Neue Straßen, neue Namen: Lili Elbe und Lea Grundig setzen sich durch

eingestellt am 15.04.2021 von Philine Schlick, Headerbild: Die "ehemalige Stephanienstraße" soll einen klangvolleren Namen erhalten. Foto: Philine Schlick

In der Johannstadt entstehen zwei neue Straßen, die einen Namen brauchen. Bürger*innen beteiligten sich mit Vorschlägen an der Benennung. Am Mittwoch stimmte der Stadtbezirksbeirat darüber ab, welche Namen weiterkommen. Ein Bürgervorschlag setzte sich durch – er würdigt eine der bekanntesten Transgender-Frauen Europas. 

Am Mittwoch hat der Stadtbezirksbeirat über die Namen zweier neuer Straßen in der Johannstadt abgestimmt.

Zum einen ging es um die Verlängerung der Pfeifferhannsstraße über das Brachgelände bis zur Gerokstraße. Zum anderen um die verlängerte Elisenstraße, also die Verbindung zwischen Florian-Geyer-Straße und Käthe-Kollwitz-Ufer entlang des Geländes, an dem die WiD ein zweites Haus bauen wird.

Blick auf den Planweg verlängerte Elisenstraße in Richtung Käthe-Kollwitz-Ufer. Foto: Philine Schlick

Das Quartiersmanagement Johannstadt hatte in letzter Minute eine Bürgerbeteiligung angeregt.

Von Rolf Hoppe- bis Plattenwerkstraße

Vielfältig waren die Ideen, die beim Stadtbezirksamt eingingen. Erna Lincke, Hilde Rakebrand, Sabine Ball, König Johann, Rolf Hoppe, Ida von Lüttichau, Otto Ernst Faber, aber auch die Schokolade an sich oder das Plattenwerk wurden als Namenspatronen erwogen. Einige der Vorgeschlagenen waren noch nicht länger als fünf Jahre verstorben – das war aber als Bedingung zur Einreichung festgelegt. Andere erwiesen sich aufgrund ihres umfangreichen Namens als schwierig, weil entsprechende Straßenschilder überlang ausfallen würden. Bei wiederum anderen attestierte das Amt fehlenden Dresden-Bezug.

Die Benennung nach den vorhandenen Straßen wurde als verwirrend befürchtet, da beide nicht durchgängig sind. Das könne zu Problemen bei der modernen Navigation führen, argumentierte Amtsleiter André Barth. Besonders Zustelldienste könnten davon betroffen sein.

Bruno Clauß von Lili Elbe überstimmt

Das Stadtbezirksamt präsentierte den Beirät*innen zwei Favoriten. Für die verlängerte Elisenstraße war das Lea Grundig, für die verlängerte Pfeifferhannsstraße Bruno Clauß. Die Entscheidung lag aber letztendlich beim Beirat, der sich mit beiden nicht gleich einverstanden zeigte. Es wurden Änderungsanträge eingereicht, über die direkt abgestimmt wurde.

Während Lea Grundig sich bei der Abstimmung behaupten konnte, wurde Bruno Clauß, Erfinder der Blockschokolade und Gründer der Schoko-Fabrik, abgewählt. Auch Erna Lincke hatte das Nachsehen. Die meisten grünen Zettel gingen für Lili Elbe nach oben. Marko Beger (FDP) hatte sich mit seinem Änderungsantrag für sie stark gemacht.

Andrea Schubert (Grüne) sprach sich im Zuge der Debatte deutlich auch in Zukunft für eine Beteiligung von Bürger*innen bei der Wahl von Straßennamen aus.

Zwei Frauennamen für die Johannstadt

Zwei Frauennamen gehen also für die Johannstadt ins Rennen. Die Idee, Lili Elbe als Namenspatronin zu wählen, hatten Bastian und seine Mitbewohnerin aus der Johannstadt:

“Die Johannstadt ist ein aufblühender Teil Dresdens und am Puls der Zeit, warum nicht auch an diesem Puls? In Amerika werden die ersten Transmenschen Teil des Abgeordnetenhauses und des Senats. Bis wir in Deutschland oder Sachsen soweit sind, müssen wir sicherlich noch ein paar Tage warten, aber wir können trotzdem schon einen politischen Schritt gehen und die erste Straße in Deutschland nach einer queeren Persönlichkeit benennen”, warben sie.

Das Grab von Lili Elbe auf dem Trinitatisfriedhof. Foto: Philine Schlick

Lili Elbe gilt als eine der bekanntesten Transgender-Persönlichkeiten Europas. Ihr Leben dient dem Film und dem Buch “The Danish Girl” als Vorlage. Geboren wurde sie am 28.Dezember 1889 in Dänemark als Einar Wegener. Sie starb am 12.September 1931 an den Folgen ihrer vierten und letzten geschlechtsangleichender Operation in Dresden, wo sie auf dem Trinitatisfriedhof begraben liegt.

Lea Grundig war eine jüdische Künstlerin, die sich in ihrem Schaffen für mehr Humanität einsetzte. Am 23. März 1906 in Dresden geboren, musste sie ihre Heimatstadt nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten verlassen. Als Jüdin und Kommunistin wurde sie verfolgt und inhaftiert. Sie ging ins Exil nach Palästina und kehrte erst knapp ein Jahrzehnt später wieder nach Dresden zurück, wo sie die erste Professorin für Grafik und Malerei an der HfBK wurde. Ihr Mann war Hans Grundig. Sie starb am 10. Oktober 1977 bei einer Mittelmeerreise und liegt auf dem Heidefriedhof begraben.

Das Ergebnis der Abstimmung wird jetzt dem Geo- und Katasteramt zur Prüfung vorgelegt. Die endgültige Entscheidung über die Namen der neuen Straßen liegt beim Stadtrat.

Stadtbezirksbeirat Altstadt/Johannstadt

Zweites WiD-Haus: Siegerentwurf steht fest

eingestellt am 16.03.2021 von Philine Schlick, Headerbild: Blick auf die WiD-Baufläche am Käthe-Kollwitz-Ufer. Quelle: WiD

Nicht nur an der Florian-Geyer-Straße, auch am Käthe-Kollwitz-Ufer plant die WiD ein neues Wohnhaus. Für den Entwurf hatte die Wohnungsgesellschaft einen Wettbewerb ausgerufen. Der Siegerentwurf steht jetzt fest – 2022 soll Baustart sein.

Die WiD plant zwei neue Wohnhäuser in der nördlichen Johannstadt. Eines entsteht an der Florian-Geyer-Straße, ein weiteres ist am Käthe-Kollwitz-Ufer geplant. Für ersteres haben die Vorbereitungen auf dem Gelände vor wenigen Wochen begonnen, für zweiteres steht jetzt ein Entwurf fest.

Historie und Moderne treffen aufeinander

Im Dezember hat die WiD einen Wettbewerb an fünf Architekturbüros ausgeschrieben. Im Februar gingen die Entwürfe bei der WiD ein und wurden durch ein Gremium bewertet. “Sowohl die Auswahl der Büros als auch die Aufgabenstellung wurden gemeinsam mit dem Stadtplanungsamt definiert”, gibt Claudia Herzog von der WiD bekannt.

Blick auf den Planweg verlängerte Elisenstraße in Richtung Käthe-Kollwitz-Ufer. Foto: Philine Schlick

Der Standort des Hauses stelle hohe Anforderungen an das Erscheinungsbild, berichtet sie. Historische Umgebung treffe auf neuzeitliche Bauweise – das  städtebauliche Erscheinungsbild des künftigen Quartiers muss dem gerecht werden.

Berücksichtigt werden mussten auch die angespannte Parkplatzsituation und der Wunsch nach Stadtgrün in der Umgebung. “Die Teilnehmer haben sehr unterschiedliche Konzeptideen eingereicht”, so Herzog.

Bebauung in L-Form, 130 Wohnungen

Letztendlich sei die Entscheidung nach städtebaulichen Aspekten, Grundrissstruktur, den Wohnungsschlüsseln und den Kosten getroffen worden.

“Nach Abwägung der Vor- und Nachteile wurde ein Konzept ausgewählt, welches auf Grund der guten Grundrissstruktur, dem gestalterischen Anspruch, der Lösung des ruhenden Verkehrs sowie der Umsetzung des zweiten Fluchtweges etwas mehr hervorsticht und eine sehr gute Basis für eine weiterführende Planung darstellt”, begründet Herzog.

Gebaut werde der Wohnungskomplex in L-Form entlang des Käthe-Kollwitz-Ufers und der Planstraße verlängerte Elisenstraße. Auf ca. 8500 Quadratmetern Wohnfläche entstehen 130 Wohnungen in der von dem Landeshauptstadt geforderten Wohnungsmix: Etwa 30 Wohnungen seien für den freifinanzierten Wohnungsbau vorgesehen.

Sechs Geschosse, Baustart 2022

Das neue Wohnhaus soll sechs Stockwerke in die Höhe wachsen und über fünf Eingänge zugänglich sein. Im Innenhof des Komplexes sind Grün- und Spielflächen angedacht. Auch dieses Haus soll über eine Tiefgarage verfügen.

“Wenn alles planmäßig verläuft, wollen wir 2022 mit dem Bau zu beginnen. Die Bauzeit schätzen wir auf ca. zwei Jahre, so dass wir zu Anfang 2025 ein bezugsfertiges Areal am Käthe-Kollwitz-Ufer haben”, sagt Claudia Herzog.

Elblounge “johann”: Hoffen auf 2021

eingestellt am 24.11.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Laura Girke vom Restaurant "johann". Foto: Philine Schlick

Im Mai eröffnet, im November geschlossen: Der “johann” steht dieser Tage leer. Wann wieder geöffnet werden kann, ist derzeit unklar. Es gibt Absagen und Verschiebungen. Laura Girke ist dennoch zuversichtlich, denn der Kalender 2021 ist gut gefüllt. “Wir schaffen das. Aber es wird hart”, sagt die Chefin.

Ein wenig gespenstisch wirken die weitläufigen Räume des im Mai neu eröffneten “johann” an diesem blassen Nachmittag. Die Stühle sind hoch gestellt, kein Licht brennt, es ist still und kein Essensduft ist zu erschnuppern. Mit der Schließung der Gastronomie seit Anfang November bleiben auch die Türen des lang herbei gesehnten Restaurants mit Elbblick geschlossen. Kein Tagesgeschäft, keine Hochzeiten – und der Weihnachtsbetrieb steht in den Sternen. Alle 25 Mitarbeiter*innen sind in Kurzarbeit. Wie verkraftet der junge Betrieb diese Härteprobe?

“Ich weiß genauso viel wie Sie”

Laura Girke empfängt trotz aller Widrigkeiten mit einem zuversichtlichen Lächeln. “Es war gut, dass wir im Sommer öffnen konnten”, sagt sie. Zwar erforderten die Umstände mehr Personal und damit mehr Kosten, aber Terrasse und Säle waren gut besucht. Auch Hochzeiten fanden statt. “Eigentlich werden solche Feiern ja lange voraus geplant, aber manche waren wirklich entspannt. Dann haben wir innerhalb von drei Wochen eine Hochzeit gezaubert”, sagt Laura Girke.

Im Gastraum des “johann” sind wegen des Teil-Lockdown die Stühle hochgestellt. Foto: Philine Schlick

Die letzten Tage vor dem Teil-Lockdown nutzen etliche Besucher*innen für ein Essen im “johann”. “Aber viele Gesellschaften kamen in der aufgrund der Bestimmungen anstatt mit den 30 angekündigten Gästen eben nur zu zehnt”, sagt Laura Girke. Planungssicherheit sei nicht möglich in dieser Zeit. Dazu kommen die sich schnell ändernden Regeln. “Wenn Gäste bei mir anrufen und sich nach der Lage erkundigen, kann ich immer nur sagen: ‘Ich weiß genauso viel wie Sie.”

Derzeit nicht im Fluss

Das große Martinsgans-Essen konnte nicht stattfinden, aber ein Großteil der Gäste, die reserviert hatten, nahmen das Angebot der “Gans to go” an. “Wir haben die Portionen in Vakuumbeutel verpackt, damit man sie gut erwärmen kann und noch was Süßes aus der Patisserie dazu gelegt”, erzählt Girke. Viele Gäste hätten aus Gründen der Solidarität nicht storniert, das habe sie zu schätzen gewusst. Auch zu Weihnachten soll ein Menü zum Abholen kreiert werden. Weitere Aktionen sind nicht geplant.

Im Sommer soll auf der Terrasse des “johann” wieder Betrieb sein. Foto: Philine Schlick

“Ich möchte nicht aus Aktionismus heraus handeln”, erklärt die Chefin. “Das würde mich platt machen.” Kosten und Nutzen müssen gut abgewogen werden. Schließlich müsse man dafür den ganzen Betrieb wieder hoch fahren. “Wir sind zur Zeit nicht im Fluss”, stellt sie fest. Nicht nur die Kasse, auch Kopf und Herz spielen da eine Rolle. Immer wieder planen und hoffen und dann absagen – das schlaucht. Bevor sie halbe Sachen beginne, wolle sie das Restaurant lieber geschlossen lassen.

Die Hoffnung liegt im neuen Jahr

Laura Girke nutzt die verordnete Betriebsruhe um die Buchhaltung zu erledigen, Pläne zu schmieden, zu koordinieren. Sie ist überzeugt: “Wir schaffen das. Aber es wird hart.” Der Dezember sei ein Monat, in dem man für das Frühjahr einen Puffer erarbeite. Auch seien mit dem Stillstand die hart erarbeiteten Errungenschaften des ersten halben Jahres passé. Sie versuche das Positive zu sehen: Es bleibt mehr Zeit für die Familie – ein wirklich ungewöhnlicher Zustand für eine Gastronomin in der nahenden Weihnachtszeit.

Die Hoffnung liegt auf einer Entspannung der Lage 2021. Foto: Philine Schlick

Auch sei der Gebäude-Eigentümer verständnisvoll und am Fortbestehen des “johann” interessiert. Von dieser Seite sei kein Druck zu befürchten. Außerdem, sagt Girke, sei sie überzeugt, dass nach dieser Krisen-Prüfung ihr Team so schnell nichts mehr erschüttern kann.

Das Telefon klingelt. Laura Girke ruft aus: “Vielleicht ist es ein Gast!” Die Kundin am anderen Ende der Leitung wünscht eine Verschiebung. Schon jetzt, sagt Girke bedauernd, würden etliche ihre Feierlichkeiten vom Frühling in den Herbst verlegen. Das bereite ihr Bauchschmerzen. Aber dann sagt sie: “Heute Nachmittag kommen noch zwei Pärchen, die an einer Hochzeitsfeier im nächsten Jahr interessiert sind.” Es gibt also einen Lichtstreifen am Horizont.

johann – Elblounge & Restaurant

  • www.johann-elblounge.de
  • Reservierungen und Anfragen via 0351 45699950 oder info@johann-elblounge.de
  • Für Weihnachten 2020 gibt es ein Menü außer Haus:
    https://www.johann-elblounge.de/Speisen-ausser-Haus/

Pflanzenpatenschaften für gefährdete Wildblumen auf den Elbwiesen

eingestellt am 03.11.2020 von Anja Hilgert (ZEILE), Headerbild: Sternchen der Roten Liste auf den Elbwiesen

Auf den Elbwiesen fand ein herbstlicher Auspflanztag statt, bei dem ca. 250 Kleine Wiesenrauten die Chance gegeben wurde, in der Johannstadt Fuß zu fassen. Mit den doch reichlichen Regenmengen im Oktober war der Boden ausreichend weich und feucht, um noch Pflanzen in freier Landschaft auszubringen, dass sie anwachsen können.
Tage wie dieser wärmende Einstieg in den November begünstigen, dass sich die Pflanzen an ihrem neuen Standort wohl fühlen und hoffentlich fest ansiedeln. Denn es handelt sich um regional selten gewordene, gefährdete Arten von Wildblumen, die eigentlich heimisch hier im Gebiet sind, jedoch fast kaum noch auffindbar. Das Konzept einer besonderen Pflanzenpatenschaft bemüht sich nun darum, der biologischen Vielfalt in den Elbwiesen wieder auf den Sprung und in eine blühende Zukunft zu verhelfen.

Kerzen sind bereits angezündet auf den Johannstädter Elbwiesen: Die lichten Blüten der Königskerzen im Oktober Foto: Anja Hilgert

Wenn Mensch und Natur zusammenrücken: Urbanität und Vielfalt

Die noch jungen Pflänzchen wurden von Pflanzenpat*innen mit viel Elan in die Erde gebracht. Diese hatten als Privatleute über den Sommer die Pflanzen im eigenen Garten, auf Balkonen, Dachterrassen und Fensterbrettern gepäppelt und gepflegt, bis sie reif waren für den Übertritt ins offene Land.
Dieser neue Ansatz im Naturschutz bezieht Bürger*innen ein in den aktiven Bestandsschutz von Wildpflanzen und lässt Natur und Mensch näher zusammenrücken. 

Urbanität & Vielfalt  heisst das Projekt, unter dessen Namen die Aktion stattgefunden hat. In Dresden angesiedelt am Umweltzentrum, hat das bundesweite Projekt seit 2018 Pflanzenpat*innen eingeworben, die im Rahmen der Nationalen Strategie für Biologische Vielfalt eine oder mehrere regional seltene und gefährdete Wildpflanzen in die eigene Obhut übernehmen und damit einen Beitrag leisten, den Bestand in der Natur zu stärken. 

In die Obhut genommen

Dazu ziehen Mitarbeiter*innen in der Gärtnerei des Umweltzentrums Dresden hunderte Pflanzen von 10 verschiedenen Wildpflanzenarten an, die in Sachsen zwar heimisch, zunehmend aber kaum noch in freier Landschaft zu finden sind und geben diese vorkultivierten Pflanzen in die Hände von Pat*innen ab. Diese erklären sich bereit, mit Neugier und Geduld die Pflanzen bei sich aufzunehmen und groß zu pflegen. Ausgehändigte Pflanzensteckbriefe und Kulturanleitungen helfen, die Pflanzen fachgerecht zu kultivieren.

Im Herbst kehren die herangewachsenen Pflanzen dann zurück zum Team von Urbanität und Vielfalt am Umweltzentrum, das in Abstimmung mit den Naturschutzbehörden, eine gemeinschaftliche Auspflanzaktion an geeigneten Standorten in der Region durchführt.

Artenvielfalt als hohe Kunst der Natur

Jede Region hat ihre Besonderheit. Jeder Standort weist ganz besondere eigene geologische und klimatische Bedingungen auf, und entsprechend dieser über Jahrmillionen geprägten Standortfaktoren siedeln und leben hier Tiere und Pflanzen, die sich genau mit diesen Bedingungen heimisch fühlen und daran wiederum ihre spezifischen Eigenheiten ausformen. Sie passen sich mit ihren Fähigkeiten dieser Umgebung an und gelangen so zu ihrem besten Wachstumsvermögen, das im genetischen Code gespeichert wird. Auf diesen genetischen Unterschieden begründet sich die Vielfalt der Arten.
Die immense Artenvielfalt wiederum ist die Kunst der Natur, flexibel und kraftvoll auf Schwankungen der Umweltbedingungen (den Klimawandel) zu reagieren, um sich selbst zu erhalten. Darum geht es: Dass uns die Natur als Grundlage unseres Lebens erhalten bleibt. Die das erkannt haben, fördern den Selbsterhalt der Natur und spielen ihr zu im unterstützenden Schutz bedrohter und selten gewordener Arten der Flora und Fauna.

Heimischer Widerständler: Der Feld-Mannstreu Foto: Anja Hilgert

Der Feld-Mannstreu (Eryngium campestre)

Einer, der dem Wiesenfeld an der Elbe treu geblieben ist, ist Eryngium campestre, der Feld-Mannstreu. Auch als Brachdistel oder Allermannsharnisch bekannt, liebt er die Sonne. Je wärmer der Standort und je günstiger der Boden für die zylinderartige Wurzel, desto größer und strauchartiger wächst der Mannstreu. In Spanien ist er mir als üppiger Strauch begegnet, der mit dem Silberglanz seiner schmalen Blätter und einer feinen Geometrie im Astaufbau besticht.

Kniehoch ragt er nach Ausblick zur Elbe.  Foto: Anja Hilgert

Auf trockenen ungenützten Feldern und an Ackerrändern kann er in geschützten warmen Lagen auch in unseren Breiten vorkommen, ist aber selten geworden und zählt von daher zu den schützenswerten Pflanzen. In Sachsen steht er auf der Roten Liste.

Alles an ihm ist stachelbespickt: Blätter, Blüten und Früchte weisen Spitzen und Stacheln auf und machen die Pflanze ausdauernd in Trockenperioden, damit auf lange Sicht überlebensfähig und wehrhaft. Daher rührten auch ihr landläufiger Name und ihre Wirkung: Wie ein Harnisch ist er wirksam gegen Anfechtungen, übersetzt gesagt hilft er in Zeiten erhöhter Infektionsgefahr und schützt die Lungen. Homöopathisch wird Eryngium campestre zur Ausleitung angewandt, auch als Tee oder Tinktur hilft er bei der Ausschwemmung von Giftstoffen aus dem Körper, insbesondere dem Gewebe von Beinen und Füßen.
Johannstädter*innen können sich also glücklich schätzen, dass ihnen ein solcher Schatz vor der Haustüre wächst. Zwar mit dem regionalen Unterschied eines kleineren Wuchses, aber dennoch unverkennbar Feld-Mannstreu.

Schönheit im Detail. Foto: Anja Hilgert

Mikrokosmos lokal und regional

Am Beispiel des wehrhaften Feld-Mannstreu wird klar, dass spezielle Bedingungen eines Lebensraums Pflanzen mit ganz speziellen Eigenschaften und Anpassungen hervorbringen. Die Vielgestaltigkeit der Lebensräume bis in kleinste lokale Regionen bildet die Grundlage für die riesengroße globale Artenvielfalt, mit der die Natur uns beschenkt.

Allein in Sachsen existieren weit über hundert verschiedener Biotoptypen. Bio-tope sind aus dem Lateinischen übersetzt Orte des Lebens.
In diesen jeweils sehr speziellen Lebensräumen hat sich über unzählbare Generationen ein komplexes Zusammenleben von Kleinst- bis Großlebewesen entwickelt, die in wechselseitiger Beziehung zueinander das dichte Netz des Lebens weben: als Gemeinschaft. Der Charakter dieser Lebensgemeinschaft ist ihre hohe Biodiversität. Gemäß der Verordnung der Stadt Dresden vom 09.02.2015 (SächsGVBl. S. 300) sind die Dresdner Elbwiesen als Biotop zu bezeichnen. Sie sind als Landschaftsschutzgebiet bestätigt und unterliegen damit einem gesetzlichen Schutzstatus.

Neu erschlossenes Pflanzenwohngebiet

Es kommt nicht von ungefähr, dass die Pat*innen des Dresdner Umweltzentrums mit ihren 250 Wildblumen in Pflanzschalen und Blumentöpfen auf der Johannstädter Elbwiese zur Auspflanzaktion angerückt sind.
In Sachsen hat in den letzten Jahrzehnten die Zahl der ausgestorbenen, vom Aussterben bedrohten oder in ihrem Bestand gefährdeten Arten stark zugenommen. In den letzten Jahrzehnten stieg der Verlust rapide auf 101 Arten.
Hauptursache für den Bestandsrückgang ist die Zerstörung der Mikro-Lebensräume von Pflanzen und Tieren. Die Intensivierung der Landwirtschaft mit dem Einsatz von Giften ist ein Grund dafür, aber auch der Anspruch des Menschen auf immer mehr Siedlungs- und damit Bebauungsraum, der natürliche Flächen versiegelt, also vom natürlichen Fluss des Lebens abschneidet. Über die Hälfte aller in Sachsen vorkommenden Biotoptypen gelten als gefährdet.

Die Wiesenflockenblume (Centaurea jacea) leuchtet noch spät im Jahr und setzt einen Akzent für den Schutz von Insekten aller Art, Hummeln, Schmetterlinge, Falter und Bienen, die in dieser Wiese eine Weide haben.        Foto: Anja Hilgert

Bundesnaturschutzgesetz bzw. das Sächsische Naturschutzgesetz sehen vor, dass Eingriffe, die durch Baumaßnahmen in Natur und Landschaft entstehen, wieder gut zu machen sind. Als Handlungsempfehlung gelten entsprechende sogenannte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, die kompensieren sollen, dass der menschliche Eingriff in die Landschaft natürlichen Lebensraum zerstört. Dieser soll laut Gesetz an anderer Stelle entschädigend aufgebaut werden. Mit dieser Schadensersatzlogik wird das unersättliche Expansionsbestreben in unserer Gesellschaft abgehandelt.

Wer also mit seinem Bauvorhaben Natur oder Landschaft in ihrem natürlichen Vorkommen und Wachstum beeinträchtigt, hemmt und bedroht, muss angemessenen Schadensersatz leisten. Die Höhe der Erstattungsleistung richtet sich danach, welche spezifischen Tier- und Pflanzenarten im jeweiligen Biotop nachgewiesen werden. Regional seltene oder gefährdete Arten unterliegen besonderer Wertschätzung und gesetzlich geregeltem Schutz. 

Ausgleich, Kompensation und Wiederbelebung

Ein Abschnitt der oberen Elbwiesen nahe dem Käthe-Kollwitz-Ufer, ist eine solche städtische Ausgleichsfläche. Sie kompensiert die beim Bau des Helikopterlandeplatzes der Luftrettung nahe der Waldschlösschenbrücke verloren gegangene natürliche Elbwiesenfläche. Darauf wurden bereits zwei lange Reihen von Jungbäumen gepflanzt, denen sich im diesjährigen trockenen Sommer eine bürgerschaftliche Gießaktion des Stadtteils widmete. Nun sollen auch junge gefährdete Wildblumen frei dort wurzeln dürfen.

Die Auspflanzaktion des Projektes Urbanität und Vielfalt konzentrierte sich auf die ungemähten Wiesenabschnitte zwischen den Bäumen. Dort sind die zarten Wildblumengewächse vor dem Mähbalken sicher, der zwischen den Baumreihen das Gras kurz hält und so dafür sorgt, dass die Nährstoffe nicht durch kräftige Gräser entzogen werden. So können sich die Kleinen Wiesenrauten in aller Ruhe etablieren. Gleichzeitig mit ihnen überleben dort Insekten und deren Eier, Larven und Puppen und können später die zuvor gemähte Fläche wieder besiedeln, dass ein vitaler Lebensraum besteht.

Fast zu übersehen, so zart, in rauer Graslandschaft  Foto: Anja Hilgert

Die kleine Wiesenraute (Thalictrum minus)

Die Wiesenraute, Thalictrum groß oder klein bevorzugt Standorte in der Nähe von Quellen und Flussläufen. In Sachsen ist sie vorrangig im Elbtal zuhause. Gleichzeitig liebt sie heiße Sommer. Ihre gefiederten Blätter sind kleiner, aber dennoch der Akelei sehr ähnlich. Der Stengel kann bis zu einem Meter hoch ragen und trägt an feinen Rispen vielzählige Blütenköpfchen in hellem, weißlichen Gelb der Sonne entgegen, die sich im Windhauch wie nickend bewegen. Ihre Blüten sind ausgesprochen fein gestaltet, dass man von grazilen Kunstwerken sprechen möchte, so bezaubernd sind sie anzusehen.
Beim Betrachten wird klar, dass es sich in der Kleinen Wiesenraute um ein zartes Geschöpf handelt, mit geringer Konkurrenzkraft gegenüber anderen Arten. Auf der Roten Liste wird sie als ‚Vom Aussterben bedroht‘ geführt. Mit ihren Blüten ist sie ein Magnet für pollenfressende Insekten.

Die Jahreszeit wandelt sich auch an der Kleinen Wiesenraute Foto: Anja Hilgert

In den kommenden Wochen und Monaten wird regelmäßig nach den Kleinen Wiesenrauten in der Johannstadt geschaut. Bei diesem sogenannten Monitoring begleitet und erfasst das Gärtner*innenteam des Umweltzentrums die Pflanzen in ihrem Wachstum. Allmählich wird dann die Pflanze mehr und mehr der Erde überlassen und wir dürfen an dieser Stelle des Ufers besonders gespannt das kommende Frühjahr erwarten.

Weitere Informationen

Umweltzentrum Dresden
www.uzdresden.de

Urbanität und Vielfalt
www.uundv.wordpress.com

Natur Sachsen
https://www.natur.sachsen.de/eingriffsregelung-handlungsempfehlung-8109.html

https://www.natur.sachsen.de/biologische-vielfalt-7931.html

Zwischenstandsmeldung von der Flüwo-Baustelle am Käthe-Kollwitz-Ufer

eingestellt am 02.10.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Die Baustelle der Flüwo am Käthe-Kollwitz-Ufer. Foto: Philine Schlick

Die Wohnungsbaugenossenschaft Flüwo baut zwischen Florian-Geyer-Straße und Käthe-Kollwitz-Ufer ein Gebäude mit 120 Mietwohnungen. Zusätzlich entsteht eine Tiefgarage mit 122 Stellplätzen. Derzeit werden der Verbau und die Baugrube hergestellt.

Bagger und Kräne rollen auf dem Baugelände der Flüwo am Käthe-Kollwitz-Ufer. Direkt an das bestehende Wohngebäude, in dem sich auch die Seniorenresidenz “Am Elbufer” befindet, wird die Wohnungsbaugenossenschaft einen Neubau mit 120 Mietwohnungen hochziehen. Auf der anderen Seite wird das Baugelände derzeit noch vom Caravan-Camping Johannstadt flankiert. Das 4700 Quadratmeter große Grundstück wurde entsprechend vorbereitet: Bäume entlang der Straße wurden gefällt, Bauzäune errichtet.

So soll die neue Wohnzeile der Flüwo aussehen. Foto: PR
So soll die neue Wohnzeile der Flüwo aussehen. Foto: PR

Wohnungen auf Wunsch mit Smart-Home-Elementen auszustatten

“Die moderne Ausstattung und die hochwertige Optik machen das Gebäude zu einem attraktiven Wohnort für unsere Mieter”, sagt Martin Mezger, technischer Prokurist der Flüwo. “Als genossenschaftliches Unternehmen ist uns ein faires und partnerschaftliches Verhältnis zu unseren Mietern wichtig. Wir verstehen und als Wohn- und Lebensbegleiter.”

Die Flüwo Bauen Wohnen eG wurde 1948 gegründet und bietet heute ihren insgesamt 10.000 Mitgliedern rund 9500 Mietwohnungen in 30 Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg und dem Raum Dresden an. Die Flüwo ist als Genossenschaft von den Interesseneinflüssen Dritter unabhängig.

In dem Gebäude mit acht Hauseingängen soll eine breite Auswahl an Wohnungstypen mit modernen Ansprüchen an Ausstattung und Energiebilanz angeboten werden. Auf 9600 Quadratmetern Gesamtwohnfläche entstehen 1- bis 5-Raumwohnungen, von denen jede über einen Balkon, eine Terrasse mit Mietergarten oder eine Dachterrasse verfügt. Das Haus wird für intelligente Gebäudesteuerung ausgerichtet sein. Damit kann die Wohnung auf Wunsch mit Smart-Home-Elementen ausgestattet werden.

Die geplanten 122 Pkw-Stellplätze in der zweistöckigen Tiefgarage sollen den Mieter*innen vorbehalten sein.

Flüwo-Büro zieht ebenfalls ein

Besonderes Wohnen sollen die Maisonette-Wohnungen im zweigeschossigen Dach ermöglichen, die ein Wohngefühl wie “im eigenen Haus” und von der Dachterrasse einen Blick über Dresden bieten sollen. Zwischen den Häusern befindet sich ein Gemeinschaftsbereich, an den sich ein Spielplatz anschließen wird.

Die Fassadengestaltung wurde mit dem Stadtplanungsamt abgestimmt und zeichnet sich durch eine dreidimensionale Form mit Erkern und Balkonen aus. Die Eingänge werden verglast. Im Sockelbereich kommen großformatige Sichtbetonplatten zum Einsatz.

Bisher befindet sich das Flüwo-Regionalbüro in der Lockwitztalstraße. Nach der Fertigstellung soll es im neuen Gebäude am Käthe-Kollwitz-Ufer einziehen, was auch mit einer Aufstockung der Mitarbeiter*innen einhergehen wird.

Die nächsten Schritte

Die Gründung des Gebäudes wird teilweise auf Pfählen und zwei Bohrpfahlwänden erfolgen, da der Untergrund aus Flusskies besteht, heißt es von Seiten der Flüwo.

Die Fertigstellung des Verbaus und der Baugrube sowie der statisch notwendigen Pfähle wird im Januar 2021 erfolgen. Parallel erstellt der Generalunternehmer die Ausführungsplanung für das Gebäude. Die Rohbauarbeiten sollen im Februar 2021 starten.

Der Bezug der Wohnungen soll stufenweise erfolgen, so Dominik Ottmar, Pressesprecher der Flüwo. Im Juli 2023 soll es los gehen.

Für die Baumaßnahme und die damit verbundenen Baumfällungen hat sich die Flüwo verpflichtet, als Ausgleich einen Beitrag zur Renaturierung einer Grünfläche zur Erweiterung des Trinitatisfriedhofs zu leisten.

Trost bei Urgroßmutter Weide – Ein Weidenlied

eingestellt am 14.03.2020 von Philine Schlick, Headerbild: Wie eine in der Drehung erstarrte Tänzerin: Die betagte Weide am Johannstädter Elbufer. Foto: Philine Schlick

Jeder Mensch hat in schwierigen Zeiten seine Trostpflaster. Etwas, das Hoffnungen wach kitzelt und genug Raum für Klagen bietet. Das kann ein Lied sein, ein Genussmittel, eine Person, ein Ort. Ich habe einen Baum. Er steht am Johannstädter Elbufer, ist eine Weide und zwischen 80 und 120 Jahren alt. Mit viel Glück bleiben uns noch zehn gemeinsame Jahre. 

Wenn alle anderen Bäume noch schlafen, kündet die Weide mit einer Ahnung von Grün vom Frühling. Foto: Philine Schlick

Wenn die Elbwiesen noch zerzaust und ausgeblichen daliegen, alle Baumkronen blattlos und monochrom braun sind, leuchtet oberhalb des Elbstrandes zwischen Bootshaus und Waldschlösschenbrücke ein ockergelber Fleck am Käthe-Kollwitz-Ufer. Das ist das Haar von Urgroßmutter Weide. Ihr Haupt kündet vor allen anderen vom Gelb der Osterglocken, vom klebrigen Puder der Kätzchen, von platzenden Knospen, vom neuen Frühling.

Die Weide hat so einige Vögel im Oberstübchen. Foto: Philine Schlick

Die Weide steht wie eine in der Drehung erstarrte Tänzerin. Je nach Perspektive ändert sie ihre Dramatik. Von Weitem aus betrachtet ist sie ein mächtiger, kraftstrotzender Baum. Bei näherer Betrachtung offenbart sie ihre Verletzlichkeit: Sie ist innen hohl. So leer, dass sich ein Mensch ganz hineinstellen kann. Die Energie, mit der sie ihre tausenden grünen Blättchen entfaltet, erscheint wie ein Wunder.

Die mächtige Weide ist innen hohl. Wenn niemand mehr zündelt, bringt sie es noch auf zehn Lebensjahre, schätzt das Umweltamt. Foto: Philine Schlick

Zweimal fühlten sich im vergangenen Jahr Menschen bemüßigt, in ihrem Kern Feuer zu entfachen. Seitdem ist ihr Inneres schwarz verkohlt und riecht nach Brand. Bäume, so haben Forscher*innen herausgefunden, senden bei Schmerz akustische Signale aus. Ich wünsche den Menschen, die einen lebenden Baum anzünden, einen nächtlichen Tinnitus mit diesen Schmerzensschreien.

Das Umweltamt sagt: Ohne Pflege bleiben der Hängeweide noch zehn Jahre – wenn sich wieder jemand an ihr vergreift, noch nicht einmal das. Mit einer regelmäßigen Sicherungspflege wären es zwanzig.

Blick durch die brüchige Borke in Richtung Elbe. Foto: Philine Schlick

Namen stehen in ihre Rinde geritzt, Beschimpfungen, Liebesbekundungen. Zerknüllte Verpackungen liegen in ihrem Schoß und Scherben. Abgeworfener Ballast. Die Weide steht und schweigt. Sie trotzt Sabrina, Xaver, Eberhard, Mortimer und wie sie alle heißen, die schneidenden Stürme, ihr bleibt ja nichts anderes übrig.

Sie steht in den Bruchstücken ihrer eigenen Borke und hält ihr Haupt den Meisen zugeneigt, die zwischen den Blattknospen Käferchen picken. Sie steht, als lausche sie dem Fluss. Als habe sie Sehnsucht nach anderen Orten. Der Wind spielt mit ihren Ästen wie mit seidigem Haar. Zu ihren Füßen knabbert der Biber nachstrebendes Holz. Das ihre ist zu morsch, zu trocken – sie bleibt verschont.

Die Hängeweide entstand 1815 in Frankreich – dieses Exemplar wurde gepflanzt oder aber angespült. Foto: Philine Schlick

Und sie hält auch meine Klagen noch aus, macht sie klein, steckt sie in die Tiefen ihrer Runzeln und Risse, schwitzt sie durch die Wurzeln. Ich muss lange sitzen, damit sie mich überhaupt bemerkt. Gemessen an ihren Jahren sind meine Minuten flüchtig, so wie meine Sorgen.

Die Weide lehrt mich etwas – ich kann nicht sagen, was. Eine Mischung aus Geduld, Ertragen, Widersetzen, Träumen. In zehn Jahren wird die Weide 90 sein, oder 100, möglicherweise auch 130 Jahre alt. Die Differenz ihrer geschätzten Jahre entspricht meiner derzeitigen Lebensdauer. Ich kann mich nicht in sie hineinver-, nur daneben setzen und staunen. Und meine Sorgen zu Käfern werden lassen, die die Meisen picken.

Schräg steht sie, doch sie steht: Die Weide am Johannstädter Ufer. Foto: Philine Schlick

Hinweis der Redaktion: Der im Rahmen des Projektes „Online-Stadtteilmagazin“ erschienene Beitrag wurde nicht von der Landeshauptstadt Dresden bzw. dem Quartiersmanagement erstellt und gibt auch nicht die Meinung der Landeshauptstadt Dresden oder des Quartiersmanagements wieder. Für den Inhalt des Beitrags ist der/die Autor*in verantwortlich.