Orte » Historischer Rundweg: Standort 4 – Pfotenhauerstraße

eingestellt am 12.12.2019 von Matthias Kunert (QM Johannstadt), zuletzt geändert am 08.09.2021

Laufen Sie auf der verlängerten Pfeifferhannsstraße (ehemalige Stephanienstraße) in Richtung Pfotenhauerstraße. Vor der 101. Oberschule “Johannes Gutenberg” erreichen Sie den vierten Standort des historischen Rundwegs.

Stadtplan von 1911. Der Tafelstandort ist markiert. Quelle: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek

Vor 1945: Die Einkaufs- und Vergnügungsmeile

Pfotenhauerstraße

Heute noch bezeichnet man die Pfotenhauerstraße, volkstümlich auch „Pfote“ genannt, als „Hauptstraße“ der nördlichen Johannstadt. Bis 1945 erfreute sich diese Straße wegen der hier befindlichen Läden und Restaurants großer Beliebtheit. Der Oberbürgermeister Friedrich Wilhelm Pfotenhauer (1812-1877) dient als Namensgeber.

1876 als Straßenverlauf mit streng geometrisch angrenzenden Baugrundstücken angelegt, verlief die Straße damals noch über Felder. Im gleichen Jahr errichtete die Baugesellschaft „Neue Germania AG“ erste Wohnbauten. Bedingt durch eine unklare Definition angrenzender Gewerbegebiete kam die Bautätigkeit jedoch bald wieder zum Erliegen. Erst mit der 1884 vorgenommenen Änderung der Ortssatzung, in der die Pfotenhauerstraße als eine reine Wohn- und Geschäftsstraße ausgewiesen wurde, setzte die rege Bautätigkeit wieder ein. Acht Jahre später feierte man die Fertigstellung der neuen Straßenbahnlinie durch die Pfotenhauerstraße.

Innenraum des Radeberger Bräustübls um 1900. Foto: unbekannt. Aus der Sammlung JohannStadtArchiv

Blick in die Pfotenhauerstraße Höhe Pfeifferhannsstraße um 1900. Quelle: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / W. Hahn

Die Straße belebte sich mit vielen Fachgeschäften, Einrichtungen und Kneipen. Durch die gute Erschließung und die breiten Fußwege herrschte hier zu jeder Tageszeit reges Begängnis.

Beispielhaft sind einige Läden und Einrichtungen zu nennen:
Nr. 17: Sortimentsbuchhandlung “Bruno Curth” und Stephanienapotheke (s. Bild oben)
Nr. 26: Poliklinik Arthur Schloßmanns für Säuglinge und Kleinkinder, die erste Einrichtung dieser Art in Deutschland
Nr. 33: Restaurant „Elsasser Hof“ mit dem „Afrikanischen Zimmer“ (s. Bild unten)
Nr. 37: Molkereiverkaufsstelle der “Drema AG”
Nr. 41: Dampfbäckerei und Konditorei von Max Schubert (s. Bild unten)
Nr. 48: “Helm’s Restaurant”
Nr. 57: Café “Freitag” im Vorderhaus, Glasschleiferei und Glasbiegerei von Curt Ziegler
Nr. 62: Gaststätte „Radeberger Bräustübl“ (s. Bild oben)
Nr. 69: Fleischerei Otto Gründel mit Schank- und Speisewirtschaft
Nr. 79: Radrennbahn, ab 1921 Sportplatz
Nr. 106: Straßenbahnhof Johannstadt (nach 1990 abgerissen)

Afrikanisches Zimmer im „Elsasser Hof“. Foto: unbekannt. Aus der Sammlung JohannStadtArchiv
Fensterdekoration der Dampfbäckerei “Max Schubert”, um 1920. Foto: unbekannt. Aus der Sammlung JohannStadtArchiv
Hinterhof im Wohnhaus Pfotenhauerstraße 74. Foto: unbekannt. Aus der Sammlung JohannStadtArchiv

In den Hinterhöfen entstanden kleine und mittlere Gewerbebetriebe mit dampfenden Schornsteinen, kaschiert durch eine fünfstöckige Blockrandbebauung. Zu diesen zählten u.a. die „Attilia-Fahrradbau“, die Filmtechnischen Anstalten, die Hartglasbiegerei „Curt Ziegler” (heute „Tenza-Schmiede“), verschiedene Zigarettenfabriken, Maler- und Klempnermeister oder auch chemische Spezialfirmen. Auch kleine Gärten fanden Platz zwischen Brandmauern und Nebengebäuden.

Weitere Informationen zur Geschichte der Pfotenhauerstraße finden Sie hier.

Nach 1945: Plattenbau und Kunst

Stadtplan von 2017. Der Planausschnitt ist identisch mit dem oben abgebildeten historischen Stadtplan. Der Tafelstandort ist markiert. Quelle: Themenstadtplan, Landeshauptstadt Dresden, Amt für Geodaten und Kataster

Die neue Einkaufsstraße

Nach dem Zweiten Weltkrieg und der teilweisen Zerstörung der Bebauung ging der Charakter der Pfotenhauerstraße als eine lebendige Wohn- und Geschäftsstraße weitgehend verloren. Mitte der 1950er Jahre waren fast alle Kriegsruinen beseitigt. Zehn- und elfgeschossige Neubauten entstanden in den 1970er Jahren auf den Brachflächen in Plattenbauweise. Das nebenan befindliche Plattenwerk produzierte dafür die Bausubstanz. Eine Kaufhalle und ein Dienstleistungszentrum mit Wäscherei, Friseur, Schuhmacher und anderen Angeboten komplettierten den Standort. Das Dienstleistungszentrum wurde 2018 nach langem Leerstand abgerissen, um für ein erweitertes Einkaufszentrum Platz zu schaffen.

Der langjährige 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED und Ministerpräsident der DDR, Hans Modrow, wohnte in dem Zehn-Geschosser Nr. 22. Aufgrund der gegenüber anderen Einrichtungen ausgewählt besseren Versorgung trug die Johannstädter Konsum-Verkaufsstelle im Volksmund auch die Bezeichnung „Modrow-Kaufhalle“.

Weitere Informationen zur Geschichte der Pfotenhauerstraße finden Sie hier.

„Modrow-Kaufhalle“, ca. 1975. Foto: G. Gonschorek

Kaufhalle und Dienstleistungszentrum, 1993. Quelle: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / H. Boswank
Ehemaliges Dienstleistungszentrum, Zustand 2017. Foto: M. Dziallas
Bürger*innen retten den Schriftzug „Dienstleistungszentrum“ vor dem Verschrotten, 2017. Foto: M. Dziallas

Schulstandort Johannstadt-Nord

1974 wurden an der Pfotenhauerstraße Nr. 40-44 die 100., 101. und 102. Polytechnische Oberschule als sogenannte Doppel-Atrium-Schulbauten errichtet. Zum Zeitpunkt 2019 befanden sich hier die 102. Grundschule „Johanna“ und der Kunterbunte Hortplanet des Deutschen Kinderschutzbundes (Pfotenhauerstraße 40) sowie die 101. Oberschule „Johannes Gutenberg“ und das Abendgymnasium Dresden (Pfotenhauerstraße 42). Auf Beschluss des Stadtrats kommt 2020 mit dem Gymnasium Johannstadt an der Pfotenhauerstraße 42 eine weitere kommunale Bildungseinrichtung hinzu, während die 101. Oberschule mittelfristig in einen Schulneubau an der Blüherstraße umziehen soll. Am Schulstandort lernen Jungen und Mädchen aus mehr als 30 unterschiedlichen Nationalitäten.

Kunst am Bau

Die Plastik „Spirale des Sozialismus“ am Eingang zur 101. Oberschule besticht durch ihre schlanke dynamische Form und den prägnanten Inhalt. Der Künstler und Bildhauer Johannes Peschel, Jahrgang 1931, schuf diese Plastik in der Produktionsgenossenschaft „Kunst am Bau“, in der er sich seit 1960 mit weiteren neun Mitgliedern als Künstler am sozialistischen Bau in der DDR betätigte. Auch die in Dresden vor der politischen Wende weit verbreiteten Strukturwände aus Betonformsteinen gehen unter anderem auf das plastische Schaffen von Peschel zurück. Eine solche Formsteinwand befand sich bis 2018 vor dem ehemaligen Dienstleistungszentrum auf der Pfotenhauerstraße.

Plastik „Spirale des Sozialismus“, Zustand 2017. Foto: J. Uhlig

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Text: Matthias Erfurth, Matthias Kunert, Henning Seidler