Die FLÜWO Stiftung unterstützt seit dem 1. Januar 2025 den Stadtteilverein Johannstadt bei der Weiterentwicklung und Verstetigung des Stadtteilmagazins johannstadt.de. In dem zweijährigen Projekt soll nicht nur die zeitgemäße Neugestaltung von johannstadt.de vorbereitet, sondern auch die ehrenamtlichen Strukturen in der Stadtteilredaktion gestärkt werden.
Wir haben das Förderprojekt zum Anlass genommen, für johannstadt.de einmal genauer nachzufragen, was die FLÜWO Stiftung eigentlich macht und warum. In einem Online-Interview mit der Stiftungsmanagerin Eva-Lena Wagner und der projektkoordinierenden Stiftungsreferentin Katja Mahler haben wir nicht nur viel über die Dresdner Projekte erfahren, die die Stiftung fördert, sondern auch über die Gemeinsamkeiten und Herausforderungen der Stadtteile, in denen die FLÜWO Stiftung mit Sitz in Stuttgart aktiv ist.
Interview: Andrea Schubert
Johannstadt.de: Was ist die FLÜWO Stiftung und wie unterscheidet sie sich von der FLÜWO Bauen und Wohnen eG?
Frau Wagner: Die FLÜWO Stiftung wurde von der FLÜWO Bauen und Wohnen Genossenschaft 2018 gegründet, um die starke soziale Ausrichtung in der Satzung umzusetzen. Gleichzeitig verfolgt die Stiftung das Ziel, auf gesellschaftliche Megatrends wie Wohnungsknappheit, Mietpreisentwicklung durch Urbanisierung, aber auch Wohnen im Alter aufgrund des demografischen Wandels in den Quartieren zu reagieren. Diesen Megatrends zu begegnen ist kleinteilig in den eigenen Beständen weniger gut möglich, da die Wohnungsbestände naturgemäß vielen Einflüssen von außen ausgesetzt sind. Eine Stiftung kann übergreifend arbeiten. Ziel ist es, Nachbarschaften zu fördern, in denen sich Menschen umeinander kümmern. Beteiligung ist dabei eine zentrale Säule.
Frau Mahler: Wo die Unterschiede zwischen der FLÜWO Genossenschaft und der FLÜWO Stiftung liegen? Die FLÜWO Genossenschaft baut und verwaltet Wohnungen. Sie hat auch ein Sozialmanagement, aber das ist nur für die FLÜWO-Mieterinnen und -Mieter da. Die FLÜWO Stiftung kann über den Bestand der Genossenschaft hinaus arbeiten, unterstützt auch Mieterinnen und Mieter anderer Wohnungsunternehmen.
Frau Wagner: Ohne die jährliche Spende der Genossenschaft wäre die Arbeit der Stiftung nicht möglich. Gemeinsam mit der Genossenschaft unterstützen wir Projekte und Initiativen aber auch über unsere Netzwerke. Bei Bedarf stellt die Genossenschaft Räume für Quartiersprojekte zur Verfügung. Zudem können Menschen individuell von der Stiftung unterstützt werden, z. B. bei Schwierigkeiten mit der Mietzahlung oder beim Badumbau für barrierefreies Wohnen im Alter. Dabei arbeiten die Stiftung und das Sozialmanagement der Genossenschaft eng zusammen.
Frau Mahler: Wir pflegen einen sehr engen abteilungsübergreifenden Austausch und haben viel Expertenwissen im Haus. Zum Beispiel starten wir als Stiftung in Ulm ein Projekt zum Aufbau einer integrativen Wohnberatung, dass es älteren Menschen ermöglichen soll, länger in der eigenen Wohnung zu leben. Gemeinsam mit Kolleg*innen anderer FLÜWO-Abteilungen haben wir das Projekt vor Ort besucht, auch um zu sehen, welchen Mehrwert das Vorhaben für die Wohnbaugenossenschaft haben könnte.
Johannstadt.de: Gibt es räumliche Schwerpunkte der FLÜWO Stiftung? Und wenn ja, welche?
Frau Wagner: Die FLÜWO Stiftung hat ihre Fördergebiete dort, wo die Genossenschaft ihre Wohnungen hat: Das sind 33 Standorte in Baden-Württemberg und Sachsen. In Sachsen verteilen sich die Standorte auf Dresden und Coswig. In Dresden verfügt die Genossenschaft über insgesamt 300 Wohnungen in den Stadtteilen Johannstadt, Niedersedlitz, Großzschachwitz und Weißig. Dresden entwickelt sich für die Stiftung sehr dynamisch, auch im Hinblick auf unser Förderengagement. Die Digitale Fördermesse des Kulturbüro Dresden, Büro für freie Kultur- und Jugendarbeit e. V. war dafür ein gelungener Anstoß.
Johannstadt.de: Wie unterscheidet sich Dresden/Johannstadt von den anderen räumlichen Schwerpunkten der FLÜWO Stiftung?
Frau Wagner: Darüber haben wir lange diskutiert. Dresden ist geografisch weiter weg von uns, aber es gibt nicht den einen Unterschied zwischen Stuttgart und Dresden. Schon in Stuttgart gibt es deutliche Unterschiede in den Stadtteilen. Die Herausforderungen zeigen keine Unterschiede, sondern Gemeinsamkeiten. Für das bürgerschaftliche Engagement gibt es in den verschiedenen Städten ähnliche Probleme, wie z. B. die Altersnachfolge oder das Fehlen von Begegnungsräumen.
Frau Mahler: Deshalb will die Stiftung Orte der Begegnung schaffen, Plattformen, wo Menschen zusammenkommen können. Das sieht man sehr schön in Dresden: Der Ausländerrat wird auch unterstützt mit der Einrichtung eines Cafés mit niedrigschwelligen Bildungsangeboten. Mit dem Stadtteilhaus Johannstadt entstehen neue Orte, an denen ehrenamtliches Engagement entstehen kann. Die FLÜWO Stiftung kann dies sehr gern begleiten. Wir wollen Orte der Begegnung schaffen.
Johannstadt.de: Welche Projekte unterstützt die FLÜWO Stiftung in der Johannstadt (neben dem Projekt Stadtteilredaktion Johannstadt), aber auch in ganz Dresden?
Frau Mahler: Neben dem Projekt des Stadtteilvereins Johannstadt e. V. hat die FLÜWO Stiftung bisher acht weitere Projekte in Dresden gefördert:
- Ein mobiles Klavier des Vereins KlangRaum e. V. lädt als „Open Piano“ von Mai bis Oktober zum gemeinsamen Musizieren und Dialog in Dresdner Stadtteilen ein.
- Mit Hilfe einer einjährigen Anschubfinanzierung kann der Kinder- und Jugendbauernhof Nickern e. V. ab April einen Kleingarten aufbauen, den Jugendliche eigenverantwortlich pflegen.
- Das Projekt Senior Social Café und Senior Social Hub des Ausländerrates Dresden e. V. startete am 1. April. In der Johannstadt soll ein ehrenamtlich geführter Treffpunkt entstehen, der älteren Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung digitale Teilhabe ermöglicht.
- Der Dresdner Pflege- und Betreuungsverein erhält für sein Begegnungs- und Beratungszentrum für Senioren zwei Küchenmodule für Beteiligungs- und Veranstaltungsformate.
- Der Verein „Zuhause in Prohlis e. V.“ kann in diesem Jahr mit Unterstützung der Stiftung niedrigschwellige Kunst-Workshops für sozial benachteiligte Kinder durchführen.
- Mit dem Projekt FLÜGELSCHLAG des Dresdner Pflege- und Adoptivkinder e. V. wurde der Aufbau von Beratungs- und Betreuungsangeboten für migrantische Familien in Dresden-Reick gefördert.
- 2023 organisierte der ASB Regionalverband Dresden e. V. mit dem Seniorennetzwerk Cotta einen niedrigschwelligen Seniorentag im SACHSEN FORUM.
- Das erste Förderprojekt in Dresden war der Verein Omse e. V., den die FLÜWO Stiftung bei der Planung und Durchführung von Familienausflügen im Rahmen des Kinder- und Familientreffs „Puzzle“ unterstützt hatte.
Frau Wagner: Es sind sehr ähnliche Projekte, die an uns herangetragen werden. Auch in den anderen Dresdner Stadtteilen sind die Bedarfe der Zielgruppen vergleichbar: trotz der großen Unterschiedlichkeit der Stadtteile mit multiplen Herausforderungen fehlen ähnliche Angebote. Hier können wir gemeinsam mit den Trägern Lösungen finden und sie bei der Umsetzung unterstützen.
Johannstadt.de: Was möchte die FLÜWO Stiftung mit Ihrer Unterstützung für die Projekte in der Johannstadt bewirken?
Frau Wagner: Zentral für unsere Stiftung ist es, Orte als Räume für Engagement zu stärken und zu ermöglichen. Wir als Stiftung glauben, dass diese Orte Katalysatoren für die gemeinsame Gestaltung des Stadtteils sind. Die Menschen wissen, was sie vor Ort brauchen. Die Stiftung will und kann nicht vorgeben, was zu entwickeln ist. Vielmehr geht es darum, Anstrengungen im Stadtteil zu ermöglichen und Gestaltungsräume zu entwickeln.
Frau Mahler: Die Stiftung schafft den Rahmen für Empowerment. Wir wollen den Trägern auf Augenhöhe begegnen. Wir lernen und profitieren gleichermaßen von den Projekten und freuen uns, einen Beitrag leisten zu können. Dazu gehört auch der Transfer von Wissen und Netzwerk.
Johannstadt.de: Welche zukünftigen Projekte oder Entwicklungen plant die FLÜWO Stiftung in der Johannstadt und in Dresden?
Frau Wagner: Wenn wir uns als Stiftung in einem Stadtteil wie der Johannstadt engagieren, dann ist das langfristig angelegt. Wir verstehen Quartiersentwicklung als ein langfristiges Projekt, das nicht damit endet, dass zum Beispiel der Stadtteilverein für zwei Jahre gefördert wird. Das ist ein Commitment der FLÜWO Stiftung, weil wir sehen, dass hier viel Potenzial schlummert und wir wollen, dass sich der Stadtteil entwickelt.
Frau Mahler: Das Tolle an der Johannstadt sind die vielen Träger, die schon fantastisch vernetzt sind. Es gibt sehr viele Synergieeffekte. In den bestehenden Projekten gibt es viele weitere kleine Projektpotentiale. Es bringt niemandem etwas, wenn eine Gießkanne über den Stadtteil ausgeschüttet wird. Das hat nicht den gewünschten Effekt. Wir als Stiftung wollen uns nicht nur zwei Jahre engagieren und dann das Projekt sich selbst überlassen. Wir wollen auch im Anschluss an die Projekte Möglichkeiten finden, die über die Stiftungsförderung hinausgehen: institutionelle Förderung oder Know-how für Fundraising, für eine nachhaltige Weiterführung der Projekte.
Johannstadt.de: Welche Erfolgsgeschichte der Stiftung hat Sie besonders bewegt? Auf welches Projekt sind Sie besonders stolz und warum?
Frau Wagner: Eines unserer geförderten Projekte, der MGV Stuttgart-Berg e. V., hat erst im März den Paul-Lechler-Preis1 in der Kategorie Quartier für GemEinsamkeit erhalten. Das macht mich/uns sehr stolz. Der ehemalige reine Männergesangverein MGV Stuttgart-Berg stand 2019 kurz vor der Auflösung, das Vereinsheim sollte an die Stadt Stuttgart zurückgehen, es gab Probleme neue Mitglieder zu finden. Da startete eine sehr engagierte Frau ein erstes Projekt, die „Quartiers-Quartette“, das von der FLÜWO Stiftung unterstützt wurde.
Bei den Quartiers-Quartetten kümmern sich jeweils vier Personen ein halbes Jahr lang um ein bestimmtes Thema, um es voranzubringen, zum Beispiel Urban Gardening, Bücherregale, Singen oder Kochen. Durch das Projekt haben sich die ehrenamtlichen Strukturen sehr gefestigt, der Verein hat einen großen Zulauf an Mitgliedern. Es wurde eine Vereinsgastronomie aufgebaut. Es gibt wieder mehr Ehrenamtliche und nicht mehr nur einen Männerchor, sondern verschiedene Chöre, auch einen Kinderchor. Für die Sanierung des Vereinsheims wurden in einem ersten Schritt die Kontakte und das Netzwerk zur Genossenschaft genutzt. Für die nächsten Schritte, die Sanierung der Fenster und der Heizung, sollen weitere Wohnungsunternehmen ins Boot geholt werden.
Wir sind daran interessiert, Projekte langfristig zu begleiten, nicht nur finanziell, sondern auch mit unserem Netzwerk. Bei den Quartiers-Quartetten zeigt sich wunderbar, wie ein Projekt aufblühen kann, zusätzliche Ideen umgesetzt und gehalten werden können, so dass diese in reguläre Vereinsaktivitäten übergehen. Am Anfang war die Engagierte fast allein, jetzt ist der Vorstand zu acht. Durch Partizipation und Engagement ist ein toller Ort entstanden.
Ein weiteres Herzensprojekt ist „Wir für Freiberg“. In Freiberg2, im Norden von Stuttgart, gab es auch mal ein Fördergebiet „Soziale Stadt“3, aber das ist schon eine Weile her. Auch dort hatte sich ein Bürgerverein gegründet, der aber nach dem Ende der Sozialen Stadt wieder eingeschlafen ist. Wir waren am Anfang mit einem relativ kleinen Projekt im Stadtteil und hatten das Glück, über die Genossenschaft einen Raum für Begegnungen zu bekommen. Wir haben gemerkt, dass der Stadtteil einen neuen Impuls braucht. Und obwohl es eher skeptische Stimmen gab, ob es wirklich ein Quartiersentwicklungsprojekt braucht, konnte die Stadtteilarbeit wiederbelebt werden.
Die Förderung durch die Fernsehlotterie und die FLÜWO Stiftung brachte alle Akteure im Stadtteil wieder zusammen, Runde Tische, Stadtteilfeste und Veranstaltungen wurden neu ins Leben gerufen. Durch eine Anschlussförderung des Deutschen Hilfswerks konnte das Projekt weitergeführt werden und jetzt überlegt sich sogar die Landeshauptstadt Stuttgart die Quartiersenentwicklung zu verstetigen. Es macht einfach Spaß zu sehen, was bisher alles entstanden ist: Gemeinschaftsgarten, Familientreffs, Runde Tische zur Stadtteilentwicklung. Das ist eine echte Erfolgsgeschichte, die zeigt, dass es sich lohnt, langfristig dranzubleiben. Im ärmsten Stadtteil Stuttgarts konnten die Herausforderungen gemeistert und Ehrenamtliche motiviert werden.
Frau Mahler: Dieses Projekt zeigt sehr schöne Parallelen zu Projekten in der Johannstadt. In den vielen Bedarfen liegen auch viele Potenziale. Die Träger der Förderprojekte sehen diese Potentiale, sie haben die Netzwerke und das Knowhow, welche es als Nährboden braucht. Für das Projekt des neuen Stadtteilhauses in der Johannstadt gibt es sicher auch Möglichkeiten der Förderung. Hier unterstützen wir gern.
Johannstadt.de: Haben Sie einen Wunsch für die Johannstadt?
Frau Wagner: Wir wünschen uns, dass die Menschen sich engagieren und den Mut haben, ihren Stadtteil zu gestalten. Bei der Umsetzung kann die Stiftung helfen.
Frau Mahler: Ich wünsche den Menschen in der Johannstadt viel Kraft und Zuversicht für ihr Engagement.
Zu den Personen:
Eva-Lena Wagner ist seit 2019 Stiftungsmanagerin bei der FLÜWO Stiftung. Sie verstärkt die Netzwerkarbeit und die Öffentlichkeitsarbeit.
Katja Mahler ist Stiftungsreferentin und koordiniert Projekte und Projektanträge für die FLÜWO Stiftung. Sie unterstützt bei Projektanträgen, berät aber auch bei der Umsetzung der Förderung und koordiniert weitere kleinere Projekte.
In eigener Sache: Dieser Artikel wurde verfasst/redaktionell bearbeitet durch die ehrenamtliche Stadtteilredaktion von johannstadt.de. Sie haben auch Lust über die Johannstadt zu schreiben, Beiträge zu lektorieren oder die Redaktion organisatorisch zu unterstützen? Dann melden Sie sich unter redaktion@johannstadt.de.
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- Paul Lechler Preis
Seit 2008 vergibt die Lechler Stiftung den Paul Lechler Preis an innovative soziale Projekte in Baden-Württemberg – ganz im Sinne des Namensgebers Paul Lechler (1849 bis 1925). Der sozial engagierte Unternehmer hatte selbst Zeit seines Lebens konkrete, neue Hilfen für soziale Probleme angestoßen und umgesetzt – und war damit seiner Zeit weit voraus. Quelle: Webseite der Lechler-Stiftung ↩︎ - Nicht zu verwechseln mit Freiberg in Sachsen. Weitere Informationen zu Stuttgart-Freiberg können bei Wikipedia nachgelesen werden. ↩︎
- Mit dem Städtebauförderungsprogramm “Soziale Stadt” unterstützten Bund und Länder zwischen 1999 und 2019 die Stabilisierung und Aufwertung städtebaulich, wirtschaftlich und sozial benachteiligter und strukturschwacher Stadt- und Ortsteile. Städtebauliche Investitionen in das Wohnumfeld, in die Infrastrukturausstattung und in die Qualität des Wohnens sorgten für mehr Generationengerechtigkeit sowie Familienfreundlichkeit im Quartier und verbesserten die Chancen der dort Lebenden auf Teilhabe und Integration. Ziel war, vor allem lebendige Nachbarschaften zu fördern und den sozialen Zusammenhalt zu stärken.
Bis 2019 wurden 965 Gesamtmaßnahmen in 544 Städten und Gemeinden über das Programm gefördert. Ein Großteil der noch laufenden Maßnahmen wird seit 2020 im Programm Sozialer Zusammenhalt weitergefördert. Quelle: Bundesministerium
für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
In der Johannstadt gibt es auch ein Förderprogramm „Soziale Stadt/Sozialer Zusammenhalt“ und das läuft 2026 aus. ↩︎