Invasive Baumarten und wie es dazu kam
In der Johannstadt gibt es vier Baumarten, die als invasive Baumarten aufgeführt sind und entsprechend zahlreich vorkommen. Im Einzelnen sind das folgende Arten: Eschen-Ahorn (Acer negundo), Götterbaum (Ailanthus altissima), Gewöhnliche Robinie (Robinia pseudoacacia) und Rot-Eiche (Quercus rubra).
Die Gewöhnliche Douglasie zählt auch zu den invasiven Arten, allerdings sind die Bodenverhältnisse in der Johannstadt so ungünstig (für die Douglasie), dass der invasive Charakter dieser Baumart hier zu vernachlässigen ist.
Jetzt kann man natürlich (berechtigt) fragen:
Wieso wurden nicht-einheimische Baumarten im Stadtraum gepflanzt, wenn diese die einheimischen Baumpopulationen verdrängen können?
Die Antwort ist sehr einfach: Man wusste das lange Zeit einfach nicht. Dafür gibt es mehrere Gründe. Das “geplante Pflanzen” von Bäumen im Stadtraum ist erst mit Beginn des 19. Jahrhunderts aufgekommen, jedenfalls in Europa. Wer schon mal Städte mit erhaltenen mittelalterlichen Stadtkernen, z.B. im süddeutschen Raum, in Italien oder Tschechien, bereiste, dem wird aufgefallen sein, dass da so gut wie keine Bäume zu sehen sind. Einerseits fehlt es am Platz, dass sich so ein Baum entfalten kann. Die Gassen sind sehr schmal und die Häuser stehen dichter aneinander. Baugrund war auch schon im Mittelalter knapp und teuer. Andererseits lag das “Baumprivileg” (innerhalb des Adelsrechts), also die Entscheidung, wo Bäume gepflanzt oder gefällt werden dürfen, beim damals herrschenden Adel. Die europaweiten Folgen der Französischen Revolution (1789 -1799) sorgten jedoch dafür, dass sich die Adligen Europas einiger Privilegien entledigen mussten, u.a. auch vom “Baumprivileg”. Das wiederum führte dann dazu, dass es in Mode kam, neu angelegte Wohn- und Geschäftsviertel der Städte mit Bäumen auszuschmücken. Bei der Mode blieb es dann auch in puncto Auswahl der Baumarten. Es wurde gepflanzt, was hübsch aussah und gerade angesagt war. Dabei spielte es keine Rolle, ob es sich um einheimische oder exotische Baumarten handelt. Hauptsache einigermaßen Frost-verträglich. Baumkundige gab es damals zwar auch schon, doch diese waren in der Waldwirtschaft beschäftigt oder damit, forstwissenschaftliche Lehranstalten aufzubauen. Die Stadtplaner konnten also “nur” mit den städtischen Gärtnern zusammenarbeiten. Ein weiterer Grund, der zur langen Unkenntnis über invasive Arten beitrug: Die Forstwissenschaft, und damit die Baumkunde (Dendrologie), ist ein relativ junger Wissenschaftsbereich. Die älteste deutsche forstwissenschaftliche Fakultät, 1811 in Tharandt von Heinrich Cotta als Forstakademie gegründet, hatte lange Zeit eher die ökonomischen Aspekte, die Forstwirtschaft, also wie man Geld mit Bäumen verdient, im Fokus. Die Geldgeber der forstwissenschaftlichen Lehranstalten waren schließlich lange Zeit die Waldbesitzer. Einen Wechsel zu mehr Ökologie und weniger Ökonomie gab es in den 1980er/1990er Jahren, als man die katastrophalen Folgen der Monokultur in der Forstwirtschaft feststellte. Nicht nur auf Tharandt beschränkt, aber dort kam diese Feststellung jedoch “DDR-bedingt” erst mit zehn Jahren Verspätung, kurz nach dem Mauerfall an. Obendrein begriff man, dass dem Baumbestand im Stadtraum nicht mit gärtnerischen oder forstlichen Lern- und Lehrmethoden beizukommen ist, sondern dass dafür zusätzliche, eigenständige Fachrichtungen erforderlich sind. Die Forschung zu invasiven Baumarten, insbesondere zur Verringerung der weiteren Ausbreitung “ohne Kahlschlag”, hat in den 1990er begonnen und wurde ab den 2010er Jahren intensiviert.
Ergänzend noch zu erwähnen: auch unter den invasiven (Baum)Arten unterteilt man gern in “gut” und “schlecht”. Das heißt bei einigen Arten überwiegen die positiven Eigenschaften, wie z. B. eine stärkere Resistenz gegenüber längeren Hitze- und/oder Trockenzeitperioden, sodass der invasive Charakter weniger ins Gewicht fällt. Die Rot-Eiche wird in einigen Städten, u. a. auch in Dresden weiterhin bzw. wieder als Straßenbaum angepflanzt, weil sie besser mit den veränderten klimatischen Bedingungen zurechtkommt als ihre einheimischen Verwandten Stiel-Eiche und Trauben-Eiche bzw. deren Zuchtformen.
Auflistung der restlichen erfassten Baumarten in Johannstadt
Laubbäume:
Nadelbäume & Koniferen
Alle bisher entdeckten Bäume aus dieser Kategorie wurden erwähnt. Sollten zwischenzeitlich weitere, noch nicht genannte Bäume “gefunden” werden, dann kommen hier entsprechende Ergänzungen hin.
Schlusswort
Die beeindruckend große Vielfalt an Baumarten und deren Zuchtformen sowie die ebenfalls überraschend große Zahl an über 100-jährigen Bäumen (bei 300 haben wir aufgehört zu zählen), bei der großen Zerstörung der Dresdner Johannstadt durch die Bombenangriffe im 2. Weltkrieg am 13./14. Februar 1945 nicht zu erwarten, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ca. 70 % des Johannstädter Baumbestands, jung wie alt, schlecht geht.
Lange Trockenheitsperioden sowie Hitzephasen in den letzten Jahren haben den meisten Bäumen zugesetzt. Ihre natürlichen Abwehrmechanismen sind geschwächt, weshalb sie anfälliger für Krankheiten sowie Schädlings- und Pilzbefall geworden sind. Durch fortdauernde Dehydration haben etliche Bäume zudem viel an ihrer Elastizität verloren und sind anfälliger für Windbrüche großer Äste. Obendrein ist, durch zu stark ausgetrockneter Böden im Wurzelbereich, die Standfestigkeit von Bäumen nicht mehr gegeben und sie fallen bei starken Winden einfach um.
Als Gegenmaßnahmen kommen nur wenige Möglichkeiten zur Auswahl.
Eine ist, das wöchentliche Wässern junger Bäume (min. 100 Liter Wasser/Baum) in der Vegetationszeit bis etwa fünf Jahre nach der Anpflanzung. Das ist ein Prozess, der eine lange Ausdauer voraussetzt, zudem kostenintensiv (Stadtgärtner & Wassertankfahrzeuge) und obendrein auf zusätzliches umfangreiches bürgerschaftliches Engagement, z. B. Gießpatenschaften bzw. lokale Gieß-Initiativen (Gießkannenheld:innen), angewiesen ist.
Eine andere Möglichkeit ist der Rückbau versiegelter Flächen und diese durch Sickerflächen zu ersetzen. Davon können dann auch ältere Bäume, eigentlich alle Pflanzen, die auf oder im näheren Umfeld dieser Sickerflächen stehen, profitieren. Parallel dazu ist es sinnvoll, das Niederschlagswasser auf den verbliebenen versiegelten Flächen nicht mehr über das Abwasserkanalsystem schnell abzuleiten, sondern in unterirdischen Zisternen zu sammeln. Dann existiert ein Wasservorrat für niederschlagsarme Zeiten.
Die letzte Möglichkeit ist der allmähliche Ersatz Hitze- und Trockenstress-anfällige Bäume durch resistentere Baumarten zu ersetzen. Das erfolgt in Teilen schon seit einigen Jahren. Immer da, wo Bäume krankheits- oder baubedingt oder aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht gefällt werden mussten, wurden Bäume neu gepflanzt, die etwas hitze- und trockenheitsresistenter sind. Eine Kurzzeitmaßnahme ist das ebenfalls nicht. Im Gegenteil, es dauert Jahrzehnte bis ein Baum seine Wuchshöhe erreicht und eine große, dichtbelaubte Krone ausgebildet hat.
Die Faustregel beim Tausch Altbaum gegen Jungbäume gilt in etwa so: Ein Altbaum mit einem Kronendurchmesser von zehn Metern wird durch zehn Jungbäume mit einem Meter Kronendurchmesser ersetzt. Auf den ersten Blick mag das stimmig klingen. Betrachtet man jedoch die CO₂ – O₂ – Umsetzung des Altbaumes und vergleicht diese mit den Jungbäumen, dann muss ein definitiv größerer Faktor eingesetzt werden. Vitale Altbäume haben eine sehr dichte Belaubung, aufgrund ihrer stark ausgeprägten Verzweigungen innerhalb der Baumkrone. Bei Jungbäumen ist das nicht der Fall. Deren Baumkronen sind sehr licht.
Die erwähnten Maßnahmen mögen langwierig, betreuungsintensiv und teuer sein. Es gibt auch keine Garantie, dass die erwünschten Effekte eintreten. Jedoch nichts zu tun wäre noch teurer, und zwar für uns alle. Deshalb ist Nichtstun keine Option! Jede bzw. jeder kann sich z. B. beim Fonds Stadtgrün oder bei Bürger schafft Grün sowohl passiv durch Spenden als auch aktiv durch Mitarbeit mit einbringen.
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