Die Pfeifferhanns-Linden: Ein Johannstädter erinnert sich

eingestellt am 27.11.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Foto: Günther Seidel

Dr. Ing. Wolfgang Lange erinnert sich an die Mitte der 70er Jahre, als er die Linden entlang der Pfeifferhannsstraße pflanzte. Da war die Johannstadt noch eine graue Wüste. Die Schößlinge stammten vom Elbufer. In trockenen Zeiten versorgte Herr Lange sie mit Wasser. Die Bäume mussten mittlerweile der Aldi-Baustelle weichen. Eine Anekdote im Wortlaut.

Ich habe hier in Dresden studiert. Als ich fertig war mit meinem Studium, 1967, gab ein Studienfreund aus Leipzig hier seine Wohnung auf und durch Ringtausch in der Republik haben wir eine Wohnung hier in Dresden bekommen. Nach einigen Jahren hatte ich auch das Glück, eine Neubauwohnung zu bekommen.

Foto: Günther Seidel

Die Johannstadt: Absolute Leere

Alles, was hier in der Johannstadt war, war eine einzige Brachfläche. Wir hatten in der Neustadt gewohnt, nahe der Martin-Luther-Kirche und wenn wir am Sonntag runter zur Elbe gegangen sind, zum Rosengarten, dann war dort drüben nichts. Absolute Leere. Das ist ab 1970 etwa dann sehr zügig aufgebaut worden. Sie sehen auch, wenn Sie durch die Stadt gehen, dass wir in der Stadt selber verschiedene Baustile haben. Sehr schön ist es geworden – nach meiner Auffassung – wenn Sie die Grunaer Straße, also vom Zentrum bis zum VW-Werk entlang gehen auf der linken Seite. Die Häuser und auch der Hintergrund – das ist ein richtiger Anschluss an den Bau in den 30er Jahren. […]

Foto: Günther Seidel

Hier war also diese große Fläche. Da standen noch zwei ehemalige Fabrikgebäude innerhalb der Wohnbebauung. In diesem Viertel haben wir also gewohnt. Wie es so war, gab es vieles über Administration. Wir wohnten in der ersten Etage und bekamen das sogenannte Hausbuch in die Hand gedrückt. Wenn dann irgendetwas war, Umzug oder so, wurde das eingetragen. Wenn jemand – vor allem aus aus dem Westen – kam, musste der sich bei der Polizei anmelden und sich aber auch ins Hausbuch als kurzzeitiger Besucher eintragen. Damit die Staatsmacht Bescheid wusste. Das gehörte zu einem diktatorischen Staat mit dazu. […]

Bäume gegen die Trostlosigkeit

Wir wohnten dort, was jetzt die schöne Pfeifferhannsstraße ist, wo Aldi auch dran baut. Die hatte aber noch keinen Asphaltbelag. Das war eine staubige Angelegenheit. Auf dem Umland gegenüber standen zwei Häuser und dann wuchs ein bisschen wildes Gras. Ungefähr so, wie wenn sie in Richtung altes Plattenwerk gehen. Das war für unseren Stadtteil und die Stadt Dresden eine sehr große Vorfertigung. Reste sind da gar nicht mehr, außer ein paar Betonplatten.

[…]Ich hatte mich bereit erklärt, die Hausgemeinschaftsleitung zu übernehmen. Wir waren vier oder fünf Leute und haben uns um Kleinigkeiten gekümmert, dass die Ordnung in den Häusern hergestellt wurde. Wir mussten ja zum Beispiel selbst Schnee schippen im Winter. Das sollte auch eine kleine Hilfe sein. Immerhin waren wir 43 Familien, die miteinander gar nichts zu tun hatten. Daraufhin hat mich der Wohnbezirksausschuss angesprochen, in dem ich dann Mitglied wurde.

Wir hatten uns dann überlegt, irgendwas zu machen, weil es bei uns so trostlos aussah. Und da haben wir beschlossen, ein paar Bäume zu pflanzen. Wir haben aber niemanden gefragt, sondern das auf eigene Kappe gemacht.

Foto: Günther Seidel

Wir hatten zwei Aktionen. Wir haben einmal vor dem Haus, wo die Baustelle ist da entlang und auch dort, wo die Pfotenhauerstraße ist, Linden gepflanzt. Diese Bäume haben wir von der Böschung an der Albertbrücke geholt, wo immer der Flohmarkt ist. Da entlang ist eine Lindenallee und die Linden haben aus der Böschung neue Pflanzen getrieben. Dort haben wir einzelne kräftige Pflanzen ausgegraben und die dann in Reih‘ und Glied angepflanzt.

Mit Fleiß wuchsen die Bäumchen heran

Die Bäume haben wir auf Trümmer gepflanzt. Beim Ausgraben fanden wir unter der Grasnarbe, sofern eine da war, Ziegelsteine. Reste vom Abbruch, was alles beim Krieg kaputt gegangen war. Dieses Zeug wurde vor unserer Zeit in etwa dort, wo diese Segelstation unterhalb des Käthe-Kollwitz-Ufers ist, aufgeschüttet auf einen alten Trümmerberg. Es gibt ja verschiedene. Ein Trümmerberg ist ja auf der ehemaligen Vogelwiese an der Waldschlößchenbrücke. Auf diesen Trümmern hatten wir unsere Bäume gepflanzt.

Zum Glück war an jedem Haus ein Wasserhahn. Wasser war da und auch günstig und es wurde nicht gemeckert. Da war ich der einzige – da muss ich mir mal auf die Schulter hauen – der dort in trockenen Zeiten beinahe täglich zehn bis zwanzig Eimer Wasser an die Bäume geschüttet hat. Denn durch den Untergrund ist das Wasser immer gleich weg gelaufen. Mit Fleiß sind darauf schöne Bäume entstanden.

[…] Viele guckten raus und dachten sich wohl, was das für ein Dummkopf ist, der mit Eimern da rum läuft. So ist das. Bei manchen Sachen habe ich ein dickes Fell und manchmal bin ich sehr dünnhäutig.

So haben wir mit Fleiß die Bäumchen groß gekriegt. Einige sind auch kaputt gegangen und wurden von der Stadt nachgepflanzt. Deswegen stehen dort auch ein paar Ahorne drin.

Anmerkung der Redaktion: Aldi hat mittlerweile sieben neue Linden gepflanzt anstelle der gefällten gepflanzt.

Bäume in der Johannstadt