Zum Weltfrauentag – 12470 Blumenzwiebeln blühen auf Schutt und Geröll

eingestellt am 08.03.2021 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Eine selbstimitierte Pflanzaktion bringt Frühblüher auf die Parkplatzwiese am Johannstädter Fuß der Waldschlösschenbrücke. Foto: Anja Hilgert

Nachdem die Blumenläden wieder offen haben, springt über ein paar solcher Belebungspunkte eine Dosis Farbe in den verlängerten Daueralltag. Mitten im städtischen Gebiet sind Blumenläden Lichtblicke. Noch stärker drücken sich gelbe, weisse und helllila Farbkleckse auf den Wiesen an der Elbe hervor. Zarte Blütenstände verteilen vollmundig ihre Küsse. So einfach ist das, wenn die Natur zu uns spricht. Für die Menschen, die vorbeilaufen, ist das entzückend. Die Farben springen direkt ins Herz, zaubern bis hinauf ins Gesicht. Natürliches macht glücklich. Dachten zwei Frauen und begannen, es zu mehren…

 

Der Griff zum Spaten – Flächenweise Blüten in der Johannstadt

Da dachte nun eine, die sich mit Klecksen nicht begnügt, es ließe sich doch der guten alten Mutter Erde auch etwas unter die Arme greifen. Eine Freundin war zur Stelle und sie machten sich gemeinsam, mit dem Töchterchen an der Hand ans Werk.
Einzelne Blütchen hier und da decken bei Weitem nicht den Bedarf der Menschen, die hier wohnen, im noch andauernden Lockdown-Winter, nach zarter Berührung. Da braucht es mehr, braucht es Verstärkung.

Dachten die Frauen und griffen noch im Winter zum Spaten. Mit sonders eingeholter Erlaubnis stießen sie auf einer ausgewiesenen Fläche zahllose Löcher in die Erde. Wo oberirdisch betrachtet Platz, aber nichts im Boden war, gruben sie ins Erdreich und hoben kleine Mulden aus.
In der Johannstadt sind deutliche Stellen, wo Spross und Knospe es schwer haben, sich hervorzutun. Größere Kreuzungen von Straßen und Zufahrten zeugen von dem, was gemeint ist. Hier fährt man lang und passiert ohne Regung in Reihe gespurt die Trasse. Auf Dauer ein reglos machendes Unterfangen. 

Als Fußgängerinnen mit der kleinen Tochter an der Hand, zogen die Frauen auf die kahlen Hügel zwischen den Fahrbahnen. Sie hatten etwas vor Augen. Wie es zwischen dem Grün der Grashalme zu sprießen anfinge und eine Wiese voll blühender Blumen hier wüchse. Im Stadtteil traf die Idee auf zustimmende Unterstützung und es wurde ein sachgerechter Antrag daraus, unterstützt durch den Johannstädter Stadtteilfonds, abgestimmt und befürwortet durch den Stadtteilbeirat und, um tätig zu werden, einzureichen bei der Stadt Dresden. Das städtische Amt, bei dem sie anfragten, wollte einen Anbauplan. 

 

Karger Raum am landenden Fuß der Waldschlösschenbrücke erhält eine blühende Blumendecke. Foto: Anja Hilgert

Verstärkung von Pako, Ronaldo und Leen van der Mark 

Die beiden Frauen zögerten nicht und wandten sich an Fachpersonal. Sie besprachen ihre Vision mit einer Dame der Großhandelsberatung. Die stellte eine Blüh-Mischung fürs Frühjahr zusammen, von der sie versprach, dass die Sorten sich schnell auswildern würden, sofern keine extreme Wetterlage dazwischen käme. Es handelte sich um sackweise Blumenzwiebeln, manche kleiner als ein kleiner Frauenfingernagel. Sie seien unscheinbar, doch für die Insekten von großem Nutzen, sagte die Dame, und vertröstete im Vorhinein, dass im ersten Jahr die Blüten vielleicht gar nicht üppig seien, doch zum Verwildern gedacht, würden sie über viele Jahre hinweg zum Blühen kommen. 

Insgesamt 12.470 Blumenzwiebeln kamen zusammen: Standhafte Tulpen namens Pako und Ronaldo, musenhafte Narzissen wie Thalia und Martinette, ehrbare Krokusse, die ihre Lanzettblätter spitzen: Allen voran Golden Yellow, gefolgt von Jeanne d-Arc, Grand Maître und King of the Striped, denen die Hyazinthen Blue Pearl und Delft Blue dezent den Hintergrund stellten.

Sie alle würden in Schüben versetzt, nach und nach aufblühen auf der für sie vorgesehenen Fläche. Ein paar Exoten sind darunter wie Tulipa Turkestanica oder Chionodaxa luciliae mit Decknamen ‚Alba’. Einige werden die Masse an Höhe überragen, allen voran die Rarität mit nur 70 Exemplaren der Tulpe Leen van der Mark mit 12 cm Wuchshöhe. Auch Narcissus Martinette wächst hochaufgeschossen und Narcissus Sundisc wird ihre Blüte aufgehen lassen wie einen gelben Ball über dem Blütenteppich aus Puschkinia libanotica, Brodiae Corinna und den Muscari.

 

Der ehemalige Rummelplatz blüht auf

Wo die Waldschlösschenbrücke auf der Johannstädter Seite aufsetzt und sich die Bahnen verteilen, bis sie am Käthe-Kollwitz-Ufer landen, ist zwischen den asphaltierten Schlaufen der Straßen viel Platz. Dort liegt rein funktional ein Parkplatz. Der ist dort wichtig, auch weil es bei Weitem die einzige Parkfläche ist, auf der Besucher*innen der Johannstadt ein Auto abstellen können. Viele Hundebesitzer*innen reisen hierher an, um ihren Gang an der Elbe zu machen. Den Parkplatz abgezogen, verbleiben auf den aufgeschütteten Hügeln Streifen. Zu ihrer Befestigung hat die Stadt dort eine Reihe an Bäumen gepflanzt. 

Die beiden Frauen griffen die Tochter und einen vollgeladenen Buggy mit Blumenzwiebeln und nahmen sich der Zwischenräume an zwischen den Pflanzstreifen der Stadt, um sie in eine Blühfläche zu verwandeln. Eine Frau mit Kind, die vom Parkplatz aus neugierig dazu kam, machte spontan mit. Der Blumenzwiebelstecher mit dem Hohlzylinder, der anderswo wunderbar funktioniert hatte, um Löcher auszuheben, taugte hier auf der Fläche nicht. Der erste Spaten, aus einem Baumarkt erstanden, brach ab und auch der zweite, richtig gute Spaten kam keine 10cm tief. 

Zur Verstärkung kamen Männer und Frauen aus der Nachbarschaft nun mit, denn der Boden glich einem Feld aus Geröll. Unter der ersten Schicht Erde stößt man an Backsteinschutt an, der sich hier bereits auf geringer Tiefe als durchgängige Erdschicht erweist. Ja, erklärte ein Nachbar, der die Aktion erst aus der Ferne, dann von nah dran beäugte: Hier sei früher mal der Rummelplatz gewesen und was man heute da findet, seien die Schuttabladungen der Trümmerfrauen, die nach dem Krieg das Viertel von den Trümmern ihrer Häuser beräumt haben.

 

Nach und nach kommen die verschiedenen Arten zum Blühen Foto: Anja Hilgert

 

 

 

 

 

Dem Reichtum der Arten dienen

In jedes ausgehobene Loch ließen die Frauen eine Handvoll Zwiebeln fallen und versenkten sie gut gebettet unter die Erde. Kinder halfen mit, die Zwiebeln zu verbuddeln und eine hochschwangere Frau machte den Abschluss der gärtnernden Gruppe und trat mit ihrem ganzen Gewicht das ausgehobene Loch wieder zu. 

Dort haben die Pflanzenzwiebeln den Winter überdauert. Jetzt zeigen sie, von der ersten Frühlingssonne kräftig gerufen, ihre Spitzen. Das Bangen, ob von den Tausenden wirklich etwas wachsen würde, ist erlöst. Gelb ploppt zuerst auf. Und aus einer anderen Mitte heraus schiebt es tief dunkelblau nach. Nach und nach kommen sie, um die beiden Hügel rechts und links der johannstädtisch fußenden Waldschlösschenbrücke zu bevölkern. Mögen sie dem Viertel an der Stelle einen farbigen Auftakt verleihen. Mögen es viele werden. Um ein Tosen zu erzeugen, braucht es Bewegung in der Fläche. Die kann die kleinste Tat bereits verursachen.

 

Um dem Aufblühen über die Jahre eine Chance zu geben, sollten die Wiesen Augenweide sein, aber nicht betrampelt werden. Foto: Anja Hilgert

Farbknall zum Weltfrauentag

Heute ist Weltfrauen*tag. Der kann knallige Farben zur Unterstützung gebrauchen – der Fakt, darüber überhaupt zu argumentieren, dass maßgeblich -auch- Frauen* mit ihrem vielfältigen Tun das gesellschaftliche Miteinander funktionsfähig machen und in Gang halten, ist eine Beleidigung des Weiblichen. Angesichts verstärkt nachhaltigen Engagements und selbstverständlicher kraftvoller Präsenz von Frauen*  im öffentlichen und alltäglichen Leben in dieser Welt ist es in unserer aktuellen Gegenwart höchste Zeit, kollektiv verstärkt für die Würdigung der Weiblichkeit einzutreten. Das heißt auch, der Erde zum Blühen zu verhelfen und mit dem Dienst an der Erde den Reichtum an Arten zu fördern.

 

Für weitere Informationen

Stadtteilfonds Johannstadt

“Frauentag – wann ist der denn?” – Auf Stimmenfang in der Johannstadt

eingestellt am 09.03.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Der internationale Frauentag ist am 8. März - es geht dabei nicht nur um Blumen ... Foto: Philine Schlick

Beitrag von Anja Hilgert und Philine Schlick

Am 8. März ist Frauentag. Wir wollten wissen, was Frauen im Stadtteil an diesem Tag bewegt, sind auf die Straße gegangen und haben an Knotenpunkten des Stadtviertels Passant*innen gefragt: Was machen Sie am Frauentag? Und: Was bedeutet Ihnen der Frauentag?

„Frauentag?“, sagt eine Gruppe Tagesmütter erstaunt. „Das hätte ich nicht gewusst. Wir würden den nicht begehen. Das ist anders beim Männertag, der ist etablierter. Aber der Frauentag geht an uns vorüber.“ Also heißt das allein für sich betrachtet ohne Wert, wenig auffällig, lautlos leise sogar, nicht wahrgenommen und nur der Logik nach existent, im Vergleich zum männlichen Namensvettertag? Auch eine junge Frau mit bunt geflochtenen Rastas muss gestehen: „Ich denke nicht darüber nach. Ich weiß nicht, was das ist.“

Kein schlechter Anfang, denken wir uns, nach über 100 Jahren Tradition des als Frauenkampftag in die Kalender eingegangenen Datums. Immer am 8.März ist das, alljährlich seit über einem Jahrhundert: Zum Internationalen Frauentag, auch Weltfrauentag, demonstrieren und zeigen sich Frauen über den ganzen Globus mit Veranstaltungen, Aktionen und Bündnissen für Frauenrechte, rufen Frauenorganisationen weltweit Missstände in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.

Frauentag an nur einem Tag im Jahr?

In seiner Bedingungslosigkeit, Überzeugungskraft und Wirksamkeit und damit in seiner Freude ist ein sich selbst frei setzender Wille zu selbstbestimmtem Leben unvergleichlich und nicht zu bremsen. Davon zeugen Frauenrechtlerinnen auf der ganzen Welt mit beispiellosem Einsatz.

Vielleicht können Menschen, die in den angeprangerten Strukturen feststecken und den angestammten Pol unbewegt lassen, davon wirklich nichts ahnen. Also sei mit Nachsicht betrachtet, wenn selbst junge 30jährige irritationslos an der Bewusstlosigkeit alter patriarchaler Muster festhalten.

Überraschend dennoch, dem an diesem Johannstädter Morgen live vor Ort zu begegnen. Ein junger Mann führt aus: „Frauentag – wann ist der denn? Wahrscheinlich gab es zuerst den Männertag und dann dachten die Frauen, das ist ja ungerecht, wir wollen auch einen Tag. Wenn sie sich mit Schnittblumen zufrieden geben … Zum Männertag betrinken sich alle gemeinsam – so ein kollektiver Rausch in der Natur ist schöner als Schnittblumen. Sie könnten ja ihren eigenen Tag gestalten. Schön raus mit Sekt und Selters und einem Cabrio. Männer sollten ausgeladen werden. Das gäbe ein selbstbewusstes Bild. Aber es bleibt den Frauen überlassen, sich das zu erkämpfen.“

Da stehen wir verblüfft auf der Straße.

Was denken Menschen in der Johannstadt über den Frauentage, haben wir uns gefragt. Foto: Philine Schlick

Der Blick in die Arbeitswelt genügt

Ein Blick in die heutige Arbeitswelt genügt, um sich zu überzeugen: Kennt sie hier keiner, die Forderung nach Chancengleichheit, gleichem Lohn für gleiche Arbeit, Anerkennung der Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeiten, nach besserer Bezahlung und mehr Personal in der Care-Arbeit und nach einem Ende von verletzenden Witzen, Kommentaren, Übergriffen, sexualisierter Unterdrückung und körperlicher Gewalt an Frauen und Mädchen?

Drei junge Frauen, die an der Hauswand stehen, vor der Arbeit noch eine zusammen rauchen, fragen wir auch. Eine, die für alle spricht, fasst schnell zusammen, was der Frauentag bedeutet für sie alle drei: „Bringing flowers, chocolate or going to a restaurant. With girlfriends or boyfriends. We celebrate our day together.“ Die anderen beiden nicken bekräftigend.

Wir wollten doch wissen, was ist lebendig unter Frauen, was kümmert Frauen, wofür stehen sie ein in der Johannstadt? Wissen Sie, was ihre Stimme zählt? Singen sie, schreien, rufen sie, melden sie sich zu Wort? Was sagen sie?

Eine Frau mit blitzenden Augen, die gerade die Straße überquert hat, ist direkt und gerade heraus entschlossen: „Frauentag ist schön! Aber die Frauen sollten jeden Tag Frauentag haben. Frauen haben so viel zu tun. So viele Schwierigkeiten…“

Ursprünge in der Arbeiter*innenschaft

Arbeiterinnen aus den USA hatten den Frauenkampftag ausgelöst, als sie wegen unzumutbarer Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken 1908 die Arbeit niederlegten und für Ihre Rechte eintraten. Dem Beispiel der amerikanischen Arbeiterinnen folgend, beschlossen dann zur zweiten sozialistischen Frauenkonferenz 1910 in Kopenhagen 98 Frauen aus 17 Nationen, sich zu solidarisieren und den Frauentag weltweit abzuhalten. Vor 100 Jahren bewegten Frauen die Öffentlichkeit, wie es die Welt noch nicht gesehen hatte, um für die Einführung eines Frauenwahlrechtes zu kämpfen und die volle politische Mündigkeit von Frauen zu erwirken.

Von uns auf der Straße einfach angesprochen, wollten viele nicht mit uns sprechen oder wichen direkt aus. „Was wollen Sie? Ach nee- ich habe keine Zeit, ich muss weiter“, war die häufigste Antwort. Ernüchterung. Trostlosigkeit. Kein Durchkommen. Leer auf der Straße stehen, warten, einmal noch um die nächste Ecke gehen. Dann Unkenntnis, durchwachsene Antworten und alte Klischees. Kommt die öffentliche Diskussion an in der Johannstadt?

Frau und Ehre

Unter den Nazis war der Frauentag von 1933 bis 1945 verboten. Indem sie Frausein auf biologische Reproduktion und sorgende Mutterschaft verkürzten, schnitten sie den Frauen per Ideologie ihr Begehren nach freiheitlichen Rechten ab. Der Muttertag wurde über den Frauentag gestülpt. Die Umdeutung trägt bis heute Blüten: „Muttertag? Schöne Sache von der DDR ist das! Meine Frau kriegt eine Blume und einen dicken Schmatz!“

Bevor noch alles durcheinander gerät, fädeln wir weiter Stimmen auf und gelangen allmählich in ein einsichtiges Fahrwasser: „Mir bedeutet der Frauentag gar nichts. Ich habe keinen Mann, keine Kinder. Ich werde von niemandem gefeiert. Früher auf Arbeit war das anders, in den Betrieben.“ Eine junge Frau mit Kinderwagen steht kurz still, sagt dann: „Ich halte vom Frauentag nicht viel. Ich komme ursprünglich aus Tschechien, da war das sehr ans Regime gebunden. Das wird oft als etwas Altes weggeschoben. In Deutschland habe ich den Frauentag nicht thematisiert.“

Von wem wurde der Tag nun wie zum Thema gemacht? Eine Rentnerin, die als Witwe durch das Gehalt ihres Mannes mitversorgt ist, merkt an: „Ich feiere, aber nicht so wie früher. Die Kinder schenken mir manchmal was. Als Berufstätige wurde der Frauentag gefeiert. Das lag sicher an der ideologischen Prägung. Die Frauen haben es immer nötig, gefeiert zu werden. Eigentlich haben wir alles. Solange man gut abgesichert ist, ist man nicht in Not.“

Ohne Pfiffe nicht möglich

Da, endlich, kommen wir der Sache näher. Eine Frau stellt die Einkaufstasche ab, lässt sich etwas ruhiger ein, schaut, besinnt sich wie rückwärtig lächelnd und führt mit Leuchten auf dem fröhlichen Gesicht aus: „Frauentag! Ich bin ehemalige DDR-Bürgerin, da wurde das in den Betrieben groß gefeiert. Die Kinder haben in der Schule oder im Kindergarten was gebastelt und dann hieß es: ‚Mutti, wir gratulieren dir zum Frauentag!‘ Früher gab es in den Abteilungen Kaffee und Kuchen oder eine Veranstaltung im großen Speisesaal. Die Frauen haben sich zu DDR-Zeiten viel erkämpft und durchgesetzt.

Ich habe auch studiert. Ein Frauen-Sonderstudium. Ich bin Tiefbauingenieurin, Bereich Abwasser. Ich musste mir meine Anerkennung erkämpfen und musste als einzige Frau meinen Standpunkt in einer Gruppe von Männern verteidigen. Ein Gang über den Hof war ohne Pfiffe nicht möglich.

Es hat sich schon gelohnt zu kämpfen. Was mir wichtig ist, dass man selbstständig ist und eigenes Geld verdient. Ich habe eine Freundin aus Braunschweig, die durfte nicht arbeiten wegen ihrem Mann. Der sagte: ‚Ich werde ja wohl noch meine Familie ernähren dürfen.‘ Das muss man sich mal vorstellen.“

Frauenfeierstunde in der DDR

In der DDR wurden zum ‚Internationalen Kampf- und Ehrentag aller Frauen’ in aller Festlichkeit die Frauen als Leistungsträger der sozialistischen Gesellschaft gewürdigt. Ihnen wurden Fleiß, Tüchtigkeit und allseitiges Zupacken mit großen, lange vorbereiteten Feierlichkeiten in Festsälen, Festakten und an blumengeschmückten Festtafeln gedankt. Die Frauen wurden für diesen Tag in den Mittelpunkt der Gesellschaft gehoben und für besondere Verdienste vor allen Versammelten mit der Clara-Zetkin-Medaille ausgezeichnet.

Erinnerungen an Ehrung und Würdigung sind geblieben, doch nun liegt das weit zurück und zeitigt für den Frauentag, der hier ins Haus steht, gar keine Spuren?: „Mein Mann und ich feiern den Frauentag nicht, aber wir denken dran, da wir ja aus dem Osten sind. Früher wurde das ja staatlich gefeiert, jetzt ist das eher privat. Ich denke schon, dass Frauen früher mehr geehrt wurden. Es ist Nächstenliebe, Wärme, Nachbarschaftsliebe im Haus verloren gegangen. Man hofft, dass man da noch was erreichen kann. Man muss es den jungen Leuten weiter erzählen.“

Mit der Wiedervereinigung trugen Bedenken gegen die Übernahme des DDR-Feiertages zur Verschleppung der Bedeutung des Frauentags bei. Es dauerte bis 1994, bis der Weltfrauentag auch im vereinigten Deutschland wieder eine größere Aufmerksamkeit bekam.

Im Johannstädter Straßenbild erinnern offensichtlich nur die Blumengeschäfte an den Frauentag. Foto: Philine Schlick

Wir müssen wieder kämpfen

Es hilft, weiter auf der Suche und im Gespräch zu bleiben, kurz vor dem Konsum, als wir schon fast einpacken, äußert sich auf Nachfragen eine Frau mittleren Alters, mit heller sommersprossiger Haut doch noch ausführlicher: „Also, jetzt halte ich sehr viel vom Frauentag, weil man kämpfen muss. Wir haben ja gedacht, wir hätten das hinter uns. Aber dass das nun so ausschlägt mit fortlaufender Zeit … Da bin ich jetzt für den Frauentag. Zu sozialistischen Zeiten haben wir das überhaupt nicht ästimiert. Wir waren nicht so erzogen. Frauentag, Kommunismus, Sozialismus – waren wir nicht.

Jetzt müssen wir Frauen wieder kämpfen. Wir waren ja im Sozialismus weiter – da war das automatisch. Das schon. Aber mittlerweile … wenn man so grob über die Nachrichten guckt, ist das wieder ganz aktuell. Erst heute früh auf Deutschlandfunk: Frauenmorde in Südamerika … Finde ich schon erschreckend. Entweder man hat es früher nicht so gehört … Und auch die Rechten und was es so für Grüppchen gibt. Frauen, Kranke, Alte, Kinder – geht alles den Bach runter. Finde ich. Muss man kämpfen.“

In der Nachkriegs-Bundesrepublik lag der Frauentag in Vergessenheit. Erst mit den 68ern rief die Forderung nach Selbstbestimmung der Frauen über ihren Körper in der Debatte um §218 und das Recht auf Abtreibung den emanzipatorischen Charakter des Frauentags wieder wach.

Na klar zum Frauentag!

Seit 1977 gilt der 8. März durch die UN-Generalversammlung als „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“ und verheißt die Rechte auf Würde und Gleichberechtigung der Frauen in aller Welt.

Der globale Ruf geht an Frauen, gegen alle Widerstände sich selbst zu behaupten und mit der feministischen Forderung nach Gleichbehandlung, Gleichberechtigung, Gleichstellung gesellschaftlich Friedensarbeit zu leisten. 2020 lautet das Thema der Vereinten Nationen zum Internationalen Frauentag “Each for Equal“, d.h. „Jede*r für Gleichberechtigung”.

Auf dem Nachhauseweg sehe ich vor mir eine Frau den Gehweg entlang laufen, die ein rotes Paket in der Hand trägt, eine Pralinenpackung und auch einen Bund Osterglocken dazu. An der Haustür, an der sie klingelt, hole ich sie ein und frage nur: „Ist das zum Frauentag?!“ Sie lacht zurück: „Ja, na klar, zum Frauentag!“