Schön, aber holprig – Der Start des Gymnasium Johannstadt

eingestellt am 16.09.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Sonja Hannemann ist die Schulleiterin des neuen Gymnasium Johannstadt. Foto: Philine Schlick

Obwohl der Empfang herzlich ausfiel und bereits die ersten Verbindungen zum Viertel und der Nachbarin 101. Oberschule entstanden sind, war es kein Start wie aus dem Bilderbuch für das Gymnasium Johannstadt. Daran waren nicht allein die verwirrenden Corona-Monate schuld, erzählt Schulleiterin Sonja Hannemann im Gespräch.

In dem kleinen Zimmer in der obersten Etage des Schulgebäudes, in dem wir uns treffen, türmen sich Umzugskartons. Ihr ursprüngliches Büro hat Sonja Hannemann zugunsten ihrer Schüler*innen geräumt. Es ist jetzt ein dringend benötigter Lernraums zum Abstandhalten. “Ich bin hierher umgezogen”, berichtet sie.

Die Angst vor “dem Anderen”

Es ist die zweite Woche für 60 bunt zusammen gewürfelte Schüler*innen dreier fünfter Klassen und die junge Schulgemeinschaft um Sonja Hannemann an der Pfotenhauerstraße 42. “Wir alle wollten nach Johannstadt. Wir fanden das Viertel spannend”, erzählt die Schulleiterin. Für die Stelle kam sie nach zwei Jahren aus Berlin zurück nach Dresden, wo sie zuvor am RoRo-Gymnasium in der Neustadt gearbeitet hatte.

“In Dresden ist die Angst vor dem Anderen viel größer”, vergleicht sie die Städte. Man müsse zahlreichen Vorurteilen begegnen, z.B. dem, dass es für die kleinen Gymnasiasten unsicher sei, das Dach mit einer Oberschule zu teilen.

Tische und Stühle wären hilfreich gewesen

“An das Gymnasium Johannstadt kamen zahlreiche Schüler*innen, die an anderen Schulen keinen Platz mehr gefunden haben”, berichtet Sonja Hannemann. Für Eltern und Kinder bedeutete das Planänderungen, weitere Anfahrtswege und damit Wut und Unsicherheit, denen man beim ersten Elterngespräch begegnen musste. Die Rückmeldungen seien erleichternder Weise positiv gewesen, so Hannemann.

Für einen gelungenen Start hätte sich Sonja Hannemann mehr Zeit gewünscht. Zum Begegnen, zum Ausloten und Absprechen. Besonders mit Juliana Dressel-Zagatowski, der Schulleiterin der 101. Oberschule.

Das Team hinter dem Gymnasium Johannstadt. Foto: Gymnasium Johannstadt
Das Team hinter dem Gymnasium Johannstadt. Foto: Gymnasium Johannstadt

Anfang Mai erfuhr Hannemann von ihrer Besetzung als Schulleiterin. Von Mai bis Juli haben sie und ihr jetziges Kollegium noch an anderen Orten und Schule gearbeitet – im August ging es los. Die erste Vorbereitungswoche fand in leeren Räumen statt. “Ein paar Tische und Stühle wären schon hilfreich gewesen”, sagt Hannemann. Ende Juni fand das erste Treffen statt, bei dem auch Frau Dressel-Zagatowski anwesend war.

Drei Schulen unter einem Dach, zwei Sekretärinnen in einem Büro

Inhaltlich ging es jedoch eher um strukturelle Fragen wie die Raumverteilung. “Mit der angemessenen Zeit, dem richtigen Rahmen und klaren Anleitungen hätte man hier viel Druck rausnehmen können”, ist Sonja Hannemann überzeugt. Sie hätte sich einen gemeinsamen Auftakt gewünscht.

In diesem Fall sogar drei, denn unter dem Dach Pfotenhauerstraße 42 hat auch das Abendgymnasium noch seinen Platz. Zeitliche Überschneidungen gebe es nicht, weswegen räumliche in Kauf genommen werden, so Hannemann: “Momentan teilen sich zwei Sekretärinnen ein Büro.” Das sei gerade bei der Arbeit mit zahlreichen Dokumenten und Akten eine Herausforderung.

Und es geht nicht nur um die Verwaltung: “Zwei Schulen bedeuten nicht nur geteilte Räume, sondern auch zwei Schulkulturen, die sich aufeinander abstimmen müssen”, sagt Sonja Hannemann.

“Ich bin überzeugt, dass Oberschule und Gymnasium eine Bereicherung füreinander sind. Das häufig vertretene Bild, dass sich Verlierer und Gewinner gegenüberstehen, ist nicht richtig”, ist sie sich sicher.

Lehrerschaft ohne Schultür-Schlüssel

Willkommen geheißen sei das Gymnasium Johannstadt herzlich. Es gebe bereits Schülerpatenschaften zwischen den 10.-Klässler*innen der Oberschule und den Gymnasiumsklassen. Erste Treffen mit Akteur*innen des Viertels wie dem Stadtteilverein stehen an. Jedoch war es mitnichten eine Landung ins gemachte Nest. Zwei Wochen lang hatte das Schulpersonal des Gymnasiums keine eigenen Schlüssel: “Meine Lehrer standen manchmal ausgeschlossen auf dem Schulhof”, so Hannemann.

“Ich hätte erwartet, dass durch die engagierten Schulgründungen in Dresden in den letzten Jahren so etwas wie eine Routine herrscht”, beklagt Sonja Hannemann. Es koste enorm viel Zeit und Energie, Zuständigkeiten herauszufinden und Raumnutzungen abzusprechen. Zeit und Energie, die eigentlich dem Unterrichten der Kinder zustünden, findet die Schulleiterin.

Eine bessere Vorbereitung hätte den Start, insbesondere unter den ohnehin erschwerten Bedingungen durch Corona, erleichtert und Stress minimiert.

Ein weiterer Mangel sei die technische Ausrüstung der Schulen: Oberschule und Gymnasium müssen sich einen PC-Pool teilen. Es ist unumgänglich, dass es bei zu wenig Geräten zu Konfliktherden komme, sagt Hannemann. “Nach langem Ringen habe ich 16 Laptops bekommen”, erzählt sie und zeigt ratlos die Handinnenflächen in Anbetracht ihrer Schülerzahl.

Lichtblick Elternsprechstunde

“Ich hätte gern mit pädagogischen Tagen gestartet zur Frage: Wer sind wir und wer wollen wir sein im Viertel?”, sagt Sonja Hannemann bedauernd. Das allerdings muss warten. Erst einmal gilt es, mit Schüler*innen und Lehrer*innen gemeinsam Routinen zu erarbeiten und durch die dunkle Zeit des Jahres zu kommen.

“Ich habe ein junges, motiviertes Team, das wunderbar zusammen arbeitet”, schwärmt die Schulleiterin. “Dass wir uns neue Strukturen erarbeiten müssen, bietet auch viel Potential.”

Ihr nächster Lichtblick ist der anstehende Elternabend. Sonja Hannemann hofft auf ertragreiche Gespräche.

Gymnasium Johannstadt

  • Pfotenhauerstraße 42, 01307 Dresden
  • Infoabend für Interessierte am 29. September um 19 Uhr in der Bibliothek des Schulgebäudes
  • www.gymnasium-johannstadt.de