die Elbwiesen. Foto: Christina Eppers
Blick auf die Elbwiesen. Foto: Christina Eppers

„Das fehlende Wasser in den lokalen Grundwassersspeichern konnte nicht ausgeglichen werden,“ erklärt Wolfgang Socher, Leiter des Umweltamtes Dresden. „Im Vergleich zu den langfristig gemessenen Monatsmittelwerten des Deutschen Wetterdienstes für Dresden hat sich seit 2013 ein Niederschlagsdefizit von rund 470 Liter pro Quadratmeter summiert. Das entspricht der Regenmenge, die in Dresden durchschnittlich in einem dreiviertel Jahr fällt“, sagt Socher.

Umweltamt ordnet Entnahme-Stopp bis zum 15. Oktober 2020 an

„Verschärft und mitverursacht wird die Situation durch die Dürrejahre 2018 und 2019. Die ungewöhnlich starken Niedrigwasserphasen dieser Jahre ließen zahlreiche Dresdner Bäche und Flüsse vollständig oder über weite Strecken austrocknen“, erklärt Wolfgang Socher, und ergänzt: „Dazu zählte auch die Prießnitz, einer der größten Bäche im Stadtgebiet.“

Alle 40 Fließgewässer in Dresden führen zu wenig Wasser. Deshalb hat das Umweltamt einen Entnahme-Stopp bis zum 15. Oktober 2020 angeordnet. Wasser darf weder geschöpft noch gepumpt werden – ausgenommen ist die Elbe und in punkto Wasserentnahme mit Handgefäßen die Vereinigte Weißeritz sowie der Lockwitzbach. Werden bei Gewässerkontrollen Verstöße festgestellt, kann dies als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Das Bußgeld beträgt mindestens 50 Euro.

Klimawandel bringt weitere Trockenheit

Vom Wassermangel besonders betroffen sind die Fische. Bei Austrocknung des Fließgewässers sterben sie oder wandern ab. Im Stadtgebiet besiedeln Fische die ausgetrockneten Abschnitte wegen mangelnder Rückzugsräume – wenn überhaupt – oft nur langsam.

Das Dresdner Umweltamt hat bereits an vielen Stellen Stadtgewässer renaturiert. Ufergehölze sorgen für mehr Abkühlung und weniger Verdunstung. Die begonnenen Projekte müssen in den kommenden Jahren fortgesetzt werden. Langfristig soll es gelingen, die natürlichen Gewässer und ihre Einzugsgebiete widerstandsfähiger gegen klimabedingte Veränderungen zu machen.

Prognosen des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie sagen in den nächsten Jahren klimawandelbedingt weiter steigende Temperaturen, spürbar geringere Niederschläge und die Zunahme extremer Wetterereignisse voraus. Damit ist auch zukünftig häufiger mit Niedrigwasserphasen zu rechnen.

Aktuelle Informationen

  • im Themenstadtplan unter stadtplan.dresden.de: Im Themenfeld Umwelt, Kategorie Wasser lassen sich Daten aktuell einsehen und Hintergrundinformationen zu einzelnen Gewässern aufrufen.
  • Fragen beantwortet das Umweltamt unter Telefon 0351-4886241

Dresdner Philharmoniker*innen geben 1:1- Konzerte in der ehemaligen Schokofabrik

eingestellt am 10.06.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Luftbild der ehemaligen Schokofabrik. Quelle: Stadt Dresden

Lange mussten Konzert-Liebhaber*innen darben. Mit den Lockerungen sprießen die ersten zarten Versuche der Wiederbelebung von Sälen und Bühnen. In der Johannstadt stehen Konzerte besonderer Natur an: Musiker*innen der Dresdner Philharmonie bespielen je eine*n Zuhörerin für 15 Minuten. Von Angesicht zu Angesicht – kostenlos. An einem ungewöhnlichen Ort.

Noch ist der östliche Teil der ehemaligen Schokofabrik an der Hopfgartenstraße eine Brache. Das soll sich ändern: Vergangenes Jahr beschloss der Stadtrat auf Antrag des Stadtplanungsamtes hin, aus dem Industriebau ein integratives Zentrum des Deutschen Kinderschutzbundes zu verwandeln. Dieser hat sich nun als ungewöhnlicher Konzertsaal für die ebenso ungewöhnliche 1:1-Konzertreihe der Dresdner Philharmonie beworben. Streicher und bröselnder Putz – in der alten Schokofabrik erleben die Besucher*innen einen intimen Musikgenuss in unvergleichlichem Ambiente.

Kinderschutzbund hat sich als Gastgeber beworben

“Wir haben uns vor einer Woche als Gastgeber bei der Philharmonie beworben”, erzählt Andreas Blume vom Deutschen Kinderschutzbund Dresden. “Der Intendant war begeistert bei der Besichtigung.” Zum einen biete die ehemalige Schokofabrik eine spannungsreiche Umgebung, zum anderen sei der Auftrittsort regensicher und ausreichend vor Lautstärke geschützt.

So werden am kommenden Freitag und dem folgenden Dienstag je vier Mini-Konzerte am Stück stattfinden. Welches Instrument die/den Zuhörer*in erwartet, bleibt eine Überraschung. “Das kann alles sein: Vom Horn zur Violine, Tuba oder Oboe …”, macht Andreas Blume neugierig.

Intime, kostenfreie Konzerte als Zeichen der Solidarität

In Wohnzimmern, Hinterhöfen, Arbeitsräumen: Je eine*e Musiker*in sitzt einem Konzertgast im angemessenen Sicherheitsabstand gegenüber und gibt ein privates Konzert. Bewerbungen sind jederzeit willkommen. Die Plätze sind streng limitiert: Interessierte müssen ein kostenloses Ticket buchen, um sich anzumelden. Das ist auf der Webseite der Philharmonie möglich. Die Musiker*innen verzichten auf ihr Honorar, sodass die Konzerte kostenfrei angeboten werden. Spenden sind gern gesehen.

Erdacht hat sich das Konzert der 1:1-Konzert die Dresdner Philharmonie. Die intimen Auftritte sollen ein Zeichen der Solidarität mit der freischaffenden Musikszene setzen, die durch die Corona-Krise schwere finanzielle Verluste erlitten hat. Die Philharmonie möchte, dass “Dresdens Kulturlandschaft wieder erstrahlt wie zuvor.”

Konzerte mit Musiker*innen der Philharmonie Dresden in der Johannstadt

  • jeweils in der Industriebrache ehemalige Schokofabrik an der Hofgartenstraße (nicht barrierefrei, tragen Sie festes Schuhwerk)
  • Freitag, 12. Juni um 11 Uhr, 11.15 Uhr, 11.30 Uhr und 11.45 Uhr
  • Dienstag, 16. Juni um 16 Uhr, 16.15 Uhr, 16.30 Uhr und 16.45 Uhr
  • Hier geht es zu den Tickets
  • Spendenkonto Deutsche Orchester-Stiftung, Kennwort: 1_1Concerts Stuttgart, IBAN: DE35 1004 0000 0114 1514 05, BIC: COBADEFFXXX
  • Spendenkonto Freunde des HSKD e.V.. Spendenzweck: Spende Honorarlehrkräfte, 1to1Concerts, IBAN: DE11 8505 0300 3120 2168 51, BIC: OSDDDE81XXX

Vom Reisen und Daheimbleiben – Das TUI-Reisebüro ist umgezogen

eingestellt am 07.06.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Leiterin Cornelia Raeuber an ihrem neuen Schreibtisch im TUI-Reisebüro Gerokstraße. Foto: Philine Schlick

Cornelia Raeuber ist Leiterin der TUI-Filiale in der Johannstadt und vereint zwei offensichtliche Gegensätze in sich: Standorttreue und die Lust an der Fahrt ins Ferne. Vergangenen Montag brachten sie und ihr Team den Umzug vom Bönischplatz an den neuen Standort Güntzareal über die Bühne. Es ist nicht die einzige Neuerung für das Team.

Normalerweise ist die Überwindung von Distanzen der berufliche Alltag von Cornelia Raeuber und dem Team der nunmehr einzigen TUI-Filiale Dresdens. Nach dem Shutdown der Coronakrise war ihre Hauptaufgabe die Absage und Rückabwicklung von Reisen. Traurig erzählt Cornelia Raeuber das. Aber gerade in solchen Fällen, sagt sie, ist ein Reiseveranstalter Gold wert: Ein Anruf genügt und Stornierungen nehmen ihren Lauf. “Es macht einen großen Unterschied, ob man selbst in der Warteschleife der Hotline hängt oder das abgeben kann”, weiß Cornelia Raeuber.

25 Jahre Arbeit im Reisebüro

Sie sitzt an ihrem neuen Arbeitsplatz an der Gerokstraße. Durch die großen Glasfenster lässt sich das Treiben im Innenhof des neuen Güntzareals und auf der Straße beobachten. Seit Anfang der 90er Jahre war die TUI-Filiale am Bönischplatz ansässig. “Das war der Start der Reisebüros im vereinten Deutschland”, erinnert sich Cornelia Raeuber zurück. In diese Zeit fällt auch ihr beruflicher Start. Festgelegt hat sich ihr Berufswunsch ganz klassisch nach einem Praktikum, erzählt sie.

Blick auf die neue Filiale in der Johannstadt. Foto: Philine Schlick
Blick auf die neue Filiale in der Johannstadt. Foto: Philine Schlick

“Nach einer Woche Kita wusste ich: Das ist es auf gar keinen Fall. Und nach zwei Wochen Reisebüro wusste ich: Das will ich machen!” Das Praktikum absolvierte sie damals auf der Schießgasse bei Euro Lloyd. Seit nunmehr 25 Jahren arbeitet Cornelia Raeuber für TUI. Ein Vierteljahrhundert. Das sei “eher ungewöhnlich in der Branche”. Die Chefin liebt ihren Beruf und ist überzeugt von der Firmenphilosophie. Das macht ihr die Treue leicht.

Kundenstamm im Viertel

“Diese Freude, die man anderen mit der Gestaltung eines Urlaubs macht”, schwärmt sie. Das Reiseunternehmen TUI hat in den letzten Jahren Aufwind bekommen. Das liege, räumt Raeuber ein, natürlich auch am Wegbrechen von Konkurrenten wie Thomas Cook. Ihr gefalle, dass das Unternehmen sich quantitativ eher einschränke, als Qualität einzubüßen. “Lieber nur ein Hotel und das dann gut”, sagt sie. Das Unternehmen galt viele Jahre als das preisintensivste unter den Reiseveranstaltern. Mittlerweile sei das Angebot breiter gefächert und auch erschwinglicher.

Seit Anfang der 90er war das Reisebüro am Bönischplatz ansässig. Foto: Philine Schlick
Seit Anfang der 90er war das Reisebüro am Bönischplatz ansässig. Foto: Philine Schlick

“In Dresden gibt es noch zwei weitere TUI Reisecenter. Aber die sind privat geführt. Wir gehören direkt zur TUI. Wer auf tui.com bucht, wird von uns betreut”, sagt Cornelia Raeuber nicht ohne Stolz.

Ihren Kundenstamm aufgebaut hat das Team um Raeuber mit Johannstädter Bürger*innen. Viele von ihnen sind dem Büro bis heute treu geblieben, aber der Hauptteil der Kund*innen kommt zum Arbeiten in die Johannstadt. “Das erfährt man natürlich im Gespräch”, so Raeuber. Sie sei froh, am neuen Standort präsenter und besser sichtbar zu sein. Um den Platz im Güntzareal hatte sie sich bereits vor vier Jahren bemüht und entsprechend viel Zeit, um das Ganze vorzubereiten.

Bella geht in den Hundekindergarten

Eigentlich sei eine Eröffnungsfeier geplant gewesen. “Mit Luftballons und einer Tombola. Der Hauptgewinn war eine Reise”, sagt Raeuber wehmütig. So sei der Neustart etwas gedämpfter verlaufen als erwartet. Gute Wünsche und Blumensträuße haben die Chefin trotz Krise erreicht.

Mit den Einschränkungen der Coronakrise sei vor allem eins sehr wichtig gewesen: Geduld. Lange Ketten vom Flughafenmitarbeiter bis zum Hotelpagen seien unterbrochen gewesen. Es gehört zu Cornelia Raeubers Ethos, auch in turbulenten Zeiten eine gute Betreuung zu bieten. Auch wenn das hieß, abzusagen, zu vertrösten und Rückzahlungen einzuleiten. So langsam rege sich bei den Menschen aber wieder der Reisewille.

“Wer bis zum 30. Juni bucht, kann kann bis 14 Tage vorab kostenlos umbuchen oder stornieren. Das könnte vielen die Unsicherheit nehmen”, wirbt Cornelia Raeuber.

Blick in die neuen Räume. Foto: Philine Schlick
Blick in die neuen Räume. Foto: Philine Schlick

Cornelia Raeubers persönlicher Urlaub sei erfreulicherweise für dieses Jahr nicht ins Wasser gefallen, denn die Leiterin selbst bleibt für den Jahresurlaub im Land. Der Grund dafür hat vier Beine und heißt Bella.

Im alten Büro hatte die Bürohündin einen eigenen Hinterraum und war bekannt – nun ja – wie ein bunter Hund eben. Das neue Büro ist für den versteckte tierische Mitarbeiterin nicht geeignet, weswegen sie jetzt in den “Kindergarten für Hunde” geht.

Zuwachs bekommt das Reisebüro zum Ende des Jahres: Ein Azubi soll zum Team stoßen. In diesem Sinne geht sie also ungebrochen weiter, die Reise in Richtung Zukunft.

TUI Reisebüro

  • Gerokstraße 11, im Güntzareal gegenüber Rewe
  • derzeit aufgrund von Corona eingeschränkte Öffnungszeiten von 11 bis 17 Uhr wochentags, Samstag von 10 bis 13 Uhr. Bitte vereinbaren Sie für Ihr Anliegen einen Termin!
  • www.tui.com/reisebuero/dresden
  • dresden3@tui-reisecenter.de
  • Telefon: 448470
  • Kontakt auf Facebook

Kein neuer Spielplatz zum Kindertag, aber ein dickes Danke

eingestellt am 01.06.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Bis zur Öffnung müssen alle Wirbelwinde noch ein wenig Geduld haben. Foto: Philine Schlick

Die Hoffnung, der neue Spielplatz an der Ecke Pfeifferhannsstraße/Florian-Geyer-Straße könne pünktlich zum Kindertag am 1. Juni eröffnen, wird leider enttäuscht. Julia Grotjahn von der WGJ vertröstet auf das Ende des Monats. Von Seiten der Stadt kommt zum Kindertag ein großes Danke und eine Mitmachaktion, um Kindern und Jugendlichen eine Stimme zu geben.

Im März gab es großen Wirbel um gefällte Bäume im Innenhof der Pfeifferhanns-/Florian-Geyer-Straße. Bürger*innen hatten in Initiative der Anwohnerin Angela Schubert eine Petition gestartet, um die Baumfällungen zu verhindern. Die WGJ ihrerseits setzte ein lang vorbereitetes Bauvorhaben zur Modernisierung der Hauseingänge um, um die Zugänge barrierefrei und sicher zu gestalten.

Sandkasten und Bocciabahn

Als Reaktion auf den Unmut plante die WGJ schließlich einen neuen kleinen Spielplatz gleich gegenüber. Ebenfalls schattig gelegen, soll er die gefällten “Spielbäume” ersetzen. Auf dem Spielplatz haben im Normalfall 10 bis 12 Kinder Platz, doch derzeit gelten natürlich Hygiene- und Abstandsvorschriften.

Der Plan des neuen Spielplatzes Pfeifferhanns-/Florian-Geyer-Straße. Foto: WGJ
Der Plan des neuen Spielplatzes Pfeifferhanns-/Florian-Geyer-Straße. Foto: WGJ

Der Spielplatz bietet einen Sandkasten, eine Balancierstrecke und eine Boccia-Bahn und wird von Sträuchern und Sitzgelegenheiten umgeben sein. Momentan ist er noch abgesperrt. WGJ-Sprecherin rechnet mit einer Öffnung Ende Juni.

“Als Wohnungsgenossenschaft möchten wir, dass sich die Menschen im Viertel wohlfühlen. Dazu gehört natürlich auch entsprechende Freizeitmöglichkeiten”, so Alrik Mutze von der WGJ. Die Modernisierungsmaßnahmen am Wohnhaus Pfeifferhannsstraße werden voraussichtlich 2023 abgeschlossen sein. Dann ist auch der dortige Spielplatz wieder benutzbar.

Kinder- und Jugendbeauftragte sagt Danke zum Kindertag

Der Kindertag ist für Dresdens Kinder- und Jugendbeauftrage Anke Lietzmann Anlass, um in einem Brief Danke zu sagen. Das Schreiben wird am 1. Juni auf der städtischen Facebookseite veröffentlicht. Sie möchte auf Kinderrechte aufmerksam machen. Dies sei besonders im Angesicht der Corona-Krise von großer Wichtigkeit.

„Die Bedürfnisse der Kinder kamen dabei zu kurz.“ Das untermauert auch die bundesweite Studie JuCo zu Erfahrungen und Perspektiven von jungen Menschen während der Corona-Maßnahmen. Der Befragung zufolge beklagen Kinder und Jugendliche ein großes Defizit an Einbeziehung in der Zeit der Pandemie.

Sorgen und Nöte von Kindern und Jugendlichen zu wenig wahrgenommen

Jugendliche wollen demnach nicht nur auf die Rolle als „Homeschooler“ reduziert werden. Ihr veränderter Lebensalltag und ihre Sorge werden kaum wahrgenommen. Die Jugendlichen sehen nicht, dass sie mit ihren Anliegen Gehör finden, die Beteiligungsformate von jungen Menschen scheinen nicht krisenfest. Die jungen Menschen hätten den Eindruck, dass gegenwärtig die Erwachsenen allein entscheiden, wie sie in der Corona-Krise ihren Alltag zu gestalten haben.

Ideen und Vorschläge an die Kinder- und Jugendbeauftragte senden

Anke Lietzmann ruft Kinder und Jugendliche auf, sich mitzuteilen: „Um eure Wünsche ging es selten. Trotzdem habt ihr durchgehalten und mitgemacht, was von euch verlangt wurde. Ich bin mir sicher, dass das nicht immer leicht war. Dafür zolle ich euch großen Respekt und sage DANKE! Und ich möchte euch ermutigen, den Erwachsenen zu sagen, was euch bedrückt oder was ihr wollt! Viel wurde in den letzten Wochen über euch gesprochen. Aber kaum jemand hat mit euch gesprochen.”

Kinder und Jugendliche sollen ihre Ideen und Verbesserungsvorschläge zum Umgang mit der Krise einsenden und Vorschläge machen, z.B: wie man die Bedingungen in Schule, Kita, auf dem Hof, in der Freizeit ändern kann. Anke Lietzmann appelliert, dass dies auch die Eltern für ihre Kinder tun können.

Die Mails werden an folgende Adresse erbeten:

kinderbeauftragte@dresden.de

Dankbar sein – Ein syrischer Journalist erzählt

eingestellt am 29.05.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Eine Zeichnung von der Tochter des Autors. Foto: Mohammed Ghith Al Haj Hossin.

Ghith Mohammad Al Haj Hossin ist Journalist aus Syrien. Er wohnt und arbeitet in der Johannstadt. Für das Stadtteilmagazin hat er sich mit dem Thema Dankbarkeit auseinandergesetzt. Wie fühlt es sich an, das Leben in einem neuen Land, nach Zerstörung, Krieg und Tod? Und wie geht das, dankbar sein?

Vor dem Jahr 2011

– Woher kommen Sie?

– Ich komme aus Syrien.

– Syrien? Wo liegt es?

– Im Nahen Osten … südlich von der Türkei

Nach dem Jahr 2011

– Woher kommen Sie?

– Ich komme aus Syrien.

– Wirklich? Aus welcher Stadt? Damaskus, Aleppo, Hama ich kenne viele Menschen aus Syrien.

Dieser Dialog ist vermutlich realistisch, weil vielen Syrer*innen diese Fragen gestellt werden. Aufgrund des Krieges ist Syrien berühmt in den Medien geworden. Viele syrische Städte sind sehr bekannt geworden, wie zum Beispiel: Idleb, Deir ez-Zor, ar-Raqqa und Dar’a.

Der Wille des Lebens

Die Frage, die sich stellt: Was ist der Preis für diese schreckliche Berühmtheit? Die Antwort auf diese Frage würde lauten: Zerstörung, Bombardierung, Massenflucht und der Tod. Aber es gibt auch die andere positive Seite, sie besteht im Willen des Lebens.

Geflüchtete Menschen haben ihre eigenen Antworten auf diese Frage in ihrem festen Glauben, dass sie ein neues Leben in ihrer neuen Heimat aufbauen müssen, um nicht vor Hoffnungslosigkeit aufzugeben. Sie wissen durch Instinkt, aus welchen Quellen sie die geforderte Kraft schöpfen können.

Eine Zeichnung von der Tochter des Autors. Foto: Mohammed Ghith Al Haj Hossin.
Eine Zeichnung von der Tochter des Autors. Foto: Mohammed Ghith Al Haj Hossin.

Kriegsgeneration

Es gibt mehr als fünf Millionen syrische Kinder, die in Syrien oder in anderen Ländern geboren wurden und aufwachsen, wie das UN-Kinderhilfswerk Unicef berichtete. Das ist die größte Herausforderung für das Land und die Gesellschaft, so wie Zerstörung, Armut, Hunger und Hoffnungslosigkeit. Weil Kinder das Kapital des Landes sind.

Wenn viele von ihnen Körperbehinderungen oder außerdem psychische Behinderungen haben, können wir die Größe des Verlusts nur raten. Auf diese Weise zeigt uns der Krieg sein schreckliches Gesicht. Aber es gibt Licht am Ende des Tunnels, daran müssen wir immer glauben.

Und was wir für die Kriegsgeneration genannt haben, könnte auch eine Zukunftsgeneration sein, wenn wir solche Nachrichten lesen, wie zum Beispiel:

“Bei der Befragung von 365 Kindern in Syrien durch “Save the Children” hat sich gezeigt, dass bei allen Ängsten und Nöten die Kinder die Hoffnung auf eine bessere Zukunft noch nicht verloren hätten. Die meisten von ihnen wollten später Ärzte oder Lehrer werden, um in Zukunft helfen zu können.”

Dankbar zu sein

Man kann nicht einfach vergessen, wer in den schwierigen Zeiten geholfen hat. Deswegen sind viele syrische Menschen dankbar für das Land, und für das Volk, das sie gerne willkommen geheißen hat, trotz der späteren Proteste, die man verstehen sollte als einen Teil der demokratischen Gesellschaft.

Sie wissen auch, dass sie in Deutschland, zum Beispiel, gleich sind vor dem Gesetz, wie die anderen Deutschen.

Wir sind für die Aufnahme von Flüchtlingen dankbar. Und wir möchten Deutschland etwas zurückgeben”, wie mir eine syrische Frau erzählt hat. Aber wie kann man es zurückgeben? Es ist einfach: “Die neue Sprache beherrschen, erfolgreich an der Uni studieren, neue Arbeit finden oder ein normales Leben zu haben, so gut es möglich ist.”

Der Johann ist da: Restaurant & Elblounge öffnet Türen und Terrassen!

eingestellt am 26.05.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Ein neues Haus für Gastlichkeit am Johannstädter Elbufer Foto: Anja Hilgert

Ein kleines Fenster war blau im Himmel zur Eröffnung der Johannstadt-Elblounge am Tag vor Himmelfahrt. Seit 20.Mai stehen die Türen offen in dem modern sanierten, lange erwarteten und bis auf Kleinigkeiten nun fertiggestellten Neu-Umbau des ehemaligen Johannstädters am Käthe-Kollwitz-Ufer.

Der Johann, wie die Adresse zum Ausgehen in der Johannstadt nun heißt, präsentiert sich mit einladendem Schaufenster zur Straßenfront. Da fehlt nur noch der beleuchtende Rahmen. Doch der Blick durchs Fenster selbst ist verlockend: Offen gehaltene Räume, gönnerhafte Gastlichkeit und eine Atmosphäre, die zum Verweilen einlädt. Im Fenster spiegelt sich die gegenüberliegende Gründerzeitfassade und integriert den grau-weißen kubischen Flachbau in seine städtische Umgebung.

 

Attraktive Lage für den neuen Johann         Foto: Anja Hilgert

Der Termin der Eröffnung fiel günstig: Johannstädter*innen und andere Neugierige, die das neu entstehende Restaurant in der attraktiven Lage an Johannstädter Elbufer und Elberadweg über die vergangenen Wochen in den Blick genommen hatten, konnten die Neueröffnung zum Himmelfahrt-Wochenende gut als Auftakt nutzen für lang aufgestaute Sehnsüchte nach einer Kultur des Ausgehens, mit der Familie oder unter Freunden auswärts essen und etwas trinken zu gehen und es sich gut gehen zu lassen. Reservierungen für die bemessen aufgestellten Tische waren für das verlängerte Feiertags-Wochenende schon vorab angenommen worden.

Schaufenster zur neuen Gastlichkeit                   Foto: Anja Hilgert

Ich mag es aufgeräumt

Ein stattlicher Bau, der sich über drei Etagen mit einem Lokal sehen lässt, das alle Ansprüche gepflegter Gastronomie befriedigen möchte: Großzügige Räume in modern ansprechender, schlichter Noblesse für die Gäste, exklusive Polstermöbel und ausgewähltes Lampendesign, Weitläufigkeit bei hohen Decken und durchgehender Fensterfront, die reichlich mit Licht versorgt, nicht nur eine, sondern gleich zwei Terrassen mit bester Frischluft-Aussicht und ein freundlicher Service, der von einer zentralen dreiseitigen Theke den Überblick behält.

„Ich mag es tatsächlich aufgeräumt“, sagt Geschäftsführerin Laura Girke und führt zuvorkommend durchs Etablissement, in dem sie als Pächterin nach eigenen Vorstellungen waltet: „Unser Ansinnen ist eine regionale, saisonal wechselnde Küche mit frisch zubereiteten Speisen. Auch viele Schnäpse kommen aus der Region.“

Laura Girke ist Geschäftsführerin der Johann-elblounge    Foto:Anja Hilgert

Ob Fisch aus privater Zucht, Gemüse aus Radebeul, hausgebackene Kuchen, Torten und sogar auch Brote, das Angebot stammt aus der Region unmittelbar vor den Toren der Stadt. Alltag ist zuhause, deshalb wird im Restaurant ein ausgewählterer Geschmack bekocht. Die Ravioli sind hausgemacht und Maisgries kommt verfeinert als Kerbelpolenta. Das Steak vom Elbweiderind und die Hüfte vom Lamm bereichern warme und kalte Salate und wer mag, bestellt Sekt vom Schloss und Wein aus Privatkellerei.

Seperate Gasträume in weitläufigem Lokal         Foto: Anja Hilgert

Die Verlangsamung für den Gaumen: Slow food

Der Johann setzt mit der Vielfalt seiner Speisekarte auf Slow food. Das erklärt die erlesene und zugleich bodenständige Auswahl an Gerichten und Menüs. Es geht zum Einen um Verantwortung fürs Essen: Verwendet werden sowohl pflanzliche als auch tierische Produkte, bei denen gesichert ist, woher sie kommen. Eine stattliche Liste heimischer Produzenten beliefert die Küche und spricht für Sorgfalt, Qualität und saisonale Frische. Die Speisen sind dadurch hochwertig, nahrhaft und gesund.

Da Essen nicht nur satt machen, sondern auch möglichst Leib und Seele zusammenhalten soll, liest sich die Speisekarte wie Musik für den Gaumen: Bärlauchschaum und Mairübchen verführen nicht nur mit jahreszeitlichem Genuss, sondern sind auch achtsam zubereitet. Der bewusste Umgang mit ausgewählten Zutaten macht ein schonend zubereitetes, wohlschmeckendes Mahl und die Mischung aus traditionell heimischer Küche und zeitgenössischem Anspruch an die Kochkunst tischt das Besondere auf.

 

Noch weit auseinandergerückt: Plätze mit Fernsicht
Foto: Anja Hilgert

Unbeschwert essen gehen am Hochzeitstag

Für Laura Girke ist es ein Herzensanliegen, dass sich in ihrem Lokal Kinder genauso gut aufgehoben fühlen wie Erwachsene. Damit schließt sie im kinderreichen Johannstädter Stadtteil an den Wunsch nach einem Familienlokal an: „Auch einmal schön und chic zum Abendessen am Hochzeitstag ausgehen zu können“, wünscht sie jungen Eltern und hat für die Einrichtung eines eigenen Kinderzimmers gesorgt: „Fernab und außer Hörweite von den Tischen gibt es einen Kinderbereich, wo Kinder für sich Beschäftigung haben, wenn die Erwachsenen zu Tisch sitzen.“

Zum Eröffnungstag schlenderten durchaus auch einige feiner als alltäglich gekleidete Paare zur Tür hinein, schauen sich um, betrachten, erwägen und sind, so bestätigt es ein Johannstädter Ehepaar, wohlwollend, empfinden das neue Lokal als „ansprechend“.

“Als Johannstädter, da darf man sich bekennen.” Besucherpaar am Eröffnungstag Foto: Anja Hilgert

Viele, die jetzt hier einkehren, kannten noch den alten Johannstädter, der mit Kegelbahn im Keller, mit Betriebsfeiern und im Lokal ausgerichteten Silvesterfeierlichkeiten eine feste Bindung zur Johannstädter Kundschaft aufgebaut und damit identitätsstiftend gewirkt hatte fürs Viertel. Nun sind sie erfreut, dass es wieder ein Lokal gibt, dass das Potential dazu hat, eine echte Gaststätte für Johannstädter*innen und vielleicht nicht nur für diese, zu werden.

Viel Platz für weite Sicht Foto: Anja Hilgert

Im Außenbereich bemühen sich rahmende Details, die recht nackte Architektur einzubinden in die sonstige grüne Umgebung: Kletterpflanzenbewuchs, Erdbeertöpfchen auf den Tischen und auf dem oberen Deck – so ist man verleitet, die höher gelegene zweite Terrasse zu nennen- ein angelegtes Gartenstück mit zart blühenden Pflänzchen, vor denen man sich in einem der Hängekörbe dort oben illuster schaukeln kann. Ob es allerdings andauernd Radiomusik sein muss, die das Verweilen im ganzen Haus beschallt, ist eine Frage, die sich noch mit dem guten Geschmack der Kundschaft beantworten muss.

Johann – Elblounge & Restaurant

  • www.johann-elblounge.de
  • Reservierungen und Anfragen via 0351 45699950 oder info@johann-elblounge.de

Vorsicht noch bis Ende Juni: Krähen greifen an

eingestellt am 25.05.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Vorsicht, Krähen im Anflug! Foto: Philine Schlick

Auf dem Weg durch das neue Güntzareal passierte es: Etwas verhakte sich in meinen Haaren, dann folgte ein spitzes “Tock” auf den Scheitel. Was war das denn? Ich war beim Radfahren nicht in einem Baum hängengeblieben, nein, eine Krähe guckte mich vom Straßenschild herunter mit schief gelegtem Kopf an. Ein seltsames Gefühl, so eine tierische Kopfnuss. Die Stadt Dresden warnt noch bis Ende Juni vor “Krähenattacken”.

Wer Hitchcocks Klassiker “Die Vögel” gesehen hat, kann meine Gefühle erahnen. Noch unheimlicher wurde es, als ein Nachbar ebenfalls von einer Attacke berichtete. Ich beobachtete aufmerksam, ob sich größere Scharen von Vögeln auf Kinderspielplätzen sammeln würden, dann kam die  Mitteilung der Stadt:

Dresden wird nicht von Killer-Krähen heimgesucht, aber noch bis Ende Juni wird vor teilweise aggressiven Krähen gewarnt. Die Vögel befinden sich momentan in der Brutphase und beschützen ihren Nachwuchs – und dessen nähere Umgebung.

Eine Krähe überschaut eine Ampelkreuzung. Foto: Philine Schlick

Krähen sehen rot

In der Nähe der Kinderstube kann ein Mensch schnell als Bedrohung wahrgenommen werden, besonders wenn er sich schnell bewegt (wie beim Joggen) oder rote Kleidung trägt. Die Farbe fällt Krähen besonders ins Auge. Die Tiere greifen am höchsten Punkt, folglich dem Kopf an. Eine Kopfbedeckung kann vor schmerzhaften Begegnungen schützen.

Ein Anflug weist darauf hin, dass sich in der Nähe Jungtiere befinden. Sie werden nach dem Schlüpfen von ihren Eltern auf Ästen, in Gebüschen oder hohem Gras betreut, bis sie flügge sind.

Besser als ihr Ruf

Für den ohnehin nicht glänzenden Ruf der Krähen ist das abschreckende Verhalten freilich nicht zuträglich. Dabei ist es – aus elterlicher Perspektive – durchaus nachvollziehbar.

Krähen und Raben zählen zur Gattung der Rabenvögel und sind auf der nördlichen Halbkugel nahezu überall vertreten. Sie gelten als überaus intelligent: Auf der Futtersuche benutzen sie Werkzeuge wie Stöcke oder Steine oder machen sich örtliche Gegebenheiten zunutze. Beispielsweise lassen sie Nüsse auf Fahrbahnen fallen, um sie von vorüberfahrenden Fahrzeugen knacken zu lassen.

Ferner beweisen sie strategisches Denken beim Verstecken von Wiederauffinden von Futter. Sie sind in der Lage, sich Angreifer zu merken und dieses Wissen an nachfolgende Generationen weiterzugeben.

Ihre Vorliebe für Fleisch und Aas brachte ihnen im Mittelalter ihren schlechten Ruf als “Galgenvögel” ein, wobei sie in Mythen und Märchen in Begleitung von Zauberern und Göttern auftreten und ihnen als weise und kluge Ratgeber und Kundschafter zur Seite stehen.

Krähen und Raben siedeln sich vermehrt in Städten an, weil in Agrarlandschaften das Nahrungsangebot knapper wird. In der Stadt finden sie ein reichhaltiges Buffet vor. Ein bekanntes Bild sind in Mülleimern stochernde Rabenvögel.

“Elbflorenz” pendelt ab Dienstag wieder

eingestellt am 25.05.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Die Fähre in Johannstadt. Foto: Philine Schlick

Die Fähre “Elbflorenz” ist nach dreiwöchiger Pause ab Dienstagmorgen wieder im Einsatz. Auf dem Schiff werden am heutigen Montag die letzten Handgriffe erledigt, bevor der Fährbetrieb wieder startet. Die “Johanna” befindet sich allerdings immer noch in der Werft in Kleinzschachwitz. 

Am Fährgarten Johannstadt sind wieder die vertrauten gelben Fähranleger zu sehen. Am heutigen Montag wurden die renovierten Pontons wieder angebracht, nachdem sie drei Wochen lang auf Vordermann gebracht wurden. In Betrieb geht die Anlage allerdings erst morgen früh.

“Die Elektrik am Steg muss noch angebracht werden”, berichtet DVB-Sprecher Falk Lösch. Die zuständigen Elektriker hätten an anderer Stelle noch eine Havarie gehabt, deshalb verzögerten sich die Arbeiten.

Die Fähre “Elbflorenz” ist frisch gestrichen wieder im Einsatz und half dabei, die Pontons am Montagvormittag auf ihre Position zu schieben. Sie ersetzt weiterhin die “Johanna”, die sich wegen eines Motorschadens noch in Reparatur befindet.

Falk Lösch: “Der Motor der Johanna wurde in den Altbundesländern aufgearbeitet. Es handelt sich um ein Produkt der italienischen Marke Iveco. Derzeit wartet man noch auf einige Ersatzteile aus Italien.”

Sobald diese eingetroffen und verbaut sind, kann die “Johanna” wieder pendeln. Bis dahin müssen Fahrgäste mit der älteren, aber auch größeren “Elbflorenz” Vorlieb nehmen.