Erstes Vernetzungstreffen zu den Wohncontainern am Sachsenplatz

eingestellt am 16.12.2023 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: In der Grundstruktur ist die Mobile Raumheit, bestehend aus Wohncontainern aufgebaut. Foto: Anja Hilgert

 

Auf Einladung von Ruth Schilling, Regionalkoordinatorin und Teamleiterin der Migrationssozialarbeit des Ausländerrates Dresden und Clemens Hirschwald, Koordinator für den Bereich Ehrenamt im Kontext Integration, kam es am vergangenen Donnerstag 7.12.’23 zu einem ersten Abstimmungstreffen zwischen hauptamtlich involvierten Vertreter*innen aus Johannstädter Einrichtungen und Initiativen und interessierten Bewohner*innen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten, wenn mit dem Jahreswechsel die Situation an den Wohncontainern am Sachsenplatz sich ändern wird.

Ziel des Treffens war es, mögliche Bedarfe der Bewohner:innen und vorhandene Ressourcen im Sozialraum Johannstadt zu erörtern. Aufgaben und Aufträge sollen so verteilt werden, dass Parallelstrukturen vermieden werden.
Aus Erfahrung ist gewusst, dass die Inbetriebnahme der Gemeinschaftsunterkünfte und die Zuweisung der Personen oft sehr kurzfristig festgelegt werden und es deswegen sinnvoll ist, den Start der sozialen Betreuung mit allen potenziell involvierten Institutionen und Personen frühzeitig vorzubereiten, um anschließend schnell und koordiniert aktiv werden zu können.

 

Aktueller Stand zu den Wohncontainern

Die sogenannte Mobile Raumeinheit (MRE) Sachsenplatz verfügt über 72 Plätze, von denen 65 belegt und die restlichen sieben Plätze für etwaige Notunterbringungen vorbehalten werden. Vier Personen werden in einem Doppelcontainer untergebracht, bei dem die Zwischenwand entfernt wurde, somit verfügt der Raum über 24 m². Nach gesetzlicher Maßgabe steht einer Person ein Raum von 6m2 zu. Stellwände bieten die Möglichkeit einer Raumteilung.

Zur Straße gewandt werden zusätzlich Container stehen mit Kochgelegenheiten, sodass die Möglichkeit zur Selbstversorgung besteht. Es gilt als entscheidender Zugewinn für die Bewohner, für sich selbst Essen einkaufen und Mahlzeiten zubereiten zu können. Auch bieten die Küchenräume einen Ort für gemeinsames Kochen und Zusammenkunft. Andere Gemeinschafts- oder Aufenthaltsräume sind nicht vorgesehen. Deshalb gibt es nun Bemühungen, im näheren Umfeld des Standortes externen Raum zu gewährleisten, wo die Menschen einander treffen, kommunizieren, verweilen, in Austausch gehen, einer Beschäftigung nachgehen können.

In der Grundstruktur ist die aus Wohncontainern bestehende Mobile Raumheit (MRE) aufgebaut. Foto: Anja Hilgert

 

Zwei weitere Container vor Ort dienen der Migrationssozialarbeit zu Beratung und Gesprächsangeboten. Als betreuender Verein für den Standort Sachsenallee wird erstmals AFROPA e.V. als Betreiber aktiv, in enger Zusammenarbeit mit der Migrationssozialarbeit (MSA) des Ausländerrat Dresden e.V.. Zu täglichen ‚Büro‘-Zeiten werden stets Vertreter*innen vor Ort sein, um ansprechbar und in Kontakt zu sein, um die Neubewohner bei den Anforderungen des täglichen Lebens zu unterstützen. Dazu zählen die Bereiche: Gesundheit (Krankenkasse, ärztliche Versorgung, …), Wohnen (Wohnungssuche, WBS, …), Leistung (Beantragung von Asylbewerberleistungen/ALG II, Erstausstattung, …), Finanzen (Kontoeröffnung, …) und gegebenenfalls auch die Begleitung zu Behördengängen, Arztterminen, Wohnungsbesichtigungen und anderen wichtigen Terminen.

Zusätzlich zu diesem von der Stadt geförderten Beratungsangebot benötigen geflüchtete Menschen, insbesondere die in Gemeinschaftsunterkünften Untergebrachten, auch ehrenamtliche Unterstützung, z.B. in der Anbindung an Freizeitaktivitäten (Vereine, Nachbarschaftstreffs, …) oder bei der Vermittlung von Bildungsangeboten (Deutschkurse, …), um sich möglichst schnell in ihrem sozialen Umfeld integrieren zu können.

Für die Koordination ehrenamtlich Interessierter zeichnet der Verein Willkommen in Johannstadt verantwortlich, der bereits seit 2015 mit vielfältigen Angeboten, u.a. Deutschkurse, Computerkurse, Patenschaften und Feste aktiv ist, um neu Zugewanderte und Migrant*innen beim Ankommen in ihrem neuen Zuhause zu unterstützen. Die Räume von WIJ befinden sich auf der Hertelstraße 24, dort ist die hauptamtliche Koordinatorin, Marie-Charlotte Lukas für Fragen und Interessensbekundungen zu möglichen ehrenamtlichen Aufgaben ansprechbar.

 

Ankunft und Einzug der Bewohner

Bei den Bewohnern, die  vorübergehend Unterkunft am Sachsenplatz finden, handelt es sich um volljährige männliche Einzelpersonen. Schwerpunktmäßig kommen Geflüchtete aktuell verstärkt aus Syrien, Afghanistan und Venezuela nach Dresden. Aus welchen Herkunftsländern aber die Bewohner der MRE genau kommen, ist bislang nicht bekannt.

Vorausgesetzt, die MRE ist fertig eingerichtet, können ab der zweiten Hälfte Januar 2024 erste Neuankömmlinge einziehen. Diese werden aller Voraussicht nach zu einem ersten Teil aus den ehemals unter Vertag stehenden Hotels umziehen, die die Landeshauptstadt zur Unterbringung von Geflüchteten angemietet hatte. Für vier dieser Hotels läuft der Vertrag aus. Diese werden im Zuge des Januar abgemietet, was bedeutet, dass Menschen, die von da in die Unterkunft am Sachsenplatz umziehen, bereits in Dresden ortskundig und behördlich versorgt sind.
Der andere, wohl größere Anteil der neuen Bewohner kommt aus Transfers aus Erstaufnahme-Einrichtungen des Landes. Diese gelangen dann erstmals nach Dresden und sind gänzlich neu vor Ort, überwiegend ohne deutsche Sprachkenntnisse.

 

Basale Infrastruktur im Gelände der MRE. Foto: Anja Hilgert

 

Aufgabenverteilung/ Zuständigkeit

Jedem Bewohner, der ein Asylgesuch stellt, ist ein*e Sozialarbeiter*in zugewiesen. Somit ist jeder im Besitz einer Visitenkarte mit einem Namen und Telefonnummer von zuständigen Mitarbeitenden, die den gesamten Ankommens-Prozess fachlich in die Wege leiten. Ruth Schilling betont die Wichtigkeit, um diese Zuordnung zu wissen, damit alle Vorgänge und Hilfsangebote gebündelt und effektiv ihren Gang nehmen. Sie warnt vor individuellen Einzelaktionen.

Von drei bis zwölf Monate beträgt die vorübergehende Aufenthaltsdauer der Bewohner am Sachsenplatz. Abhängig vom Asylverfahren. Das kann bedeuten, dass Menschen, die in der Unterbringung angekommen sind, mehrere Monate nicht die Möglichkeit haben, an einem Sprachkurs teilzunehmen, somit ohne Sprachkenntnis vor Ort abwarten. Um die meist recht hohe Anfangsmotivation, Deutsch lernen zu wollen, abzufangen, ist somit jede Unterstützung sinnvoll und erwünscht, um erste Worte zu vermitteln. Dabei geht es um einfache Vokabeln, die Schlüsselfunktion haben, um den Alltag selbständig meistern zu können. Sprach-Apps können dabei individuell eine große Hilfe sein, die Sprachbarriere miteinander zu meistern.
Generell ist Kommunikation das höchste Bedürfnis, ebenso wie den Zugang zu Deutschen zu finden, um Wörter, Sprache, Alltagshandlungen, Freizeitgestaltung und Kultur kennenzulernen.

 

Absperrung Wohncontainer-Standort Sachsenplatz im September ’23, Foto: Andrea Schubert

 

Johannstädter Einrichtungen wie der Johannstädter Kulturtreff e.V., das Integrative Familienzentrum des Kinderschutzbundes, das Patenschaftsbüro Wir sind Paten und die ehrenamtliche Initiative Willkommen in Johannstadt e.V. haben ihre Zusammenarbeit und Bereitschaft zu konkreter Unterstützung und vor allem zu gemeinsamer Vernetzung im Stadtteil bekundet. Auf Initiative von Bewohner*innen der Florian-Geyer-Straße wird im Stadtteil ein Willkommen-Fest im Frühling geplant.
Ein weiteres Abstimmungstreffen unter Vorsitz von Ruth Schilling und Clemens Hirschwald ist für Ende Februar anberaumt. Ehrenamtliche Interessierte sind dazu herzlich willkommen und mögen sich bei Willkommen in Johannstadt melden.

Weitere Informationen

Menschen, die Interesse haben, ehrenamtlich zu unterstützen, können direkt in Kontakt treten mit: koordination@willkommen-in-johannstadt.de.

Am 4.11.2023 wurden die entstehende Containerunterkunft am Sachsenplatz sowie die Angebote der Migrationssozialarbeit auf der Informationsveranstaltung Nördliche Johannstadt im Jugendzentrum Jugendkirche vorgestellt. Die Präsentationen von Anja Lange (kommissarische Leiterin des Amtes für Hochbau und Immobilienverwaltung der Landeshauptstadt Dresden) und Ruth Schilling (Regionalkoordination Asyl Dresden-Mitte) inkl. Plandarstellung der entstehenden Anlage sowie die Fragen und Antworten der Diskussion können hier eingesehen und heruntergeladen werden.

Dresden sucht für 2024 ehrenamtlich Tätige in Asyl-Unterkünften – auch für Johannstadt!

eingestellt am 09.11.2023 von Andrea Schubert (Stadtteilverein), Headerbild: Beratungsgespräch des Ausländerrats. Foto: Alexandra Zverewa

Interessierte Personen, Vereine und Initiativen können sich ab sofort melden

Für die sechs neuen Asylunterkünfte, in die voraussichtlich im Januar 2024 Geflüchtete einziehen werden, sucht die Landeshauptstadt Dresden hilfsbereite Personen, Initiativen und Vereine, die die Bewohnerinnen und Bewohner beim Ankommen in ihrem neuen Wohnumfeld ehrenamtlich begleiten. Dresden sucht für 2024 ehrenamtlich Tätige in Asyl-Unterkünften – auch für Johannstadt! weiterlesen

Sieben Frauen auf dem Weg nach Zafran – Eine Gründungsgeschichte vom Kochen in der Johannstadt

eingestellt am 23.05.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Kostbar köstlich - Von Frauen gemachter Weltküche-Lieferservice in der Johannstadt Foto: ZAFRAN Catering by Fanny Annighöfer und Saskia Härtwig

Sprich einmal, ganz langsam:  zaʿfarān , etwas bedächtiger:  z a ʿ f a r ā n .
Klingt das nicht wie ein Zauberwort, mit wiegender Melodie, und hinterlässt einen hellen Schein? Welche Farbe hat wohl der Klang dieses Wortes?
Die Auflösung des Rätsels, da stimmen viele Sprachen überein, lautet: Gelb!


Gelb ist die Farbe von Zafaran, Zafran, Safran! Ein sinnlicher Name für eine weltbekannte Kostbarkeit: Ein Gewürz aus all den Herkunftsländern, aus denen sieben Frauen stammen, die in der Johannstadt den Weltküche-Lieferservice ZAFRAN Catering gegründet haben. Der Name beschreibt Absicht, Tun und Qualität des Unternehmens ganz vortrefflich: Zafran!

Firmen-Logo in künstlerischer Kaligrafie: Es beginnt mit Z, vereint 3 Herkunftskulturen, besteht aus 3 Blüten-Teilen
Foto: ZAFRAN Catering by Fanny Annighöfer und Saskia Härtwig

Die wichtigste Zutat heißt Geduld

Die Gründungsgeschichte des kleinen Johannstädter Unternehmens hat mit dem Anbau des Safran-Gewürzes viel gemeinsam: Fingerspitzengefühl ist verlangt und Ausdauer, eine Vision, Beständigkeit und Hoffnung. Ähnlich wie die kostbare Krokusblüte, die erstaunlicher Weise in Sachsen sogar wächst*, ist ZAFRAN Catering über mehrere Jahre und Stufen in der Johannstadt gediehen. Viele Menschen waren daran beteiligt, bis im vergangenen September 2019 die Idee der Eigenständigkeit reif war und die neu gegründete Firma aus dem Topf sprang.

Sieben Frauen, unterschiedlichen Alters, verschiedener kultureller und sozialer Herkunft und mit sehr unterschiedlicher beruflicher Vorbildung machen den kleinen Betrieb aus.
Aus Tschetschenien, Syrien, Afghanistan stammen die Frauen. Mit ihren Familien leben sie zum Teil auch in der Johannstadt.

Manche setzen mit ZAFRAN Catering den ersten Schritt in ein eigenes Berufsleben, einige ohne Schulabschluss, andere gehen einen zweiten Weg, nachdem sie für ihren ersten Beruf keine behördliche Anerkennung erhalten haben, für manche ist das Asylverfahren nicht abgeschlossen und der Aufenthaltsstatus fortwährend ungeklärt, andere sind Mitarbeiterinnen mit angemeldetem Nebengewerbe. ZAFRAN Catering ist ein transkulturelles gemeinschaftliches Sozialunternehmen, das aus Eigeninitiative von Frauen mit Flucht- und Migrationserfahrung in der Johannstadt gegründet wurde.

In ihrer Unterschiedlichkeit teilen sie alle miteinander eine über drei Jahre gewachsene, besondere Erfahrung im Bereich der Gastronomie und des Caterings. In dem Bereich wissen alle, was sie können und dass sie es können.

Freude am Essen ist farbenfroh               Foto: ZAFRAN Catering by Fanny Annighöfer und Saskia Härtwig

Tür auf ins Experimentierfeld Küche

Zum Ausprobieren von Neuem ist eine Küche das perfekte Experimentierfeld: Man begibt sich in etwas hinein, das an der Grenze zum Chaos kleinschrittig auf mehreren Ebenen gleichzeitig beherrscht sein will. Nichts bleibt, wie es hineingegeben wurde.

Es ist eine Kunst des Zusammenspiels, dass die Zutaten sich verbinden und neue Farben, Geschmäcker und Konsistenzen entstehen, die am Ende eine Komposition abgeben, von der keiner genau zu sagen weiß, auf welch wundersame Art sie entstanden ist.

Jedes wohlschmeckende Gericht birgt ein alchemistisches Geheimnis. Die Aufmerksamkeit ist bis an jenen Schmelzpunkt zu lenken, wo das Kochen selbst die Führung übernimmt und die einzelnen Köchinnen leidenschaftlich darin aufgehen. ZAFRAN Catering hat darin das Geheimnis seines Erfolgs entdeckt.

Die Frauen bringen das Beste aus ihren Ländern, ihrem Vermögen und ihrer Erfahrung ein und stellen Variationen hochwertiger Speisen her, die alle frisch zubereitet werden. Manty, Wareniki, Jijigh Galnash, Pakora, Bulani – das klingt nicht nur verlockend, sondern ist mit traditionellem Wissen und Hingabe zubereitet.

Das Beste aus aller Frauen Länder

Um Frauen nach den ins Leben einschneidenden Erfahrungen von Flucht und Migration einen Wiederanfang und die positive Erfahrung ihrer Selbstwirksamkeit zu ermöglichen, hat der Ausländerrat Dresden e.V. in Kooperation mit dem Johannstädter Kulturtreff e.V. der Begegnungstreff Café HALVA ins Leben gerufen.

Empowerment wird das genannt und verhilft mit begleitender Unterstützung Menschen dazu, den Punkt ihrer Ohnmacht, Orientierungslosigkeit und Schicksalsmüdigkeit zu überwinden und neue Perspektiven und Spielräume für die eigene Lebensgestaltung zu entdecken. Es handelt sich um einen geschützten Projekt-Rahmen, in dem positive Erfahrungen der eigenen Selbstwirksamkeit heranwachsen können.

Die sieben Frauen haben weite Wege zurückgelegt bis zu ihrer Ankunft in der Johannstadt. Die verschiedenartigen Lebenswege – die an anderer Stelle einmal noch erzählt werden mögen – laufen im Moment des Betretens jenes Küchenraums zusammen.
Es ist der Beginn ihrer gemeinsamen, in safrangelb gemalten Geschichte.

Süßes zum Anfang – Halva

Ins Erdgeschoss des Johannstädter Kulturtreff e.V. zog 2016 der Begegnungstreff Café HALVA ein. Es wird von einer feststehenden Gruppe von Frauen ehrenamtlich betrieben und jeden Donnerstag geöffnet. In liebevoll eingerichteten Räumen lädt das Team von Frauen mit interkulturellen kulinarischen Köstlichkeiten zu Mittagstisch und Kaffeetrinken, zum Verweilen, Plaudern und zu Kontakt und Begegnung ein.

Insgesamt 16 Plätze gibt es in dem Projekt. Frauen erhalten darin die Möglichkeit, über ein verpflichtendes Ehrenamt erste Erfahrungen im Arbeitsleben und der Selbstorganisation sowie der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu sammeln. In behördlichen Fragen sowie der beruflichen und familiären Lebensorganisation stehen ihnen Mitarbeiterinnen des Ausländerrat Dresden e.V. und Dolmetscherinnen zur Seite.

Wöchentliches Donnerstags-Angebot, mit Mitarbeiterin Fatemah im Begegnungstreff Café HALVA           Foto: Meike Weid

Kochen führt Leib und Seele zusammen

Die Warteliste zur ehrenamtlichen Mitarbeit im Café HALVA ist lang. Effekte und Erfolge haben sich herum gesprochen: Die Frauen stellen etwas auf die Beine, sie sind Drehpunkt einer Community, erhalten Respekt von ihren Familien und Anerkennung im Viertel. Mehr Frauen wünschen sich diesen Zugang.

Die Kochkünste werden inzwischen auch für andere Stadtteilfeste nachgefragt. Nicht nur mit den reichhaltigen farbenfrohen Buffets, sondern durch die Art ihres Tuns insgesamt stiften die Frauen eine Atmosphäre, die Sinne, Geist und Gemeinschaft nährt.
Das Projekt erfährt einen kräftigen Anklang von Erfolg.

Kostbarkeiten des Café HALVA zu ganz normalen Feierstunden        Foto: Meike Weid

ZAFRAN – Eine Spur von Gelb

Da ist leicht nachvollziehbar, dass bei den Frauen Enttäuschung aufkam darüber, dass aus dem Café HALVA kein berühmtes Restaurant geworden ist. Und auch schwerlich werden kann: Denn die Lage, weit entfernt von Laufkundschaft und in direkter Anbindung ans Kulturzentrum sind eher ungeeignet, professionell eine größere Kundschaft zu erreichen.

Doch so wirkt Empowerment! Im Überschuss aus Leidenschaft, Freude und Inspiration, gepaart mit gewachsenem Selbstbewusstsein und öffentlicher Wertschätzung machten Frauen im Sommer 2019 den Wunsch laut nach mehr Resonanz und deutlichem Erfolg. „Nicht mehr nur im Ehrenamt tätig sein, sondern gescheites Geld verdienen“, benennt Clara von Verschuer, zuständige Mitarbeiterin des Ausländerrat Dresden e.V. die Motivation, „darum geht es den Frauen. Für alle, die im Projekt so lange aktiv waren, ist ein Zusammengehörigkeitsgefühl entstanden, das stark macht.“

Clara von Verschuer geht diesen nächsten Schritt mit den Frauen. Nach intensiv bewegten Fragen zum neuen Anfang stellen sie im September 2019 auf die Beine, was heute ZAFRAN Catering heißt:

Foto: ZAFRAN Catering by Fanny Annighöfer und Saskia Härtwig

Das Diverse ist die Normalität, die den täglichen Umgang gestaltet

Die Frauen arbeiten im erklärten Miteinander und Aufeinander-Angewiesensein. Ihre Mentorin betont: „Dieses Teambewusstsein soll erhalten bleiben. Die Abläufe funktionieren, Professionalität ist gegeben. Unter den Frauen herrscht bunte Mehrsprachigkeit, im Deutschen verständigen sie sich am Telefon über knappe Sprachnachrichten. Das Diverse ist die Normalität, die den täglichen Umgang gestaltet.“

Herz und Hände kommunizieren das Entscheidende. Die wichtigste Verständigung geht übers Kochen: „ZAFRAN Catering definiert sich aus der Zusammenarbeit, in der aus verschiedenen Ländern und Kulturkreisen verschiedene Speisen zusammengeführt werden, die auch als Einzelgerichte funktionieren“, erläutert Clara von Verschuer das neue Unternehmenskonzept.

Verantwortliche Mitarbeiterinnen von ZAFRAN Catering: Aminat (links) und Roza (rechts). Foto: Clara van Verschuer

Schnelle Geburt – Das Kind von Café HALVA heißt ZAFRAN Catering

Ein eigenes Gewerbe? Dafür muss eine Rechtsform gefunden und eine Betriebsstruktur aufgebaut werden, die dem gleichberechtigten Miteinander aller gerecht wird. Um den Übergang aus dem Ehrenamt in die reguläre Erwerbstätigkeit zu entwickeln, sind moderierende Hilfestellungen und viele amtlich behördliche Schaltstellen nötig. ZAFRAN Catering wird als kleines Sozialunternehmen gegründet, das Partizipation und Prozesse auf Augenhöhe pflegt. Die faire Entlohnung ist ein gewichtiger Baustein im Fundament der Firma.

Es sei eine Menge Eigenverantwortung, die die Frauen unter Beweis stellen, betont Clara von Verschuer. Das positive Rollenverständnis mit familiärer und öffentlicher Anerkennung und eigenem Verdienst steht für gewonnene Stabilität und Aufrichtung.

Doch für diese Frauen sei der Spagat der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ungleich höher: Zahlreiche Behördentermine führten sie außer Haus, auch die Arbeit führe von zuhause weg, was in einer komplexen, sich neu findenden Familiensituation mit meist auf ihre Art auch förderbedürftigen Kindern kein leichtes Unterfangen sei: „Die Frauen haben Selbstbewusstsein entwickelt und sind unglaublich gewachsen. Minijob und eigene Rechnungen zu schreiben ist toll für die eigene Entwicklung, gleichzeitig besteht auf die Dauer natürlich die Notwendigkeit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung“, denkt Clara von Verschuer in Richtung Zukunft.

Handarbeit für den Lieferservice       Foto: ZAFRAN Catering by Fanny Annighöfer und Saskia Härtwig

Urentspannt lautet die Devise

Bunte Häppchen, Runde Happen, Frucht- und Gemüsespieße, Suppen, Salate, Syrisches Ofenhühnchen, Reisgerichte, Teigtaschen, Georgische Walnusspaste mit verschiedenen Gemüse-Pehali, Kuchen, Gebäck…

Gestartet ist das Catering-Unternehmen mit 3-6 Caterings pro Monat: Veranstaltungen von 25 bis 500 Personen, für Feiern und Fachtage, vorwiegend nachgefragt aus den bekannten Kreisen städtischer Institutionen und Initiativen, die in Verbindung mit unserem Thema stehen. Das läuft über Mund zu Mund Werbung.“ Netzwerk und Partnerschaftlichkeit binden das kleine soziale Unternehmen ein. Zwei Küchen stehen zur Verfügung, die nach Bedarf regelmäßig gebucht u angemietet werden können. Es besteht eine Kooperation mit einem Geschirrverleih.

„Urentspannt“, nennt Clara van Verschuer die Grundhaltung der Frauen, die z.T schon so viel erlebt hätten, dass die Betriebsführung der Caterings sie nicht aus der Ruhe bringen könne: „Eine Frau ist bereits in 4 Ländern gewesen, überall wieder geflohen.“ Da sei eine gewisse Gelassenheit dann gegeben als Haltung gegenüber dem Leben.

Weltküche-Menüs frei Haus

Die jüngsten Erfahrungen bestätigen, dass das Konzept aufgeht: Als während des lockdowns gebuchte Veranstaltungen und Bestellungen abgesagt wurden und die Nachfrage eingebrochen ist, zeigte sich, wie anpassungsfähig und flexibel das Siebengestirn von ZAFRAN Catering zu arbeiten vermag.

Zu Dienst mit Kuchen, Torten und Gebäck    Foto: ZAFRAN Catering by Fanny Annighöfer und Saskia Härtwig

„ Jetzt mach’ ich was…“, dachte die geschäftsführende Frau des ZAFRAN Teams und investierte drei lahmgelegte Wochen in Öffentlichkeitsarbeit, wofür vorher keine Zeit da war.
Kurzfristig den Plan umwerfen, neu denken, das scheint ihre Stärke, doch, sagt Clara von Verschuer, „die habe ich genau von diesen Frauen gelernt.“
Jetzt ist eine Webseite da. Privatleute können einfach Kontakt zum Lieferservice aufnehmen per Anruf oder E-Mail.

Eine erfolgreiche Testphase ist gerade abgeschlossen: ZAFRAN Catering lieferte Tagesmenüs an drei Tagen in der Woche zu Menschen nach Hause. Die es ausprobiert haben, sind des Lobes voll: Dreimal köstlich, wird da gerufen.

Für die nächste Phase steht an, erst einmal mit weniger aufwändigem Bestell- und Lieferangebot für Gebäck und Torten weiterzumachen. Clara von Verschuer ist zuversichtlich: „Es wird schon fortlaufend entspannt bei uns bleiben.“

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