Weisser Ring e.V.: Hilfe bei vorgegaukelter Liebe

eingestellt am 18.02.2021 von Philine Schlick, Headerbild: Das Landesbüro des Weisser Ring e.V. an der Burckhardtstraße. Foto: Philine Schlick

Im vergangenen April öffnete das Landesbüro des Weisser Ring e.V. in der Johannstadt seine Pforten – und auch wieder nicht, denn Corona schränkte die physische Erreichbarkeit ein. Der Verein ist gerade wegen der Krise jedoch eine wichtige Anlaufstelle im Viertel geworden. Besonders ein Phänomen hält das Team auf Trab. 

Der Weisser Ring e.V. setzt sich für Menschen ein, die Opfer von Kriminalität wurden. Das Spektrum reicht vom Unfall bis zum körperlichen Übergriff. Was für Außenstehende gelegentlich nach “Glück im Unglück” aussehen mag, hat für Betroffene meist weitreichende Auswirkungen.

Umstellung auf digitale Beratung

Der Weisser Ring e.V. mit Sitz in Mainz arbeitet deutschlandweit und ist eng mit Rechtsanwälten, Gerichten und Beratungsstellen vernetzt. „Der Hauptteil unserer Arbeit basiert auf dem Ehrenamt“, sagt Lucia Groß. Ehrenämtler*innen stehen Hilfesuchenden zur Verfügung: Beratend und begleitend auf Behörden- und Ämtergänge.

“Wir fühlen uns sehr wohl in den neuen Büroräumen in der Johannstadt. Gleich zu Beginn haben wir gemerkt, dass uns hier eine erhöhte Aufmerksamkeit zuteil wurde und auch weiterhin wird. Dies zeigt sich nicht nur am Anstieg der Anfragen von Betroffenen von Gewalt und Kriminalität, sondern ebenfalls am personellen Zuwachs des ehrenamtlichen Team der Außenstelle Dresden”, berichten die Leiterinnen des Landesbüros.

“Durch die Pandemie sind auch wir, was persönliche Beratungsgespräche betrifft, eingeschränkt. Wir haben uns sehr schnell auf digitale und telefonische Beratung umgestellt. Dies funktioniert sehr gut, da sich die Hilfesuchenden ebenso auf die aktuelle Situation einstellen mussten. Nichtsdestotrotz sind unsere Hoffnungen groß bald wieder in den Normalbetrieb übergehen zu gehen”, so Lucia Groß und Jane Müller.

Warnung vor Love Scamming

Durch die Krise spielt sich das soziale Leben verstärkt hinter geschlossenen Fenstern und Türen ab. Die Pandemie ist geprägt von Rückzug und Isolation – ein Problem besonders für ältere alleinstehende Menschen, berichten die Frauen. Ein weiteres Phänomen, das häufig zutage tragt, ist das sogenannte “Love Scamming.”

“Im Deutschen würde man das mit dem Vorgaukeln von Zuneigung und Liebe umschreiben. Wenn man so viel Zeit alleine vor dem Rechner verbringt, dann hat das Auswirkungen auf das Sozialverhalten”, erläutern Lucia Groß und Jane Müller.

Die Masche sei fast immer die gleiche: Ein kurzer Chat oder eine nette Mail von einem Unbekannten in den sozialen Netzwerken oder auf Partnerbörsen öffnen die Tür zum Herzen der Betroffenen. Männer stellen sich oft als Ingenieur, Architekt, Computerspezialist oder US-Soldat vor, sprechen in der Regel gutes Englisch, arbeiten angeblich im Ausland und verdienen dort angeblich reichlich Geld. Durch ihre galante und einfühlsame Art machen sie sich im Alltag der Chat-Partnerin unverzichtbar. Schnell werden die Kontakte immer enger und länger und führen zu stundenlangen Telefonaten.

Dann aber, ganz plötzlich, tritt ein Problem auf. „Klassisch“ ist der Diebstahl von Kreditkarten und Ausweisen oder ein Überfall – und schon wird um Überbrückungshilfe durch Geldtransfer gebeten. Dabei wechseln oft unglaublich hohe Beträge den Besitzer oder die Besitzerin, warnt der Weisse Ring in einer Pressemitteilung.

Weisser Ring rät zur Anzeige

Auch Männer sind betroffen. Hier sind es oft angebliche Krankenschwestern, Ärztinnen, Lehrerinnen oder Geschäftsfrauen, die sich äußerst attraktiv präsentieren und schließlich ihre Gesprächspartner mit einem vorgeschobenen finanziellen Problem konfrontieren.

Neben dem finanziellen Schaden birgt diese Form das Risiko der emotionalen Verletzung und den Schmerz des Vertrauensbruchs.

Auch die sächsische Polizei kennt das Problem schon seit geraumer Zeit. Sie hat auf ihrer Webseite wichtige Informationen zusammengetragen. Wer den Verdacht hegt oder einem Fall von Love Scamming bereits zum Opfer gefallen ist, kann sich jederzeit den Weisser Ring e.V. wenden. Den Betroffenen wird geholfen, das Erlebte einzuordnen und die Rechtssituation zu klären. Der Weisse Ring rät in diesen Fällen dringend zur Erstattung einer Anzeige. Seine ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen stellen sich gern als Begleitung zur Verfügung.

Mit dem anklingenden Frühjahr scheint sich auch der Lockdown zu öffnen: “Für 2021 erhoffen wir, dass möglichst viel persönliche Betreuung wieder angeboten werden kann. Unserer Ehrenamtlichen vermissen diesen Teil ihres Ehrenamtes sehr”, sagen Lucia Groß und Jane Müller. Nicht nur für Beratungen hofft der Landesverband auf persönliche Begegnung: Er wird in diesem Jahr 30 Jahre alt. Kein kleiner Grund zum Feiern, aber ob das möglich sein wird …?  “Wir wissen heute noch nicht, was an Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Geburtstag möglich sein wird.”

Weisser Ring e.V.

  • Landesbüro Sachsen, Burckhardtstraße 1
    01307 Dresden
  • Telefon: 850 744 96
  • Fax: +49 351 850 744 98
  • lbsachsen@weisser-ring.de

Beistand in der Krise – Das Landesbüro des Weisser Ring e.V. in der Johannstadt

eingestellt am 24.04.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Das Landesbüro des Weisser Ring e.V. an der Burckhardtstraße. Foto: Philine Schlick

Der Weisser Ring e.V. hat ein Ladenlokal an der Ecke Hertel-/Burkhardtstraße in der Johannstadt bezogen. Jane Müller und Lucia Groß leiten das Landesbüro, von dem aus Beratungen in ganz Sachsen koordiniert werden. Die Frauen schätzen den neuen Standort. Große Schaufenster weiß getönt: Die Arbeit des Weissen Ring basiert auf der richtigen Balance aus Transparenz und Unsichtbarkeit.

“Unser Standort kann nicht in der Peripherie der Stadt liegen”, sagt Lucia Groß im Telefoninterview. Zentral und leicht zugänglich sollte das Büro des Landesverbandes des Weisser Ring e.V. gelegen sein. Der Verein engagiert sich für Menschen, die unverschuldet Opfer von Gewalt geworden sind. Ein Thema, das einen festen Platz in der Gesellschaft hat und dennoch häufig mit Tabus belegt ist.

Die richtige Adresse

Seit Oktober ist der Verein im Viertel ansässig. Vorher, erzählt Lucia Groß, teilte man sich gemeinsam mit dem DRK einen Standort an der Bremer Straße. “Wir sind jetzt besser sichtbar”, freut sie sich. “Zentral gelegen, gut mit dem ÖPNV zu erreichen und mit Laufpublikum auf Augenhöhe.” Sie sei zudem glücklich, in einem Stadtteil tätig zu sein, der sich durch ein weitgefächertes bürgerliches Engagement auszeichne.

Umfänglich gestartet ist die Arbeit des Weisser Ring e.V. durch Verzögerungen bei den Bauarbeiten erst im Januar. Seit kurzem sind die großen Glasscheiben milchweiß beklebt. Ein wichtiger Schritt für Hilfesuchende, die sich im Inneren bei Beratungen jetzt unbeobachtet und sicher fühlen können. “Es ist weit verbreitet, dass Opfer von Gewalt oder Missbrauch ihrerseits eine große Scham empfinden”, sagt Lucia Groß. Die Möglichkeit der Anonymität gibt Geborgenheit. “Viele wählen auch bewusst den Weissen Ring aus, weil er nicht staatlich, sondern privat ist”, berichtet Groß.

“Sie müssen jetzt zur Polizei. Jetzt!”

Der Weisser Ring e.V. mit Sitz in Mainz arbeitet deutschlandweit und ist eng mit Rechtsanwälten, Gerichten und Beratungsstellen vernetzt. “Der Hauptteil unserer Arbeit basiert auf dem Ehrenamt”, sagt Lucia Groß. Ehrenämtler*innen stehen Hilfesuchenden zur Verfügung: Beratend und begleitend auf Behörden- und Ämtergänge.

Aufgrund der Coronakrise können momentan nur eingeschränkt Beratungen stattfinden. Die “große Welle” an Hilfegesuchen erwartet die Mitarbeiter*innen des Weisser Ring e.V. nach weiteren Lockerungen der Einschränkungen, schätzt Lucia Groß.

Die Ausnahmesituation ziehe private Konflikte nach sich. “Die Nerven liegen blank”, bestätigt sie. “Und viele Probleme, die sich in der Alltagsroutine verdrängen ließen, kommen jetzt zutage.” Die Mitarbeiter*innen des Weisse Ring e.V. leisten auch während der Krise Beistand.

“Den Menschen hilft auch schon, wenn man zuhört”, berichtet Groß aus Erfahrung. “Manchmal fehlt auch nur eine Bekräftigung, ein Satz wie: ‘Sie müssen jetzt zur Polizei gehen. Jetzt!’, damit sich der Knoten löst.” In weniger schwerwiegenden Konstellationen geben die Berater*innen Mut und Strategien zum Aushalten des Konflikts.

“Sie sind nicht allein”

“Jeder soll zu seinem Recht kommen”, sagt Lucia Groß. Oftmals ist die Furcht vor Kosten ein gewichtiger Hemmschuh für Gewaltopfer. Der Verein kommt für anwaltliche Erstberatungen, aber auch für weitere anfallende Kosten auf. Das betrifft z.B. die Kompensation von Verdienstausfällen nach zugefügten Verletzungen oder die Kosten für die in die Brüche gegangene Brille gemäß dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).

Grundlegend wichtig bei der Beratung sei das Gefühl der Akzeptanz und des Aufgehobenseins. Vielen Klienten sei bereits ein großes Stück geholfen, wenn sie erfahren, dass sie mit ihren verletzenden Erlebnissen nicht allein sind. Und dass sie nicht erdulden müssen, was vorgefallen ist oder geschieht, so Lucia Groß.

“Huckepack” für Hilfesuchende

Neben den materiellen Einbußen steht der Verein bei der Bewältigung psychischer Schäden zur Seite. Wohnungseinbrüche, Disko-Schlägereien, Überfälle, Mobbing in der Schule oder im Internet hinterlassen Verletzungen, die heilen müssen. Gefühle der Ohnmacht, der Angst, des Kontrollverlustes brauchen (therapeutische) Angebote, um die Geschädigten wieder lebens-mutig zu machen.

“Manchmal ist es ein Selbstverteidigungskurs, der gut tut. Manchmal muss es ein Psychologe sein”, weiß Lucia Groß. Auf diesen Wegen begleitet der Weisser Ring e.V. “Unsere Kollegen nehmen die Menschen ‘Huckepack'”, sagt die Leiterin.

Ein neues, weites Feld sei der Bereich des Mobbings und der Verbrechen im Internet. Identitätsdiebstahl ist ebenso ein Akt der Gewalt wie das unberechtigte Teilen eines intimen Fotos. “Die Polizei hat da wirklich aufgeholt in den letzten Jahren”, spricht sich Luca Groß lobend aus. Das Thema werde auch von Berater*innen an Schulen immer mehr aufgegriffen. Aufklärung ist nötig – und das Wissen, dass es sich um Taten handelt, die Mitmenschen immensen Schaden zufügen können.

Weisser Ring e.V.

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