Öffentliches Gedenken an Marwa El-Sherbini am 3. Juli 2023

eingestellt am 28.06.2023 von Andrea Schubert (Stadtteilverein), Headerbild: Eine Gedenkfeier, die der Verlebendigung dient, so klingt der Tenor der diesjährigen Veranstaltung zum Todestag von Marwa El-Sherbini in der Johannstadt Foto: Anja Hilgert

Mit einer Gedenkfeier wird am Montag, 3. Juli 2023, um 14 Uhr vor dem Landgericht Dresden an der Lothringer Straße an Marwa El-Sherbini erinnert.

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Unvergessen: Frau Schuch

eingestellt am 07.11.2021 von Philine Schlick, Headerbild: Doris Schuch. Foto: Torsten Birne

Vielen war sie wohl aufgefallen in den letzten Wochen: die klaffende Lücke, die das gelbe Auto von Doris Schuch neben der Konsum-Halle hinterließ. Sie wird sich nicht schließen. Wir trauern um eine starke Frau, tüchtige Gärtnerin und seltene Blume.

Frau Doris Schuch aus Weinböhla gehörte mit ihrem gelben Verkaufsauto zur Johannstadt wie die vier Jahreszeiten. Bei Wind und Wetter stand sie, die Hände rau und erdgefärbt, zwischen Konsum und Hochhaus an der Pfotenhauerstraße und reichte selbst angebautes Obst und Gemüse über den Tresen. Eine tatkräftige, bodenständige Frau, wacker und zuversichtlich. Nie um einen kessen Spruch verlegen, zugewandt, auf das Wesentliche besonnen. Eine Frau, der das Wachsen am Herzen lag, die von ihrer reichen Ernte abgab und nie versäumte, die Blumen am Wegesrand zu würdigen.

Am Freitag erreichte die Stadtteilredaktion nun die traurige Kunde: Frau Schuch ist verstorben. Sie hatte sich nach langer Krankheit zurück  gekämpft und es grünte Hoffnung. In Anteilnahme war ihre Kundschaft ihr verbunden, als sie an ihren letzten Markttagen vom erneuten Ausbruch ihrer schweren Krankheit berichtete. Dann blieb ihr Fleckchen leer.

Doris Schuch in ihrem Marktauto. Foto: Philine Schlick

Wie viele Zwiebelchen von ihr ruhen jetzt in der Erde und warten auf den Frühling? Wie viele Azaleen, Primeln und Alpenveilchen werden in ihrem Namen wieder erblühen? Frau Schuch als Pflanzenflüsterin wusste um die Wichtigkeit von Wurzeln, die Kraft der unscheinbaren Knollen, die Mühe, die einzelne Blüten kosten. Sie überreichte nicht nur Obst und Gemüse, sondern die Früchte ihrer Arbeit, Wissen, Stärke, Gesundheit und große Stücke kleinen Glücks. Werte, die unvergesslich sind.

Frau Schuch, die Johannstadt wird sie vermissen. Wir sind traurig und schmerzerfüllt, wir senden unsere Klagen in den kalten Novemberwind. Aber wir wollen auch im Frühling Ihrer gedenken, wenn sich mit neuerlicher Kraft die Schneeglöckchen durch die Eiskruste stemmen. Wir wollen Ihrer gedenken im Sommer, wenn die Kirschen prall werden und die Äpfel rote Backen bekommen. Im Herbst, wenn die Erde Kartoffeln schenkt und im Winter, wenn der Grünkohl auf den Tellern dampft. Wir gedenken mit Ihnen den Schätzen des Lebens und danken Ihnen für alle, die sie mit uns geteilt haben.

Ein neuer Stolperstein für die Johannstadt

eingestellt am 21.07.2021 von Philine Schlick, Headerbild: Stolperstein für Eva Stein an der Elsasser Straße 5. Quelle: Wikipedia

Am Mittwoch und Donnerstag verlegen Mitglieder der Initiative Stolpersteine für Dresden e. V. zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus 33 Stolpersteine vor 18 Häusern. Auch die Holbeinstraße in der Johannstadt bekommt einen neuen Stolperstein.

Seit 1992 erinnert der Künstler Gunter Demnig mit goldenen Stolpersteinen an Menschen, die während des Nationalsozialismus verfolgt, deportiert, ermordet, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. In Dresden wurden bereits 259 Stolpersteine an den letzten Wohnorten von Opfern des Nationalsozialismus verlegt.

Stolperstein für die Holbeinstraße

„Die Stolpersteine sind ein Versuch, die traumatische Geschichte der Deportation und Vernichtung jüdischer Mitbürger in unserer Stadt während der NS-Diktatur sichtbar zu machen. Ich danke den Initiatoren für dieses Engagement. Angesichts des wachsenden Antisemitismus haben wir als Nachgeborene die Aufgabe, immer wieder an das Schicksal der Opfer zu erinnern und nicht zu vergessen”, so Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch.

Diese Woche werden in der Landeshauptstadt 33 weitere Stolpersteine vor 18 Häusern angebracht. Am Donnerstag um 13.15 Uhr ist es an der Holbeinstraße 48 so weit. Der goldene Stein trägt den Namen “Caro”.

Die öffentliche Feierstunde anlässlich der Verlegung von Stolpersteinen 2021 findet später um 19 Uhr in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Klemperer-Saal, Zellescher Weg 18 statt.

Stolpersteine in der Johannstadt

  • www.stolpersteine-dresden.de
  • Dürerstraße 10: Sara Altbach, Josef Altbach
  • Wallotstraße 7: Ella Deutsch; Deutsch / Hirsch
  • Hopfgartenstraße 7: Otto Ernst Faber
  • Georg-Nerlich-Straße 2: Bedřich Fantl; Brigitte Fantl, Helene Fantl, Leo Fantl
  • Georg-Nerlich-Straße 4: Fritz Meyer, Harry Meyer, Heinz Meyer, Johanne Meyer
  • Striesener Straße 38a: Malwine Hann, Sigmund Hann
  • Marschnerstraße 21: Alexandrine Kastner, Otto Kastner, Hans-Werner Kastner
  • Lortzingstraße 1: Hildegard Rau
  • Fetscherstraße 34: Thekla Schindler, Ernst Schindler
  • Elsasser Straße 5: Eva Stein
  • Pfotenhauerstraße 16: Berta Steinhart, Herbert Steinhart, Oskar Steinhart

„Lebendige Bibliothek“ zum Gedenken an Marwa El Sherbini

eingestellt am 30.06.2021 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Eine Gedenkfeier, die der Verlebendigung dient, so klingt der Tenor der diesjährigen Veranstaltung zum Todestag von Marwa El-Sherbini in der Johannstadt Foto: Anja Hilgert

Am 1. Juli 2021 lädt die Initiative „Gedenken.Erinnern.Mahnen“ anlässlich des zwölften Gedenktags an Marwa El Sherbini zu zwei Veranstaltungen ein, die von Akteuren aus Zivilgesellschaft und Verwaltung gemeinsam organisiert worden sind.
Dazu wird ganztägig ein Gedenkbanner in dem nach Marwa El Sherbini genannten Park vor dem Gerichtsgebäude zu sehen sein.

 

War 2020 zur Abstimmung in den Stadtrat eingereicht worden: Der Name Marwa El-Sherbinis für den Platz vor dem Landgericht Foto: Anja Hilgert

Kundgebung vor dem Tatort

 

Vor dem Landgericht, Lothringer Straße beginnt um 10 Uhr eine Kundgebung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung und des Ausländerrates Dresden e. V..
Die Ägypterin Marwa El Sherbini wurde 2009 während einer Gerichtsverhandlung im Dresdner Landgericht ermordet. Das Motiv für die Tat: Antimuslimischer Rassismus.

Die offiziellen Teilnehmenden sind Staatssekretär und Amtschef Mathias Weilandt, die Zweite Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Dresden, Annekatrin Klepsch, der Anwalt der Familie El-Sherbini, die Vorsitzende des Ausländerrates Dresden e.V., Eter Hachmann und Dr. Hussein Jinah vom Integrations- und Ausländerbeirat.

 

„Lebendige Bibliothek“ im Johannstädter Kulturtreff

Von 17 bis 19 Uhr lädt eine „Lebendige Bibliothek“ im Johannstädter Kulturtreff, Elisenstraße 35, zu einer Lektüre persönlicher Art ein. Sieben Frauen werden als „lebendige Bücher“ über ihre persönlichen Erfahrungen mit Rassismus, Diskriminierung und gesellschaftlicher Teilhabe sprechen.

Die „Lebendige Bibliothek“ ist ein Gesprächsformat, bei dem Menschen zu „lebendigen Bücher“ werden. Diese „lebendigen Bücher“ sind gesprächsbereit, das heißt sie beantworten Fragen und stellen auch selbst Fragen. Eine „Lebendige Bibliothek“ funktioniert im Grunde wie eine gewöhnliche Bibliothek: Man leiht sich ein „lebendiges Buch“ aus, lernt es kennen und gibt es schließlich wieder zurück. Vielleicht bekommt man dadurch Lust, sich danach gleich ein weiteres „lebendiges Buch“ auszuleihen.

Hintergründe 

Marwa El Sherbini hatte sich auf einem Spielplatz in der Dresdner Johannstadt gegen rassistische und antimuslimische Beleidigungen gewehrt. In der Gerichtsverhandlung gegen den Täter am 1. Juli 2009 war die in Dresden lebende Ägypterin als Zeugin geladen. Vor den Augen ihrer Familie wurde die Frau und Mutter im Gerichtssaal vom Angeklagten ermordet. Marwa El-Sherbini wurde nur 31 Jahre alt.

 

Auf der Gedenkfeier zu Ehren Marwa El-Sherbnis am 1.Juli im elften Jahr nach dem Mord. Foto: Anja Hilgert

Zum zehnten Mal: Das Marwa-El-Sherbini-Stipendium 2021

Zum vierten Mal lobt der Freistaat Sachsen und die Landeshauptstadt Dresden  in Kooperation mit DRESDEN-concept e. V.  zum 1. Oktober 2021 das Stipendium zum Gedenken an Marwa El-Sherbini aus.
Sie setzen damit ein Zeichen für Weltoffenheit, Toleranz und gesellschaftliche Vielfalt: „Mit dem Stipendium fördern wir junge Menschen, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, politisch engagiert bzw. interessiert sind und sich für Freiheit, Demokratie sowie die Grund- und Menschenrechte aktiv einsetzen,“ sagt Oberbürgermeister Dirk Hilbert.

Gefördert werden für die Dauer von bis zu zwei Jahren (in der Regel vier Semester) Studierende in einem Masterstudiengang (oder in gleichwertigen Diplom-, Magister- usw. Studiengängen) an einer Dresdner Hochschule.
Voraussetzung ist ein abgeschlossener Bachelor-Abschluss oder ein Abschluss in einem einstufigen akademischen Studiengang (Diplom, Magister, Staatsexamen) .

Die Auswahl der zukünftigen Stipendiaten ist mit dem Gedanken der Chancengerechtigkeit verbunden. Nicht ausschließlich, aber insbesondere berücksichtigt werden daher ausländische Studierende und Menschen mit Migrationshintergrund. Bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung werden Menschen mit Behinderung bevorzugt berücksichtigt.

Bewerbungsfrist ist der 31.August 2021.

Weitere Informationen

 

Gedenken in Einzellichtern –  Abwandlungen zum Dresdner Jahrestag des 13.Februar

eingestellt am 13.02.2021 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Das Gedenken an die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg wird in diesem stillen Februar auf wenige, deutliche Konturen gebracht

Wie zur Bestärkung, dass dieses Jahr alles anders ist, bleibt die weiße Decke frostsicher auch bis zum 13.Februar 2021 erhalten. Als böte sich der beharrliche Schnee als Gehilfe an, die diesjährigen, pandemiebedingt zurückhaltenderen Feierlichkeiten zum Gedenken an die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg auf seine Art zu begleiten.
Verlangsamung, Klärung, Stille, Innehalten – das alles sind Qualitäten in Weiss, die der Aufgabe des Er-innerns, wie es der Jahrestag der Luftangriffe auf Dresden am 13.Februar 1945 anstößt, in besonderer Weise zugute kommen. Vor weißem Hintergrund bildet sich alles detailgenau, mit scharfen Konturen wie bei bestem Licht besehen ab. Die diesjährige Erinnerungskultur will Zeichen des einzeln Sichtbaren, auch von zuhause aus setzen.

Erinnerungskultur unter Widrigkeiten

Das gemeinsame Anliegen aller Beteiligten ist es, ein Zeichen für den Frieden und gegen Gewalt und Kriegsherrschaft zu setzen. Dass am Dresdner Gedenktag auch nach 76 jähriger Wiederkehr nichts dem üblichen Gang überlassen wird, stellt der diesjährige 13.Februar mit trotzender Initiativkraft unter Beweis.
Unter allen Akteuren in der Landeshauptstadt, die zum alljährlichen Gedenken aufrufen, darunter die AG 13. Februar wie auch Vertreterinnen und Vertreter der Dresdner Kirchen, der ehrenamtlichen und zivilgesellschaftlichen Dresdner Erinnerungskultur, der städtischen Kultureinrichtungen, der Gedenkstätten sowie der Vereine, Verbände und Initiativen, herrschte Einigkeit, dass Veranstaltungen zum Jahrestag mit aller Präsenz stattfinden, wenn auch aufgrund der gegenwärtig sehr angespannten Pandemielage unter völlig anderen Voraussetzungen. 

Erinnerungslicht im Fensterrahmen – Foto: Anja Hilgert

Einzellicht statt Menschenkette 

Gerade die symbolträchtig gewordene Menschenkette durch die Dresdner Innenstadt muss in diesem Jahr untersagt bleiben. Bürgerinnen und Bürger sind aufgerufen, gemäß der Schutzverordnungen zuhause zu bleiben und Menschenansammlungen zu meiden. Diesjährige Veranstaltungen bauen auf die Verinnerlichung der Verbundenheit.
Die Menschen, die sich sonst in die Menschenkette eingereiht hätten, sind dieses Jahr aufgerufen, mit einer Kerze im Fenster vom eigenen Zuhause aus den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft zu gedenken und symbolisch die Bereitschaft zur Versöhnung in die Welt auszusenden.

In Stadtteilen wie der Johannstadt sind die Spuren der radikalen Kriegszerstörung besonders sichtbar. In den riesigen Blöcken von Neubauten, die in einem Zuge gestemmt wurden, um der Bevölkerung wieder ein Quartier und ein Zuhause zu stiften, liegen Verlust und Trümmer der Kriegsjahre im Fundament. Großflächig ragen die Neubauten hoch hinaus über die Fläche. Noch einige wohnen hier, die die Zerstörung der Dresdner Luftangriffe als Kinder erlebt haben. Hier würden Fensterkerzen wie in Reihe geschaltet leuchten.

Fassaden der Stadt erleuchten für Menschlichkeit

Nach dem Motto „Wir reichen uns die Hände und bleiben trotzdem zu Hause“ gibt es nach dem Aufruf der Stadt Dresden dieses Jahr eine virtuelle Menschenkette, die ab 18 Uhr als Fassadenprojektion in der Altstadt sichtbar wird.

Wer mitmachen wollte, konnte bis zum 10. des Monats ein Foto von sich,  im Hochformat mit den Armen links und rechts vom Körper – so, wie man in der Menschenkette stehen würde – auf der städtischen Webseite hochladen. Mehr als 1.200 Personen beteiligen sich mit ihrem Foto an der virtuellen Menschenkette zum 13. Februar 2021, um so zu zeigen, dass sie zwar nicht vor Ort, aber dennoch sichtbar sind.
In zehn Minuten zwischen 18 Uhr und 18.10 Uhr, sowie in stündlicher Wiederholung bis 22.10 Uhr, erscheinen die eingereichten Fotos der Bürgerinnen und Bürger an den Fassaden sechs markanter Dresdner Gebäude in der Innenstadt: Synagoge, Frauenkirche, Kreuzkirche, Rathaus, Schauspielhaus und Staatskanzlei. Für jeden Ort gibt es eine Sammlung mit rund 200 Fotos. Jedes Foto ist in den zehn Minuten also drei Sekunden zu sehen. Dann “ziehen” die Foto-Sammlungen weiter zum nächsten Gebäude, so dass zu jeder Stunde an den Gebäuden eine andere Fotosammlung zu sehen ist. 

Die eingereichten Fotos stammen nicht nur von Einheimischen, sondern beispielsweise auch von gebürtigen Dresdnern aus anderen Städten und dem Ausland, ebenso wie von Menschen, die der Stadt sehr eng verbunden sind. Darunter sind auch zahlreiche Einsendungen aus den Dresdner Partnerstädten, was der Aktion „eine Form des Einstehens für Menschlichkeit heute“ gibt, so Oberbürgermeister Dirk Hilbert.

Zentrales Leuchten auf dem Altmarkt-Marktplatz

Die virtuelle Menschenkette lässt sich auch live verfolgen. Eine Lichtinstallation auf dem Altmarkt übersetzt die Zugriffszahlen der Bürgerinnen und Bürger auf den Livestream auf 13februar.dresden.de in Lichtstärke. Je mehr Menschen ab 18 Uhr zuschauen, desto deutlicher wird ein Lichtband auf dem Altmarkt sichtbar. Jede Teilnahme am Bildschirm zählt. Es ist eine öffentlich sichtbare Ermutigung der Stadt an ihre Bewohnerinnen und Bewohner, sich als Menschengemeinschaft für den Frieden und die Wahrung der Menschenrechte einzusetzen.

Joachim Klement, Intendant des Staatsschauspiels Dresden nennt die Erinnerungen an den 13. Februar und die jahrzehntelangen Auseinandersetzungen um die Interpretation dieses Ereignisses „Teil der zivilgesellschaftlichen Emanzipation unserer Stadt. Dabei hat das bürgerschaftliche Gedenken in Dresden dazu beigetragen, ein selbstkritisches und selbstbewusstes Bild von sich zu entwickeln. Deshalb kann dieses Datum heute nicht mehr einseitig vereinnahmt werden.“

Auf dem Weg zu den alljährlichen Demonstrationen Foto: Philine Schlick

Lichtsignal gegen rechte Versammlungen

Das Lichtsignal auf dem Dresdner Marktplatz soll bekräftigen, dass ein friedliches Miteinander aktiv von einem breiten zivilgesellschaftlichen Konsens getragen und nicht durch Einzelne zu brechen ist.
Da die Sächsische Corona-Schutz-Verordnung zum jetzigen Zeitpunkt Versammlungen mit bis zu 1.000 Teilnehmern erlaubt, ist, wie Oberbürgermeister Dirk Hilbert sagt, damit zu rechnen, „dass rechtsradikale Kräfte diese Situation ausnutzen, um die Zerstörung Dresdens für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Die AG 13. Februar und viele weitere Akteure der Zivilgesellschaft haben sich intensiv darüber Gedanken gemacht, wie es uns als Stadtgesellschaft in der aktuellen Situation dennoch gelingen kann, diesen Missbrauch nicht unwidersprochen stehen zu lassen.“ 

Medial inszeniert soll das Zeichen der Verbundenheit mutmachend sein, sich jeglicher Form von körperlicher wie psychischer Gewalt und allen Formen von Diskriminierung mit der Kraft der eigenen Intelligenz entgegenzustellen. Dazu betont die Rektorin der Technischen Universität Dresden Prof. Dr. Ursula M. Staudinger: „Den stärksten Ausdruck fand dieses Gedenken in der Menschenkette, die gleichzeitig ein eindeutiges Symbol des Erinnerns, aber auch des Verstehens gewesen ist. Rassismus, Hass und Hetze, so haben es die Dresdnerinnen und Dresdner immer wieder gezeigt, sollen keinen Platz in der Stadtgesellschaft haben“, und sie appelliert an die „Verantwortung, nicht nachzulassen aus der Vergangenheit zu lernen, um so dazu beizutragen, eine bessere Zukunft in unserem Land zu sichern.“

Abendstunde versammelt stilles Gedenken

Zur Abendstunde um 18 Uhr werden traditionell die Kirchenglocken einen Moment des stillen Gedenkens anläuten. Radio Dresden wird das Läuten der Glocken um 18 Uhr übertragen, verbunden mit der Hoffnung, „dass viele Menschen diese Minuten nutzen, um an die Opfer von Krieg und Zerstörung weltweit zu erinnern.“

Ebenso wird das traditionelle Gedenkkonzert der Dresdner Philharmonie ab 18.30 Uhr von Sachsen Fernsehen live übertragen (zeitversetzt auch ab 20.05 Uhr von den Radiosendern MDR Klassik und MDR Kultur), „als kraftgebendes Ritual und zur Stärkung des Gemeinsinns“, wie die Intendantin der Dresdner Philharmonie, Frauke Roth betont.

Eine Lichtkunstaktion im Rahmen von Weltoffenes Dresden erinnert an den Moment, in dem die Uhren am 13. Februar 1945 in Dresden stehengeblieben sind. Die grafische Lichtskulptur an der OSTRALE.Basis in Übigau statuiert dieses symbolhafte Bild und erinnert an die ewig mahnende Zeit.

 

Stille, Licht und Ewigkeit, gehüllt in die Farbe des Friedens – die Zeichen zum 13.Februar standen in Dresden nie so versöhnlich.

Weitere Informationen und
Livestream der virtuellen Menschenkette

 https://13februar.dresden.de/de/

Chronik eines angekündigten Todes – Im Gedenken an Marwa El-Sherbini

eingestellt am 06.07.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Auf der Gedenkfeier zu Ehren Marwa El-Sherbnis am 1.Juli im elften Jahr nach dem Mord. Foto: Anja Hilgert

Anja Hilgert und Mohammad Ghith al Haj Hossin haben die Gedenkveranstaltung zum elften Todestag der aus rassistisischen Motiven ermordeten Marwa El-Sherbini besucht. Entstanden ist eine Co-Produktion: Zwei bewegende Artikel aus unterschiedlichen Perspektiven. Lesen Sie im Folgenden die Eindrücke und Gedanken von Mohammad Ghith al Haj Hossin:

Der Schriftsteller Gabriel García Márquez hat einen tollen Roman geschrieben. Er heißt ‚Chronik eines angekündigten Todes‘. Es geht um den Mord eines Arabers mit Migrationshintergrund, Santiago Nassar, in einem kleinen kolumbianischen Dorf.

Alle Leute im Dorf wussten, dass Nassar von Zwillingsbruder Vicario getötet werden würde, aber niemand hat versucht, diesen Mord zu verhindern. Obwohl sie auch wussten, dass Nassar unschuldig ist. Sie ließen ihn alleine seinem tragischen Schicksal begegnen. Ist das Hasskriminalität? Es ist eine von vielen Interpretationen des Romans.

Halluzinationen fanatischer Menschen

Man fühlt sich am falschen Ort, wenn man nach seiner Herkunft, Religion oder Hautfarbe behandeln wird. Man kann diese Diskriminierung und diesen Rassismus nicht nur im fremden Land erfahren, sondern auch in seiner Heimat. Könnte es sein, dass eine Gesellschaft nur aus Weißen oder Schwarzen besteht? Kam es je vor in der Geschichte, dass es eine solche Gesellschaft gegeben hat? Gehören solche rassistischen Gedanken zur Realität oder nur zu den Halluzinationen fanatischer Menschen?

Diese Fragen bleiben immer offen, obwohl die Antworten sehr einfach sind: Nein, in der Tat gab es niemald es eine solche Gesellschaft. Es sind Halluzinationen fanatischer Menschen, die nur extreme Gruppen bilden können.

Gruppierung bei der Gedenkfeier am 1.Juli
Foto: Mohammad Ghith Al Haj Hossin

Es ist ein verletzendes Gefühl, das viele Narben in der Seele nach sich zieht, besonders für Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind. Wenn sie glauben, dass ihre Menschlichkeit keine Rolle spielt im Vergleich zu ihrer Herkunft oder Religion. Rassismus zeigt uns sein hässliches Gesicht im Alltagsleben, deswegen haben viele Geflüchtete, die unter Rassismus und Diskriminierung in Deutschland leiden, besondere Geschichten mit ihren alltäglichen Erfahrungen.

Aber man darf in Anbetracht dieser negativen Gefühle nicht aufgeben. Man muss die Opferrolle vermeiden. Man hat in Deutschland unabhängig von Herkunftsort oder Hauptfarbe das Recht, dagegen zu klagen.

Rassismus beginnt in der Kindheit

Manche Menschen, die fremd sind, begegnen alltagsrassistischem Handeln mit Schweigen. Vielleicht haben sie Angst, ihre Stimme zu lauten oder, weil sie nicht wissen, dass sie durch Gesetze das Recht haben, dagegen zu klagen. Und natürlich: wenn sie die Sprache nicht beherrschen, können sie nicht gegen diese schlimme Handlung protestieren.

Ich bin davon überzeugt, dass es Rassismus nicht nur in Deutschland oder Europa gibt, sondern in allen menschlichen Gesellschaften. Rassismus fängt an in der Kindheit, zu Hause mit den Eltern oder in der Schule. Um es gut wahrzunehmen, braucht man sich nur ernst zu fragen, warum ist jemand mit seiner Familie von seiner Heimat geflohen? Der Fakt lautet: Wegen Hasskriminalität, Rassismus und Abwesenheit des Gesetzes. So entstehen extreme Reaktionen, die einen Menschen zu einem Henker machen.

Lesen Sie hier den Artikel von Anja Hilgert

Dein Name, Marwa – Im Gedenken an Marwa El-Sherbini

eingestellt am 06.07.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Auf der Gedenkfeier zu Ehren Marwa El-Sherbnis am 1.Juli im elften Jahr nach dem Mord. Foto: Anja Hilgert

Anja Hilgert und Mohammad Ghith al Haj Hossin haben die Gedenkveranstaltung zum elften Todestag der aus rassististischen Motiven ermordeten Marwa El-Sherbini besucht. Entstanden ist eine Co-Produktion: Zwei bewegende Artikel aus unterschiedlichen Perspektiven. Lesen Sie im Folgenden die Eindrücke und Gedanken von Anja Hilgert:

Deinen Namen zu kennen

Ich habe dich nicht gekannt, doch nun weiß ich deinen Namen.
Weil du getötet worden bist. Das hat dich mir bekannt gemacht.
Dein Name musste ausgesprochen werden, wiederholt werden, viele Male, bis in meinem Gesicht der Blick frei geworden ist, mein Gesichtsfeld offen wurde für dich.

Wie haben wir gelebt nebeneinander, ohne einander zu kennen?
Dieses Nicht-Kennen. Nicht Wissen-wollen. Jetzt geht mir nicht aus dem Sinn, deinen Namen zu sagen, zu lernen, deinen Namen auszusprechen, ihn laut zu üben, bis er so klingt wie du heißt.
Wir sprechen r und w einzeln hart nacheinander aus, jeden Buchstaben für sich. Es gibt wenig Worte, in denen der Laut vorkommt in meiner Sprache. In deinem Namen klingen r und w weich ineinander, es macht einen anderen Klang, den aus meinem Mund gesprochen, die Lippen erst üben zu formen, ihn zu runden und rollend zu entlassen bis er bei dir wieder ankommt.

Geboren in einem der sieben Weltwunder

Geboren in Alexandria, die Alexander der Große gegründet hat, antike Stadt, eines der sieben Weltwunder und Stadt der großen Bibliothek, bist du in römisch-byzantinischer Kultur verwurzelt. Unser Treffpunkt ist das schöne Florenz an der Elbe.

Du klingst nach einer starken, blühenden Frau, hast kraftvoll mit dem Arm ausgeholt, Handball gespielt in der Nationalmannschaft deines Landes, hast Pharmazie studiert, hast geheiratet, hast einen Sohn, trugst ein zweites Kind in dir, hast vertraut, mit ihnen zu leben.

Ein Mann hat sich Dir in den Weg gestellt, dir die Berechtigung abgesprochen, hier zu sein, hat dir den Weg verstellt, frei zu leben.
Du hattest Vertrauen, lebensvoll zu sein, dich zu entfalten.
Er trug Gedanken, die dem Leben nicht erlauben zu sein wie es ist. Abgeschnürte Gedanken, die vor sich hin Bilder schaffen und eine Welt definieren nach dem Diktat der Gedanken.

Gedanken, die so eng sind, dass sie Gewalt anwenden müssen, um das Pulsieren des Lebens, das vital ist und schöpferisch, da hineinzupassen, in dieses gedankliche Gitter. Beharrliche Gedanken, die beschneiden, drücken, pressen und prügeln müssen und am Ende mit Messern zustechen, um das klein zu bekommen, was sie nicht zu fassen vermögen.

In Gedanken gerüstet

Ich habe solche Gedanken.

Ich höre Gedanken nach Eindeutigkeit, Sicherheit, Zuverlässigkeit, nach Lösungen und Plänen verlangen. Gedanken, die attackieren, was anders ist als es Gedanken mir vorgestellt haben. Das Starren, das Gliedern, Sortieren, Vergleichen in mir, im Verlangen, fest zu machen und in den Griff zu bekommen, was überraschend, chaotisch, unberechenbar, wandelbar und wild ist in mir. Und unterdrückt von einer Last an Gedanken, die nicht nur meine sind. Die Generationen gedacht und ein Gehege der Wirklichkeit damit erstellt haben, das uns fern hält vom Vollzug des Lebendigen.

Jetzt einen Moment nur da sein. Dazwischen. Mich einschieben zwischen die Angst und die Rüstung. Nicht weiter absichern. Nicht zwingend krampfhaft in die Aufrechte gehen mit starrem Rückgrat. Stehen bleiben, kauern und zulassen, was kommt. Runterkommen von den Barrikaden, die verhindern, dass ich und was mir begegnet, da ankommen, wo mein Herz blank liegt.

Hoch ausgerüstete Sicherheit hat nichts ausgerichtet.
Im höchsten Saal der Ordnung, im Landesgericht, vor Richtern und Anwälten und Kräften, die Sorge tragen für Recht und Aufrichtigkeit – da bist du erstochen worden.
Gedanken, die zur Rüstung zwängen, sind grausam. Sie bedingen Ohnmacht, die einsetzt, wenn das Gerüst fällt. Ohnmächtig und betäubt stehen wir vor der systematischen Abriegelung des Herzens und trauen uns nicht zu, Mensch zu sein.

 

Zur Abstimmung in den Stadtrat gereicht: Ein Name für die Straße am Landgericht     Foto: Anja Hilgert

Im elften Jahr: Die Marwa El-Sherbini-Straße

Im elften Jahr deines Todes bin ich auf die Spur deines Lebens gesetzt.
Dasitzend vor dem hohen Gebäude, vor der Wand, die aufragt, vor den schweren Türen, so schwer die Portale, dass sie mit der Hand nicht zu öffnen sind. Sitzen und harren im namenlosen Gebiet vor dem Justizpalast, im Brachland, das die Macht des Gebäudes verantwortet, das für sich alleine dort ragt.
Herkommend von der Straßenkreuzung, dem Fluss, der Brücke, den Wegen, die hier sich bündeln, halten wir an, versammeln uns im Niemandskorridor zwischen Chaos und Ordnung und treten in Kontakt mit dieser Ohnmacht, die um sich greift und Offizielle zum Stammeln, zum Suchen nach Worten bringt.

Dem Gebiet einen Namen vergeben, heißt, es zu benennen – Marwa El-Sherbini-Straße soll der kleine Abschnitt nun heißen.
Nicht nur nächstes Jahr, wenn wir zum 1.Juli wieder dort versammelt stehen, sondern mit allen, die dort sind, jeden Tag und jede Stunde und minütlich, gehen wir in deinem Namen und finden zu einer Stimme, die aus der Ohnmacht aussteigt und Starre und Schweigen durchbricht.

 

Mit Rosen bezeugte Anwesenheit        Foto: Anja Hilgert

Ich frage dich, wie du heißt

Ich brauche keine Rose, nicht weiß und nicht langstielig, edel angeboten zu bekommen, um da zu sein. Mein Strauß ist feuerrot und leuchtend gelb, in warmem Orange und tiefem Violett. Meine Blumen sind selbst gepflückt und sie feiern den Mut, die Beherztheit, das Selbstvertrauen, den Drang zur Freiheit.

Ich möchte dich kennenlernen
Ich frage dich, wie du heißt.

 

Lesen Sie hier den Artikel von Mohammad Ghith al Haj Hossin