Menschen » Gertraude Przybilla

eingestellt am 13.01.2021 von Bertil Kalex (Stadtteilverein), zuletzt geändert am 04.03.2021

KultUrsprung
Gertraude Przybilla
Ehrenamtliche im Johannstädter Kulturtreff
Gewonnene Heimat: Dresden
Verlorene Heimat: –

„Einen alten Baum verpflanzt man nicht. Ich könnte zu meinen Enkelkindern ziehen. Ich bleibe aber zu Hause. Hier ist meine Heimat.“

KultUrsprung_Gertraude Przybilla_2018
Foto: Stephan Wiegand/Johannstädter Kulturtreff e. V.

Was bedeutet für Sie Heimat?
Heimat? Sehr viel. Alles. Bekannte, Freunde…Ich bin hier geboren und woanders ist es zwar auch schön, aber das hier ist meine Heimat.

War für Sie die DDR auch eine Heimat?
Schon immer gewesen.

Und war das für Sie dann ein Heimatverlust, als die DDR nicht mehr da war?
Da waren wir am Ende. Weil wir nicht mehr arbeiten durften. Das, was wir gerne machen.
Ich habe im Elektromaschinenbau gearbeitet, 37 Jahre lang. Bis dann die große Wende kam und viele Betriebe zumachen mussten. Und da musste ich leider nach 37 Jahren mit Arbeiten aufhören. Ich war nach der Wende noch bis 92 in Arbeit. Und `92 bin ich dann arbeitslos geworden. Dann hatte ich später einen Herzinfarkt gehabt, da bin ich dann in Rente geschrieben worden.

Wie wichtig ist Arbeit für Sie? Trauern Sie ihr hinterher?
Na, das gehört zum Leben, meiner Ansicht nach. Viele haben ja auch wieder neue Arbeit gefunden, aber ich habe eben keine gefunden. Aber einmal im Monat treffen wir uns, sieben Mädels, und da frühstücken wir gemeinsam. Und lachen gemeinsam. Erinnerungen austauschen von früher von der Arbeit. Über die Kinder viel reden.

Und wie sind Sie dann hier in den Kulturtreff gekommen?
Das habe ich durch Bekannte erfahren. Ich habe gesagt, ich brauche eine Beschäftigung. Und da kam sie zu mir und hat gesagt: ‚Du, ich habe was für dich! Du kannst den Skatclub betreuen.‘ Und da war ich sofort Feuer und Flamme.

Und wollen Sie weiter hier in Dresden leben?
Natürlich, natürlich. Bis ich sterbe. Hoffentlich noch recht lange. Mein Arzt hat mir 100 versprochen. Und die möchte ich gerne erleben. Im Moment fühle ich mich noch sauwohl.


Was ist eigentlich HEIMAT? Wie drückt sie sich aus? Ist sie greifbar, sichtbar, hörbar? Oder ist HEIMAT doch vielmehr ein Gefühl als ein Ort? Mit dem Ausstellungsprojekt KultUrsprung zeigte der Johannstädter Kulturtreff e.V. im Jahr 2018 verschiedene Sichtweisen auf verlorene und (neu) gewonnene Heimat von Johannstädter BürgerInnen und AkteurInnen. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage nach dem Heimatverlust, der sowohl durch einen Systemwandel als auch durch Flucht und Migration hervorgerufen werden kann. Für die Ausstellung wurden 8 Johannstädter Senior*innen sowie Akteur*innen mit Fluchthintergrund interviewt. Einen Einblick in einzelne Interviews erhalten Sie hier. Das Projekt wurde gefördert durch den Fonds Soziokultur und den Verfügungsfonds Nördliche Johannstadt.