Orte » Historischer Rundweg: Standort 7 – Stadtteilhaus, ehem. Blumenstraße

eingestellt am 12.12.2019 von Matthias Kunert (QM Johannstadt), zuletzt geändert am 07.03.2024

Vom Thomas-Müntzer-Platz laufen Sie die Florian-Geyer-Straße entlang bis zur Pfeifferhannsstraße, biegen dort kurz nach links und vor dem Einkaufszentrum in die ehemalige Blumenstraße. Hier erreichen Sie den Standort Nr. 7 des historischen Rundwegs.

Vor 1945: Von Blumen, Bällen und Betrieben

Stadtplan von 1911. Quelle: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek. Der Tafelstandort (blau) und wichtige beschriebene Orte sind markiert.

Die Welt vor dem Ziegelschlag

Die Blumenstraße folgt einem alten Zufahrtsweg, der vom Blasewitzer Tännicht in die Stadt Dresden führte. Die am Vorwerk Lämmchen (Höhe heutige Neubertstraße) sowie am Ziegelschlag (Nähe Eliasfriedhof) entlang führende Verbindung trug den Namen Jagd- oder Fürstenweg und wurde umgangssprachlich auch Lämmchenweg genannt. 1860 erhielt sie den Namen Blumenstraße nach der hier betriebenen Gärtnerei Lüdicke. Die Alte Apotheke Johannstadt an der Blumenstraße gilt als eines der ältesten noch erhaltenen Gebäude des Stadtteils.

Links: Ansicht der Blumenstraße, um 1900. Foto: unbekannt, aus der Sammlung JohannStadtArchiv.
Rechts: Alte Apotheke in der Blumenstraße, 1988. Foto: L. Stellmacher, SLUB Dresden / Deutsche Fotothek

Gewerbe in der Johannstadt

Begünstigt durch die Elbnähe und die erste Pferdebahn nach Blasewitz entwickelte sich die
Blumenstraße bis in die 1870er Jahre zu einem bedeutenden Gewerbegebiet.
Ausgewählte Adressen:
– Nr. 18: Maccaroni- und Nudelfabrik Hermann Anschütz (1855–1920)
– Nr. 47: Ende des 19. Jahrhunderts von Hugo Fritzsche gegründeter Loschwitzer Hof
– Nr. 48: Blumensäle – Tanzlokal von August Ernst Binder
– Nr. 66: Dresdner Gardinen- und Spitzenmanufaktur AG (1884–1918), dann Gläser Karosserie
– Nr. 68/70: E. T. Gleitsmann – Chemische Farbenfabrik mit Fabrikantenvilla (Alte Apotheke)
– Nr. 80: Vereinigte Fabriken Photographischer Papiere, seit 1948 Werkzeughändler C. H. Morgenstern & Co. GmbH

Links: Verwaltungsgebäude von C. H. Morgenstern, Blumenstraße 80, um 1948. Foto: unbekannt, aus der Sammlung JohannStadtArchiv. Rechts: Werbeblatt der Nudelfabrik Anschütz, um 1900. Urheber: unbekannt, aus der Sammlung JohannStadtArchiv

Binders Blumensäle

Die Blumensäle in der Blumenstraße 48 entstanden aus einer langen Tradition von Schankbetrieben an dieser Stelle. Am 31. Januar 1907 sprach in diesem Haus August Bebel letztmalig vor Dresdner Arbeiterinnen und Arbeitern. 1913 erwarb der erfahrene Hotelbesitzer August Ernst Binder (1870–1940) die Tanzsäle. Er führte sie äußerst erfolgreich. Die Werbung für sein Etablissement „Binder Ernst – und das genügt“ war stadtbekannt und zeugte von der Popularität des Lokals. Mitten im Tanz pausierte die Musik und es wurden zehn Tanzpfennige kassiert, ein Tanzbändchen für den ganzen Abend kostete zwei Mark. Das Lokal bestand aus zwei Hauptsälen und diversen kleinen Räumen. Nach Binders Tod führte seine Ehefrau Ida Selma die Blumensäle weiter.

Links: Ansichtskarte „Tanzpalast Blumensäle. Größter Saal Dresdens“, vor 1913. Rechts: „Hauskapelle Tanzpalast ,Blumensäle‘ Kapellmeister Walter Beil“, nach 1913. Fotos: unbekannt, aus der Sammlung JohannStadtArchiv

Nach 1945: Teilung, Typen und Treff

Stadtplan von 2020. Der Planausschnitt ist identisch mit dem umseitig abgebildeten historischen Stadtplan. Der Tafelstandort ist markiert. Quelle: Themenstadtplan, Landeshauptstadt Dresden, Amt für Geodaten und Kataster

Verlust und Teilung

In der Bombennacht des 13. Februar 1945 fielen alle Gebäude im westlichen Teil der Blumenstraße einschließlich der Blumensäle der Zerstörung zum Opfer. 1973 entschieden sich die Stadtplaner mit dem Bau der Wohnblocks an der Pfeifferhannsstraße, die historische Blumenstraße zu trennen. Der westliche Teil der Blumenstraße vom Güntzplatz bis zum Bönischplatz wurde in Elsasser Straße umbenannt. Der als Blumenstraße fortbestehende östliche Abschnitt beginnt entsprechend heute für den Geschichtsunkundigen verwirrend mit der Hausnummer 60.

Markante Wohnbebauung an der Blumenstraße Ecke heutige Alfred-Schrapel-Straße vor und nach der Bombennacht 1945. Fotos: unbekannt, aus der Sammlung JohannStadtArchiv
Links: Mit einem Wohnblock überbauter Verlauf der ehemaligen Blumenstraße an der Pfeifferhannsstraße. Der frühere Verlauf ist blau markiert. Foto: G. Gonschorek, um 2000. Rechts: Funde aus der Baugrube des Einkaufsmarktes am früheren Standort der Blumensäle. Foto: G. Hammermüller

Kindergärten und Poliklinik als Typenbauten

Mit Bezug der umliegenden Plattenbauten im April 1974 eröffneten auch zwei bis heute bestehende Funktionsgebäude ihre Pforten: der Kindergarten auf der Blumenstraße 60 und die Poliklinik an der Bundschuhstraße 2. Beide Gebäude wurden als sogenannte Typenbauten geplant und errichtet. Die Projektierung erlaubte es, schneller und kostengünstiger zu bauen. Per Serienkatalog konnten die Gebäude nach einem Standardschema zusammengestellt werden. Bei dem Gebäude Blumenstraße 60 handelt es sich um einen Typenbau in Raumzellenbauweise HTP216/12. Seit der Wende führt die Landeshauptstadt Dresden die Kindertagesstätte mit rund 160 Krippen- und Kindergartenplätzen. Die Poliklinik wird als Ärztehaus weitergeführt.

Links: Typenbau Kindertagesstätte Blumenstraße 60, 2016. Foto: B. Kalex.
Rechts: Bau der Palettenmöbel und Hochbeete am Bönischgarten, 2017. Foto: A. Schubert

Stadtteilhaus wird zum Kulturtreff

Mit der vom Stadtrat 2017 beschlossenen Errichtung des Stadtteilhauses Johannstadt erhält die ehemalige Blumenstraße zwischen Bönischplatz und Pfeifferhannsstraße einen neuen Impuls. Neben dem Johannstädter Kulturtreff e. V. bietet das Gebäude Raum für den Kindertreff JoJo des Kinderschutzbundes, die Johannstädter Beratungsangebote des Ausländerrats Dresden, den Stadtteilverein Johannstadt und zahlreiche weitere soziokulturelle Angebote im Stadtteil. Die neugestaltete Achse der ehemaligen Blumenstraße verbindet das Stadtteilhaus mit dem Bönischplatz. Mittelfristig ist auch die Gestaltung der angrenzenden Grünfläche Bönischgarten vorgesehen, auf der eine Bewohnerinitiative unter der Trägerschaft des UFER-Projekte Dresden e. V. bereits seit 2017 einen kleinen Garten mit aus Europaletten gefertigten Hochbeeten und Sitzgelegenheiten betreibt.

Text: Matthias Erfurth, Matthias Kunert, Henning Seidler
Redaktionsschluss: März 2021