Dienstags singt der Plattenchor – Jetzt wieder unter freiem Himmel in der Johannstadt

eingestellt am 15.06.2021 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Die neue Leiterin des Plattenchors im Portrait. Foto: Anja Hilgert

 

Bis in die Herbstzeit reicht der Klang zurück, den der stadtteileigene Plattenchor ins Viertel eingebracht hatte. Seitdem war Gesang aus der Öffentlichkeit verbannt… Doch, wie es so schön heisst…dem Glücklichen klingt immer sein Lied…das Singen wird in der Johannstadt jetzt wieder rege und beginnt mit Auftakt: Diese Woche startet der Plattenchor!

 

Der Johannstädter Plattenchor

Gerade bei einem bunt gemischten Chor ist es der erzeugte Klangraum, der alle miteinander trägt und zum gemeinsamen Singen motiviert. Da nun wieder erlaubt ist, was lange genug unmöglich erschien, rufen die beiden Leiterinnen des Plattenchors, Marieluise Herrmann und Karoline Friedländer den beherzten Wiederstart des gemeinsamen Singens in der Johannstadt aus: 

Ab Dienstag 14.06. heisst es wieder regelmäßig:
Dienstags, von 18-20 h singt der Plattenchor im Johannstädter Stadtteil.

Und : Vielleicht brauchen wir manchmal eine zweite Chance, weil die erste zu früh kam…
Jetzt ist wieder Gelegenheit, neu anzufangen und dazu zu kommen.
Der Plattenchor ist offen für alle und freut sich über neue Mitsingende. Große und kleine, junge und alte Johannstädter*innen sind alle herzlich eingeladen zum gemeinsamen Singen: Jede*r kann dabei sein, zuhören, summen, mitsingen, ohne Vorkenntnisse, ohne Noten teilnehmen und gemeinsam mit anderen Menschen den Stadtteil singend verschönern. Denn über das Singen, das alle miteinander unabhängig von Alter, Beruf oder Herkunft teilen, entsteht unter dem freien Himmel der Johannstadt Gemeinschaft und ein Tun, das nährt und stärkt.

Treffpunkt:  Jeden Dienstag, 18 Uhr vor dem Johannstädter Kulturtreff zu einem Warm up, anschließend geht es zum Singen an verschiedene Orte im Stadtteil.

 

Eine neue Chorleiterin will unter die Leute

Sie hatte gerade ihre Nachfolge als neue Chorleiterin in der Johannstadt angetreten, da musste im Herbst der ganze Chor auseinandergehen und dem verordneten Gesangs-Verbot Folge leisten. Eine Weile noch hatten sich die Chormitglieder weiter online getroffen und Singerfahrungen im digitalen Gruppenraum gemacht, doch über die lange Dauer der Kontaktbeschränkungen war es beschwerlich, die Verbindung am Schwingen zu halten.
Der Chor ging in die Stille und das ganze Projekt ruhte unter der zwangsläufigen Pausetaste. „Gerade für einen Chor im Aufbau ist die stete Regelmäßigkeit und Kontinuität der Probenarbeit wichtig“, sagt Marieluise Herrmann. Sie musste über Winter dennoch ihre Hände sinken lassen. Jetzt freut sie sich aufs sommerliche Wiedererwachen.

 

Noch neu am Johannstädter Ufer                Foto: Anja Hilgert
Marieluise Herrmann ist die neue Chorleiterin des Plattenchors. Foto: Anja Hilgert

 

 

 

 

 

 

 

Unabhängig vom kollegialen Kontakt zur damaligen Chorleiterin Ellen Muriel, hatte sie über Soziale Medien bereits vom Plattenchor gehört und begeisterte sich für das Lied-Video, das von einer Probe im Treppenhaus des Kulturtreff entstanden war. 

Sie übernahm ohne Zögern das Angebot, gemeinsam mit Karoline Friedländer den jungen Chor in der Johannstadt weiterzuführen. Marieluise Herrmann bringt als Chorleiterin ihre Erfahrung mit aus dem parallel laufenden Chor des Zentralwerk e.V. in Dresden Pieschen. Auch eine zukünftige Vernetzung der Projekte findet sie gut vorstellbar.
Neben ihrem Beruf als Musiktherapeutin am Uni-Klinikum ist Marieluise Herrmann selbst auch als Sängerin aktiv, einerseits in dem Vokalensemble “Treta Mominka” mit osteuropäischer Musik, andererseits in der Dresdner Band ‚Affen’, die internationale Lieder und Tanzmusik interpretieren. Marieluise spielt Klavier, Akkordeon und Hackbrett und vor allem singt sie leidenschaftlich gern. 

 

 

Gedanken draussen lassen

Bei Projekten wie dem Plattenchor werden Gedanken einfach weit draussen gelassen, die konditioniert darauf sind zu glauben, Musik und Gesang machten nur Leute, die das schon können. „Weit gefehlt“, sagt die studierte Ethnomusikologin, die eine Schwäche für traditionelles Liedgut aus der ganzen Welt und sich überall unterwegs Lieder beibringen lassen hat, „Es geht natürlicher Weise darum, gemeinsam zu singen, auch die Lieder zu singen, die die Menschen selbst mitbringen.“

Aus ihrem therapeutischen Tätigkeitsfeld weiss sie: „Die Stimme steht für die Persönlichkeit. Vieles liegt darüber, das mit Bewertungen zu tun hat, was bei den Meisten Hemmungen schafft. Da ist es etwas sehr Sensibles, wirklich zu singen.
Ich möchte die Leute zuallererst einladen zum Zuhören. Zuhören spielt eine ganz große Rolle im Singen, deshalb singen wir zum Einstieg einen Ton, zwei Töne – auch für die, die das sicher können, lohnt es sich, denn sie tragen die Gruppe und trainieren dabei ihre Stimme. Die Stimme wird stärker, kräftiger, selbstbewusster, je mehr man sich in ihr übt. In der Gruppe wird die Schwelle leichter genommen.“

 

 

Eine Chorleiterin, die Töne aus dem Stadtviertel  sammelt   Foto: Anja Hilgert

Mit dem Plattenchor dem Sommer entgegen Foto: Anja Hilgert

Die verbindende Wirkung, den Ton richtig zu treffen

Marieluise Herrmann sitzt mit aufgerichtetem Rücken, der Brustkorb frei und ihr zuzuhören wird melodischer, bewegter, je mehr sie ins Thema kommt: Ihr Thema: „Es hat viel mit dem bewussten Atmen zu tun beim Singen, dass man dabei so sehr zu sich kommt. Im Atmen liegt etwas fundamental Körperliches, das zentriert. Ich habe selbst auch Gesangsunterricht gegeben und habe die Erfahrung gemacht, dass jede*r in den Zusammenklang findet und es schafft, für sich den „richtigen Ton“ zu treffen. Wenn man sich Zeit lässt und das ganz behutsam macht, da weiss ich einfach, dass es funktioniert.“

Deshalb ist der Plattenchor als Angebot zunächst niedrigschwellig. Das Weitere, hin zu den lebhaften Liedern entwickelt sich im choreigenen Prozess.
An jedem Dienstagabend ist den Teilnehmenden ein neu gelerntes Lied gewiss, mit dem sie nach Hause und durch die Woche gehen können: „Ich mache mir keine Sorgen, dass Leute zum Singen kommen werden, aber dass es wirklich die lokal vor Ort lebenden Menschen der Johannstadt in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit sind, das würde ich mir wirklich sehr wünschen.

Beim Singen macht man vor allem eine gemeinsame Erfahrung, man erarbeitet ein Lied miteinander. Das steht verbindend in der Mitte. Man kommt nicht, um sich erst kennenzulernen, sondern das passiert ganz von allein. Es wirkt verbindend, diese kleine Erfahrung zu machen, wie leicht es ist, im Singen dazuzugehören. Das allein ist ergreifend, die Erfahrung, sich als Teil in einer Gruppe, in einem Takt zu erfahren.“

 

Im Flow ohne Noten

Das Gefühl des Einklangs kann man erreichen, davon ist die engagierte Chorleiterin überzeugt, ohne dass man sich kennt oder sozial aus dem gleichen Milieu kommt: „Man braucht nicht einmal die gleiche Sprache zu sprechen. Das Synchronwerden, der Rhythmus entsteht – es dauert eine Weile, dann findet man sich hinein. Einerseits führt es einen zu sich selbst hin und andererseits kann man sich der Gruppe hingeben.“

Der Plattenchor singt nicht „die klassischen Bass-Tenor-Alt-Sopran-Stücke“, sondern vor allem Kanons eignen sich gut: Alle haben die gleiche Stimme, die sich wiederholt und diese gleiche Stimme singt man versetzt. Daraus ergibt sich ein flow und dann ein Ganzes, es entsteht Mehr…“

Wichtig: Es kommen keine Noten dazu. Auch diese Berührungsängste, zu glauben, etwas ablesen und genau entsprechen zu müssen, sind ausgeschaltet: „Wir singen im Kreis immer wieder vor und nach, antworten wechselseitig aufeinander. Es ist wichtig, dass man nicht zu viel ins Denken kommt. Dann kommt der Punkt von alleine, wo man sich dem Lied in der Gruppe einfach hingibt – und singt.“

„Ich habe meine Erfahrungen, mein Wissen und meine Ausbildung“, sagt die Sängerin, „aber ich freue mich immer, wenn ich noch etwas lernen kann: Es wäre schön, wenn Menschen etwas mitbringen aus ihrem Leben oder ihrer Vergangenheit, ihrer Kindheit oder Herkunft, etwas, das sie bewegt, was wir im Chor miteinander singend bewegen können.“ 

Wer möchte, möge gerne einen Liederwunsch zur wöchentlichen Probe mitbringen: „Der Anfang muss gemacht werden und den machen wir jetzt wieder.“

 

 

Weitere Informationen 

  • Die Höchstzahl an Teilnehmenden beträgt derzeit 15 Personen. Damit die Hygieneregeln zum Infektionsschutz eingehalten werden können, ist derzeit eine Anmeldung erforderlich:
    telefonisch 0351-447 28 23 oder kontakt@johannstaedterkulturtreff.de